Essen. Auf der Autobahn ärgert man sich über die vielen Lastwagenfahrer. Unter welchen Bedingungen gerade Migranten arbeiten, berichtet einer von ihnen.

Monatelang unterwegs, ohne ein festes Dach über dem Kopf zu haben, und das zu Dumpinglöhnen: Der Deutsche Gewerkschaftsbund beklagt die Ausbeutung von osteuropäischen Lastwagenfahrern auch auf deutschen Straßen. Der Rumäne Móga Lóránt-István ist zwölf Jahre lang quer durch Europa gefahren und berichtet mithilfe eines Dolmetschers von einem Leben am Rand der Gesellschaft. Inzwischen arbeitet er im Inlandstransport unter anderen Bedingungen.

Am schlimmsten seien die ersten drei Tage eines neuen Einsatzes gewesen, sagt der 44-Jährige. Er habe dann gewusst, dass er seine Familie monatelang nicht sehen und dass er monatelang in keinem vernünftigen Bett schlafen werde. „Die Lkw-Fahrer haben nur Scheinwohnungen, die auf Adressen der Firmen angemeldet sind, für die sie gerade arbeiten. Ohne Wohnung lebt man dann im Lkw, auf Rastplätzen und in Gewerbegebieten.“

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Den Fahrern fehle der Zugang zu den grundlegendsten Dingen wie Duschen, einer Kochmöglichkeit oder sauberen Toiletten - über Monate, beschreibt Lóránt-István. „Ich hatte einen Gaskocher und drei Töpfe, mit denen ich mir mein Essen gemacht habe.“ Die Notdurft erledige man, wo es ging, auch im Wald. „Saubere Dixi-Klos an allen Raststätten würden schon helfen.“

In den zwölf Jahren habe er für Firmen in Ungarn, Rumänien, Italien und auch Deutschland gearbeitet, die als Subunternehmer für große Speditionen im internationalen Güterverkehr agiert hätten. In einem einzelnen Monat habe er 17 Länder durchquert, oft morgens nicht gewusst, wo er abends hingeschickt werden würde. Den Druck, fristgerecht abzuliefern, beschreibt der Rumäne als enorm: Wer mit dem Lastwagen im Stau gestanden habe, überschreite aus Angst um den Job lieber seine gesetzlich geregelte Lenkzeiten, um Termine einhalten zu können. Erwische einen die Polizei, zahle der Fahrer selbst die Strafe.

Móga Lóránt-István arbeitet heute bei einem Unternehmen im Inlandstransport und lebt im Ruhrgebiet.
Móga Lóránt-István arbeitet heute bei einem Unternehmen im Inlandstransport und lebt im Ruhrgebiet. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Urlaub, um die Familie zu Hause wiedersehen zu können, sei nicht bezahlt worden. Wem gekündigt wird, der riskiere oft, seinen letzten Monatslohn zu verlieren. Es gebe Firmen im internationalen Güterverkehr, die systematisch neue Fahrer anwerben würden, um ihnen zu kündigen. Sie wüssten, so Lóránt-Istváns Vorwurf, dass sie dann zurück nach Rumänien oder Bulgarien gehen müssten, um nicht obdachlos zu sein, und Gehaltsansprüche so verfielen.

Berufsverband: „Ruinöse Wettbewerbsverzerrung“

Dem Berufsverband für Güterverkehr, Logistik und Entsorgung sind Sozialdumping und schlechte Arbeitsbedingungen selbst ein Dorn im Auge. In einem Statement zur Europawahl spricht der Verband von ruinösen Wettbewerbsverzerrungen für die Unternehmen, die sich an die gesetzlichen Vorgaben hielten. Nötig sei, dass längst verabschiedete Maßnahmen auch umgesetzt würden. Fahrer sollten regelmäßig in ihr Heimatland zurückkehren können, das seit 2022 geltende Verbot, in der Kabine zu schlafen, müsse durchgesetzt werden. Nötig sei gar eine EU-Agentur, um solche Maßnahmen durchsetzen zu können.

Lóránt-István fordert für seine Kollegen auf der Straße Abhilfe, damit Lastwagenfahrer nicht länger in ihren Kabinen schlafen müssten und Sanktionen, wenn Firmen Löhne nicht zahlten. „Wir Fahrer leisten einen wichtigen Beitrag zur Volkswirtschaft. Dazu brauchen wir lebenswerte Arbeitsbedingungen.“