Hattingen. Ein 36-jähriger Imam ist vor dem Amtsgericht Hagen angeklagt. Der Vorwurf: sexuelle Belästigung. Der Hattinger soll eine 16-jährige Schülerin in einen Hausflur gedrängt und begrapscht haben. Der Mann bestreitet die Tat.

Er betet fünfmal am Tag „Allahu akbar“ (Gott ist größer). Denn der 36-Jährige ist hauptberuflicher Imam (Vorbeter) in einer Moschee in Welper und bezeichnet sich selbst als „Theologen“. Derzeit ist er jedoch vor dem Amtsgericht Hagen angeklagt – als Sexualstraftäter.

Den 9. März des vergangenen Jahres wird Nadine (Name von der Redaktion geändert) wohl nicht vergessen. Die 16-jährige Schülerin aus Hagen war gegen 19 Uhr auf dem Weg nach Hause, als sie im Stadtteil Haspe von einem fremden Mann angesprochen wurde. Der Unbekannte erklärte, er käme aus Hattingen und fragte nach einer Adresse. Als „Dankeschön“ für die umfassende Auskunft zückte er dann einen Zehn-Euro-Schein.

Nadine lehnte das Geld zunächst ab, doch es wurde ihr geradezu aufgedrängt. Der Mann mit Schnäuzer und starkem Akzent, offensichtlich ein Südeuropäer, war ihr inzwischen bis zur Haustür gefolgt. Als sie die Tür aufschloss, drängte er sie in den Hausflur. Dabei versuchte er sie auf den Mund zu küssen und befingerte sie an Po und Busen.

Die Schülerin reagierte geistesgegenwärtig und täuschte vor, dass ihre Mutter in der Wohnung sei und sie bereits erwarte. Der Unbekannte ließ deshalb von ihr ab und flüchtete. Tatsächlich war aber niemand zu Hause gewesen. Das völlig aufgelöste und verängstigte Mädchen benachrichtigte sofort die Polizei. Am 11. März 2010 erschien eine Fahndungsmeldung in Hagener Zeitungen: „Mann belästigt 16-Jährige“.

Mann stand ein zweites Mal vor der Tür


Fünf Wochen später, 17. Mai 2010: Nadine hat den beunruhigenden Vorfall bereits verdrängt und ist allein zu Hause, als es am Nachmittag überraschend an der Wohnungstür klingelt. Die Schülerin öffnet ahnungslos die Tür – und vor ihr steht der Sexual­täter.

Er streckt ihr seine Hand entgegen: „Guten Tag“. Blitzschnell schlägt das Mädchen die Tür zu. Durchs Kinderzimmerfenster kann sie beobachten, wie der fremde Mann das Haus verlässt, in einen schwarzen Wagen mit EN-Kennzeichen einsteigt und wegfährt.

Über das Nummernschild kommen die Ermittler an den Halter des Fahrzeugs, den Besitzer eines türkischen Restaurants in Hattingen. Der kann glaubhaft nachweisen, dass der Audi 80 zwar auf ihn zugelassen, aber gar nicht in seinem Besitz ist. Der Wagen würde dauerhaft vom Priester und Vorbeter seiner Moschee, dem Imam (36) genutzt. Der ist nun vor Amtsrichter Dittert wegen sexueller Nötigung angeklagt und gibt zu, am Tattag in Hagen gewesen zu sein. Auch hätte er die Schülerin nach dem Weg gefragt, „aber nur vom Auto aus“.

Die zweite Begegnung sei von Nadine völlig „erfunden“ worden. Am 17. Mai 2010 wäre er gar nicht in Hagen gewesen. Zum fraglichen Zeitpunkt hätte ein Vorstandstreffen des Moscheevereins in Welper stattgefunden. Einem entsprechenden Beweisantrag wird nun nachgegangen.

Vereinsvorsitzender im Zeugenstand

Das Verfahren vor dem Amtsgericht Hagen geht weiter: Am 2. Mai 2011 muss der Vorsitzende des Bildungs- und Kulturvereins in Hattingen, Kemal Kurt, zur Entlastung des Imans in den Zeugenstand. „Sollte er seinem Glaubensbruder hier ein falsches Alibi verschaffen wollen“, hat Staatsanwältin Marie-José Lagemann bereits angekündigt, „werde ich sofort ein Verfahren wegen Falschaussage gegen ihn einleiten.“