Bochum. .
Der Verdacht gegen eine private Bochumer Berufsschule verdichtet sich. Nun ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen Mitglieder der Gruppengeschäftsleitung: Es geht um Subventionsbetrug, Betrug und Untreue.
Sie galt als florierendes Unternehmen, und sie vermittelte das wohl kostbarste Gut: Bildung. Seit 20 Jahren bietet die Edu.Con-Gruppe bundesweit Weiterbildungsangebote und Umschulungen an, auch in Bochum und Düsseldorf. Tausende junge Menschen absolvierten an privaten Berufsschulen Ausbildungen – in der Hoffnung auf einen Job. Bildungsministerien und Arbeitsagenturen förderten die Maßnahmen mit Millionen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen Mitglieder der Geschäftsleitung: Es geht um Subventionsbetrug, Betrug und Untreue.
Insider vermuten ein Geschäftsmodell, das darauf angelegt ist, so viel Geld wie möglich aus den öffentlichen Fördertöpfen zu pressen. Bildungsmafia, so sagen sie dazu.
Schüler beklagen Unterrichtsausfälle und massive Mängel in den Lehrplänen
Die Spur beginnt in der Bochumer City. Seit Monaten häufen sich die Beschwerden gegen die dortige private Berufsfachschule der Edu.Con-Gruppe. Schüler aus dem ganzen Ruhrgebiet beklagen Unterrichtsausfälle und massive Mängel in den Lehrplänen (die WAZ berichtete). So wurden Schüler mangels fachlicher Eignung nicht zur Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer zugelassen. Arbeitsagenturen im Ruhrgebiet verwehren die Förderung von Ausbildungen mittels Bildungsgutscheinen. Die Edu.Con-Gruppe geht dagegen vor, weist die Vorwürfe als falsch zurück.
Wer aber ist Edu.Con? Recherchen enthüllen ein kompliziertes Geflecht aus Firmen, die allesamt Bildungsdienstleistungen vermitteln und in denen die Privatschulen zusammengefasst sind. Ein Name taucht immer wieder auf: Carina Appelt, geboren in Potsdam, Geschäftsführerin der Edu.Con AG. Eine Frau mit Vorgeschichte.
Eine Infobroschüre der mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Berlin-Brandenburg verrät, dass Carina Appelt vor dem Fall der Mauer Weiterbildungsleiterin der „Kammer der Technik war“. 1990 gründete sie Edu.Con. Das Geschäft florierte, auch dank der öffentlichen Förderung in Millionenhöhe. 2007 lernten 1200 Schüler an 15 Privatschulen, heißt es weiter. O-Ton Carina Appelt: „Wir sind flexibler als staatliche Schulen, können Ideen ausprobieren und spontan umsetzen.“
Dozenten nicht bezahlt
Doch womöglich kassierte die Edu.Con-Gruppe zu Unrecht staatliche Mittel. Im Juni ließ das brandenburgische Bildungsministerium drei Edu.Con-Schulen im Land schließen. Der Vorwurf: Das Unternehmen soll Schülerzahlen gefälscht haben, um höhere Fördergelder zu bekommen. Laut Ministerium waren in Potsdam und Cottbus 625 Schüler gemeldet gewesen, doch nur 258 Verträge habe Edu.Con nachweisen können. Das Ministerium spricht von einem Schaden in Millionenhöhe. Edu.Con bestreitet alle Vorwürfe, wirft dem Bildungsministerium eine Hetzkampagne vor. Das Eilverfahren, mit dem Edu.Con vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg versuchte, die Schließung der Schulen zu verhindern, endete mit einer Niederlage: Am vergangenen Dienstag lehnten die Potsdamer Richter die Klage ab.
Der Fall Edu.Con zieht Kreise. Die für Wirtschaftskriminalität zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft Potsdam ermittelt nach WAZ-Informationen gegen Carina Appelt und drei weitere leitende Mitarbeiter von Edu.Con. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ralf Roggenbuck, bestätigt, dass es um den Vorwurf des Subventionsbetrugs, Betrugs und Untreue gehe.
Auch der Landtag Brandenburg beschäftigt sich gerade mit der Edu.Con-Gruppe. Über Jahre sponserte Edu.Con Sportvereine, unter anderem den VfL Potsdam. Dessen Präsident ist Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) – jener Minister, der die Aufsicht über Privatschulen besitzt. Er soll nun über die Höhe der Spenden Auskunft geben.
NRW stoppte Bildungsgutscheine
Die florierenden Geschäfte , sie versiegen. Brandenburg hat alle Zuwendungen gestoppt, Schüler stellen Zahlungen ein. Auch in NRW werden in den Bildungseinrichtungen von Edu.Con keine Maßnahmen mehr mit Bildungsgutscheinen finanziert.
Die Spur führt zurück nach Bochum. Dort, in der Schule an der Massenbergstraße, zahlte Edu.Con den Dozenten schon im Sommer kein Honorar mehr. Das geht aus einem Schreiben der Geschäftsführung an das Lehrpersonal hervor, das der WAZ vorliegt. Edu.Con bittet um Stundung und Ratenzahlung. Wegen des Entzugs der Lizenzen in Brandenburg seien Zahlungen ausgeblieben. Das Unternehmen warnt: „Die zahlungsunwilligen Ergänzungsschüler dürfen nicht immer mehr werden. Es muss ein kontinuierlicher Geldfluss erreichbar sein.“
In der Schule mehren sich die Auflösungserscheinungen, Der Beginn des Schuljahrs ist verschoben, sagen Schüler und Ex-Dozenten. „Eine Prüfung im Kosmetikbereich hat stattgefunden“, sagt eine frühere Lehrerin. „Ohne Strom und ohne Warmwassser. Es ist beschämend, dass auf diese Art und Weise Bildung vermittelt wird.“ Edu.Con lehnte eine Stellungnahme ab.