Essen. Sechs Kitas lehnten Mila (2) ab. Ihre alleinerziehende Mutter ist verzweifelt. „Es ist wie ein Lotteriespiel“, sagen auch andere Eltern.

Als Sabrina Uhlmann wieder im Auto sitzt, laufen ihr Tränen über die Wangen. Mit einer solchen Absage hatte die 41-Jährige nicht gerechnet. Seit Herbst 2022 bewirbt sich die alleinerziehende Mutter auf einen Kita-Platz für ihre heute fast zweijährige Tochter Mila – vergeblich.

„Ich habe so gehofft, dass es bei dieser Kita klappt“, sagt Uhlmann, wenn sie an den Moment neulich im Auto zurückdenkt. Sie hatte doch so ein gutes Gefühl gehabt. Denn schon als Mila vier Monate alt war, hatte sie Kontakt zu der Kita aufgenommen, mit ihrer Tochter den Tag der offenen Tür besucht. „Dort wurde mir gesagt, dass ich als Alleinerziehende gute Chancen habe, der Zeitpunkt zur Anmeldung allerdings noch zu früh ist“, sagt Uhlmann. Mit der Kita ist sie seitdem in Kontakt geblieben, dort stellte sie sich kürzlich erneut vor. Und wurde abgelehnt.

Lesen Sie hier: Keinen Kita-Platz bekommen? So gehen Eltern dagegen vor

Sabrina Uhlmann hat insgesamt sechs Einrichtungen in der Umgebung persönlich und über die Kita-Verwaltungsplattform „Little Bird“ angeschrieben. Von allen hat sie eine Absage bekommen. Ihren richtigen Namen und den Namen ihrer Tochter möchte die Essenerin nicht öffentlich nennen. Zu groß ist ihre Sorge, dass ihr das bei der Suche nach einem Betreuungsplatz zum Nachteil werden könnte. „Ich fühle Leere, Ohnmacht, Verzweiflung. Ohne einen Platz kann ich auch in diesem Jahr nicht arbeiten gehen.“ Ihre Stimme stockt.

Kind ohne Kita-Platz: „Ohne Vitamin B ist man verloren“

Mit ihren Sorgen ist Uhlmann nicht allein. Im August startet das neue Kindergartenjahr. Doch einige Eltern aus NRW sind bei der Platzvergabe leer ausgegangen. „Die Suche nach einem Kita-Platz gleicht einem Lotteriespiel“, schreibt uns ein Vater über die sozialen Medien. Eine andere Mutter berichtet davon, dass sie ihren Sohn schon eine Woche nach der Geburt angemeldet hat – bisher ohne Erfolg. Und ein dritter Vater schreibt: „Ohne Vitamin B ist man verloren.“

Mehrere Eltern erzählten unserer Redaktion, dass sie das Gefühl hatten, sich regelrecht um einen Platz „bewerben“ zu müssen. So brachten sie etwa Kuchen zum Gespräch mit in die Kita, meldeten ihr Kind schon vorher in der Spielgruppe an oder schrieben lange Briefe an das Jugendamt oder die Kitaleitung.

Dabei gilt in NRW der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Ab dem dritten Lebensjahr gilt der Anspruch speziell für einen Platz in der Kita. Doch laut Berechnungen der Bertelsmann Stiftung gibt es immer noch zu wenige Kita-Plätze, um den Bedarf zu erfüllen. Demnach fehlen hierzulande rund 110.400 Plätze.

Mutter findet keinen Kita-Platz für kleine Mila (2) - und ist nun auf Bürgergeld angewiesen

Sabrina Uhlmann fühlt sich als alleinerziehende Mutter im Stich gelassen. Ihr Expartner hatte sie kurz nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter verlassen. „Ich bin in ein Loch gefallen, hatte Existensängste, weil ich mich und meine Tochter nun allein durchbringen musste“, erzählt sie. „Ich stand vor einem leeren Kühlschrank.“ Ihren Job im Bereich Zahnmedizin, in dem sie seit über 20 Jahren tätig ist, kann sie seitdem nicht mehr ausüben. Stattdessen ist sie seit zwei Jahren in Elternzeit. Auch das dritte Jahr hat ihr Chef nun bewilligt. Allerdings bekommt sie in diesem Jahr kein Elterngeld. Damit ist die Mutter auf Bürgergeld angewiesen.

Der Druck ist groß und die Angst, dass ihr Chef ihr die Stelle kündigen könnte, wenn sie bald keinen Platz findet, allgegenwärtig. In die Betreffzeile ihrer Anfragen an die Kitas hat sie verzweifelte Sätze wie „Alleinerziehende Mama sucht dringend Kita-Platz!“ geschrieben. Sie blättert in ihren Unterlagen. „Ich frage mich, nach welchen Kriterien da entschieden wird?“

Kita-Platz: Bei Abweisung ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht möglich

Laut AWO erfolgt die Platzvergabe durch die Kita selbst nach einem vom Träger festgelegten Kriterienkatalog. In einigen wenigen Fällen werde das örtliche Jugendamt bei der Festlegung der Kriterien beteiligt, sagt Andreas Wiemers, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft AWO NRW. Mit 840 Kindertageseinrichtungen ist die AWO einer der größten Träger an Rhein und Ruhr. „Unsere Kriterien am Niederrhein sind beispielsweise alleinlebende Sorgeberechtigte, Geschwisterkinder oder chronische oder psychische Erkrankungen einer sorgeberechtigten Person“, sagt Wiemers.

Eltern, die keinen Platz bekommen haben, rät er, sich an das örtliche Jugendamt zu wenden. Dieses muss bei einem Rechtsanspruch einen wohnortnahen Platz vorschlagen – bei Abweisung ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht möglich. Für Kinder unter drei Jahren könne zudem eine Kindertagespflege eine Alternative sein, so Wiemers.

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Ein Anwalt ist für Sabrina Uhlmann derzeit keine Option. „Ich habe Sorge, dass mir dann eine Kita zugeteilt wird, die so weit entfernt ist, dass ich meine Tochter durch die halbe Stadt fahren muss. Da ich in einer anderen Stadt arbeite, wäre das ein Problem.“ Zudem mache ihr der Gedanke Angst, keinen Einfluss darauf zu haben, wo ihre Tochter untergebracht wird.

Wieder stockt ihre Stimme. „Für mich ist es ein Spagat zwischen dem Wunsch, wieder arbeiten zu gehen, an der Gesellschaft teilzunehmen. Und dem Bedürfnis, meiner Tochter eine gute Betreuung zu bieten, mit der wir beide uns wohl fühlen.“

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