Essen.

Die neue Biografie über Berthold Beitz bewegt viele. Vier Journalisten, darunter der Autor, versuchten zu ergründen warum.

„Was für ein Leben! Und was für eine Lebensleistung!“ Der Ausspruch von Altkanzler Helmut Schmidt über Berthold Beitz war so etwas wie eine Richtschnur bei der Vorstellung der neuen Biografie über den 97-jährigen Kuratoriumsvorsitzenden der Krupp-Stiftung. Vier Journalisten kamen am Montagabend in der Essener Zentralbibliothek über Person und Buch ins Gespräch: Autor Joachim Käppner, sonst Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, Ruhr2010-Geschäftsführer Fritz Pleitgen sowie Frank Stenglein, Leiter der Essener WAZ-Lokalredaktion und ebenfalls Buchautor in Sachen Krupp. Als Moderator hielt WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz die Fäden zusammen.

Beitz’ Rolle im Nationalsozialismus, seine mutigen Rettungsaktionen für Hunderte Juden als Erdöl-Manager im besetzten Polen, sollte nach Ansicht Pleitgens Eingang finden in die Schulbücher. „Beitz zeigte, was ein Einzelner auch in schwierigen Situationen bewirken kann“ Beitz hatte über Jahre immer wieder sein Leben riskiert, indem er Juden als kriegswichtige Arbeitskräfte ausgab und sie noch auf dem Bahnhof der Ölstadt Boryslaw vor dem Transport in die Vernichtungslager bewahrte. Warum tat er, was kaum jemand tat? „Er hat sich bewegen lassen, von dem Schrecklichen, das er sah, er musste einfach handeln, aus Menschlichkeit“, sagte Käppner.

Beitz blieb ein Außenseiter

Berthold Beitz machte nach dem Krieg eine steile Karriere, die ihn als Generalbevollmächtigter an die Seite von Alfried Krupp führte, dem letzten Alleininhaber des Essener Konzerns. Ging es dabei um das Reinwaschen des belasteten Namens Krupp? Auch das war für Alfried Krupp vermutlich wichtig, so Stenglein, aber er wollte vor allem einen zweiten Mann haben, der ohne die Last der Tradition in der etwas behäbig gewordenen Firma Neues auf den Weg bringen konnte. Die hübsche Anekdote, dass Beitz als Erstes den altmodischen Personenaufzug Paternoster schneller fahren ließ, passt durchaus.

Beitz blieb ein Außenseiter. Von konservativen Wirtschaftsbossen hielt er sich fern, beförderte den Ausgleich von Kapital und Arbeit, verstand sich gut mit Gewerkschaftern und war Vorkämpfer dessen, was später Entspannungspolitik hieß. Er stand den Konflikt um das Hüttenwerk Rheinhausen durch, und dies bescherte seinem Biografen Gesprächspartner, die auf Beitz bis heute schlecht zu sprechen sind. Käppner traf sie in einer früheren Malocherkneipe in Rheinhausen.

Zur Freiheit gehört der Mut

Bei allem sozialen Denken: Wenn es um die Existenz der Firma selbst ging, blieb Beitz konsequent. Er und kein anderer besaß die Autorität, Krupp durch die Fusionen mit Hoesch und Thyssen in eine sichere Zukunft zu steuern „Ein Leben voll enormer Willensanstrengung“, analysierte Pleitgen, der das zwiespältige Wort vom „Liebling der Götter“ für unpassend hält.

Beitz, da war sich die Runde einig, habe stets „Herr der Situation“ sein wollen, gemäß seiner Lebensphilosophie, wonach persönliche Freiheit und Mut untrennbar zusammengehören. In einem langen, in teils schwieriger Zeit gelebten Leben so vieles richtig zu machen – alleine dies sei eine bewundernswerte Leistung.