Oberhausen. Im Hochseilgarten kann jeder mal gefahrlos mutig sein. Mehr Mut brauchten die ersten Investoren im Ruhrgebiet. Unkalkulierbar war das Risiko, eine halbe Million Euro zwischen Bäume zu spannen und nie mehr wieder zu sehen. Jetzt boomen die Kletterparks, nicht nur in der Region.
Vorsichtig balanciert ein kleines Mädchen über eine wackelige Hängebrücke. Noch ein Schritt, dann ist die sichere Plattform erreicht. Weiter hinten im Wald grölt ein Jugendlicher. Auf einem Surfbrett kniend rutscht er von einem Baum zum nächsten. Hunderte Abenteuerlustige verlieren im Waldhochseilgarten „Tree2tree” täglich ganz freiwillig den festen Boden unter den Füßen.
Mut bewiesen auch Martin Bürgers und Be´la Kubick (Bild oben), als sie 2003 beschlossen, ihre Idee von einem Waldhochseilgarten in Oberhausen zu realisieren. Denn zu dieser Zeit gab es noch keinen solchen naturbelassenen, für das breite Publikum ausgelegten Hochseilgarten in Deutschland. Heute macht einer nach dem andern auf (siehe unten).
„Wir waren unsicher: Wird das Ganze überhaupt angenommen?”, erinnert sich Bürgers. 10 000 Euro Pacht zahlen sie für das Waldstück neben dem Gasometer jährlich. 450 000 Euro investierten sie. Doch schon in der Eröffnungssaison 2006 kamen 17 000 Kletterer. Und die Oberhausener expandierten – auch, um den Einstieg für Konkurrenten zu erschweren. Ihren zweiten Hochseilgarten eröffneten sie im Revierpark Wischlingen in Dortmund, den dritten in Duisburg-Wedau. Das jährliche Ziel sind 80 000 Besucher.
Damit gehört das Oberhausener Unternehmen nach Einschätzung von Michael Trefs, Chef der International Adventure Park Association (IAPA), zu den größten der Branche. Etwa 100 Waldhochseilgärten gibt es inzwischen in Deutschland. „In den letzten drei Jahren ist der Markt explodiert”, berichtet der Verbandschef. Er rechnet mit einer Verdreifachung in wenigen Jahren.
Genaue Umsatzzahlen der jungen Branche gibt es noch nicht. Im Durchschnitt verzeichne jeder Kletterwald jährlich 25 000 bis 30 000 Besucher, so Trefs. Er schätzt, dass die rund 100 deutschen Hochseilgärten 50 bis 60 Millionen Euro im Jahr erwirtschaften – Gastronomie und Merchandising inklusive.
Auch im Ruhrgebiet gibt es immer mehr Anbieter für luftige Klettererlebnisse: Neben Tree2tree betreibt unter anderem das Bottroper Alpincenter einen Kletterpark. Von Baum zu Baum geht es seit zwei Jahren auch am Duisburger Ruhrufer im Climbingpark. Im Mai eröffnete nun noch ein Parcours in Recklinghausen – Träger ist der Recklinghäuser Verein für Jugendheime.
Tree2tree-Geschäftsführer Kubick hat eine Erklärung für den Kletter-Boom: „Die Leute wollen weg von der Playstation hin zur Aktivität in der Natur.” Den typischen Hochseilkletterer gebe es nicht. „20 Prozent der Besucher sind Kinder, 40 Prozent Jugendliche und der Rest Erwachsene”, sagt Bürgers. Unter der Woche kommen vor allem Schulklassen, am Wochenende Familien. Preiswert ist der Ausflug nicht gerade: zehn bis 24 Euro kosten vier Stunden Hochseilklettern.
Zwölf festangestelle Mitarbeiter und 80 Aushilfskräfte beschäftigt Tree2tree. Mittlerweile könnten Martin Bürgers und Be´la Kubick von ihrem Geschäft leben. Trotzdem bleiben beide weiterhin – als IT-Unternehmer und Model – selbstständig.
Kletterparks sind kein Ganzjahresgeschäft. Den Winter verbringen die Mitarbeiter mit Wartungsarbeiten. Anfragen, für andere Investoren Hochseilgärten zu errichten, lehnen Bürgers und Kubick regelmäßig ab. Obwohl: „Ein Hochseilgarten im New Yorker Central Park – das wäre noch ein Traum”, sagt Kubick und lächelt.