Bochum. Im spektakulären Steuer-Prozess am Freitag in Bochum wurde eine Bewährungsauflage von 7,5 Millionen Euro verhängt. Ein Großteil davon geht an soziale Einrichtungen im Ruhrgebiet. Aber was tun sie damit?

Der Prozess in der Liechtenstein-Affäre im Bochumer Landgericht. Foto: Ingo Otto, WAZ
Der Prozess in der Liechtenstein-Affäre im Bochumer Landgericht. Foto: Ingo Otto, WAZ © WAZ

Es ist eine Liste des schnellen Geldes. Wer dort draufsteht, hat Chancen auf eine Art Lottogewinn, den die Strafjustiz ausschüttet. Die Presse machte am vorigen Freitag bereits den Lottoboten. Denn viele soziale Vereine, an die der verurteilte „Liechtensteiner” Steuerbetrüger (66) aus Hessen jetzt insgesamt 7,5 Millionen Euro als Bewährungsauflage (davon eine Million für den Staat) zahlen muss, erfuhren vom Geldsegen durch die WAZ.

Wie Christiane Ohnmacht vom Tierheim Witten, Wetter und Herdecke, das 200.000 Euro bekommen soll: „Jetzt können wir die dringendsten Sachen erledigen.” Glauben will die Tierschützerin das alles aber erst, wenn das Geld wirklich auf dem Konto ist. Sie darf wohl beruhigt sein: Sollte der Steuersünder nicht binnen drei Monaten zahlen, wird die Haftstrafe von zwei Jahren wohl vollstreckt. Dieser Druck fördert die Zahlungsmoral ungemein. Es gibt keine genauen Kriterien, nach denen die Justiz Geldauflagen aus Strafverfahren verteilt.

In Bochum traf die Auswahl die Staatsanwaltschaft. Wie Oberstaatsanwalt Eduard Güroff sagte, handele es sich bei der Vergabe um „eine Mischung aus Zufallsprinzip, der Liste der gemeinnützigen Einrichtungen und der Vereinbarung zwischen den Prozessbeteiligten.” Im aktuellen Fall hatte auch der Angeklagte selbst der Auswahl zugestimmt. Grundsätzlich gilt: Auch Angeklagte können selbst auswählen, wohin die ihnen auferlegten Bußgelder fließen sollen: Hat jemand beispielsweise einen Krebskranken in der Familie, kann er eine Einrichtung zur Krebsforschung vorschlagen. Man wird es ihm nicht verwehren.

Das Gleiche gilt für die Örtlichkeit. Güroff: „Wenn er Wert darauf legt, beispielsweise bestimmte Einrichtungen in seinem Heimatbereich zu begünstigen, wird darauf Rücksicht genommen.” Das dürfte in Zukunft öfter der Fall sein, denn nur ein kleinerer Teil der vielen hundert deutschen Beschuldigten im Fall „Liechtenstein” kommt aus dem Ruhrgebiet. Das dürfte auch Begehrlichkeiten anderer Landstriche wecken. Trotzdem bleiben alle Ermittlungen unter Federführung der Bochumer Staatsanwaltschaft. Übrigens wird sie bald wohl auch dann große Summen verteilen, wenn es in einem Fall nicht zu einem öffentlichen Prozess kommt. Denn auch wenn Verfahren eingestellt werden, geschieht dies oft nur gegen eine dicke Geldauflage – zugunsten sozialer Vereine.

Die Bewerbungschancen auf diese Gelder sind also relativ vielversprechend. Bochums Amtsgerichtsdirektor Friedrich Meyer zur WAZ: „Ich hatte auch mal eine größere Summe verteilt: Da kriegen Sie eine Flut von Post. Alle denken: Da ist was zu holen.” Zurück zum Geldsegen vom Freitag: Zu den Gewinnern (50 000 Euro) zählt auch die „Wattenscheider Kindertafel”. Sie kümmert sich um ein vitaminreiches Frühstück für die, die von zu Hause kein Pausenbrot haben. „Tafel”-Vorstand Manfred Baasner wird das Geld jetzt für ein 3,5 Tonnen schweres Spezialauto mit Kühlausbau ausgeben: „Wir beliefern Kindergärten, Schulen und Freizeiteinrichtungen der Stadt Bochum mit Obst und Gemüse.” Jede Schule wird ein- bis zweimal pro Woche angefahren. Die Tafel kann das Geld aber auch so gut gebrauchen. Baasner: „Die Spritpreise hauen uns in den Keller. Wir haben acht Autos.”

Freude gab es auch bei „VIA e.V.” (100 000 Euro) in Bochum, einem Verein, der etwa soziale Trainingskurse fürs Jugendamt bestreitet. Geschäftsführer Hermann Gnade schmunzelnd: „Ich bin in ganz Bochum angesprochen worden – und alle denken jetzt, wir sind reich.” In Wahrheit würden jetzt aber nur vorhandene Defizite ausgeglichen. Trotzdem: „Es tut sicher gut.” Auch die Bochumer Wissenschaft hat von der Steuerstraftat jenes Immobilienkaufmannes aus Bad Homburg profitiert.

Die medizinische Fakulät der Ruhr-Uni bekam 1,05 Mio Euro. Wie Dekan Prof. Dr. Gert Muhr der WAZ sagte, wird das Geld für die Verbesserung der Lehre, medizinische Geräte und die Forschung benutzt. Wo viel Geld verteilt wird, gären aber auch stets Neid und Missgunst. Wie die WAZ erfuhr, haben sich einige Leute bereits beklagt, dass ein Tierheim begünstigt wurde: Für Menschen wäre das Geld doch besser ausgegeben, hieß es.

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