Ruhrgebiet. Nach 2014 sanken die Zuschauerzahlen: Jahrelang hat es im Ruhrgebiet kein Public Viewing mehr gegeben. Warum sich das jetzt ändert.
Christoph Tesche opfert sich und fährt in Urlaub. Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer, der Ärmste. Aber wenn‘s der guten Sache dient: Tesche, der Bürgermeister von Recklinghausen, wird irgendwo schippern, wenn das EM-Endspiel läuft und vor dem eigenen Rathaus beim Public Viewing übertragen wird. 2014 war das schon genauso - und hat bestens geklappt damals mit dem Titelgewinn von Deutschland. „Wir bezahlen die Urlaubsreise des Bürgermeisters aber nicht“, scherzt am Dienstag Lars Tottmann, Mitveranstalter des Public Viewings; denn natürlich rechnet sich das um so besser, je weiter Deutschland kommt.
Die Recklinghäuser Lars Tottmann und Marius Ebel sind die einzigen im Ruhrgebiet, die seit 2006 großes Public Viewing organisiert haben, wann immer es möglich war. Andere schwächelten und sind verschwunden nach 2016, Recklinghausen hielt mit der Hilfe von Sponsoren durch. Gegen Corona waren dann alle machtlos, die November-WM in Katar mochte auch niemand ins Freie übertragen; aber jetzt ist Public Viewing zurück, in Recklinghausen und andernorts. „Wenn man schon wüsste, wie‘s läuft, wär‘s auch langweilig“, sagt Tottmann. Ja klar. Ist halt Fußball.
Die größten Übertragungen laufen im Dortmunder Westfalenpark
Und so kommen zu den Großübertragungen, die die Uefa vorschreibt in den Spielorten, erstmals wieder auch solche von privaten Veranstaltern. Und hier der Überblick über die Übertragungen in der Region. Für diejenigen mit dem Uefa-Siegel gilt: Der Eintritt ist überall frei, in den Uefa-Fanzonen gibt es alle Spiele zu sehen, ein Rahmenprogramm und Verpflegung. Beim Uefa-Public Viewing gibt es ausgewählte Spiele: alle mit Deutschland und die aus der jeweiligen Stadt, mancherorts auch mehr.
Das potenziell größte Public Viewing steigt im Westfalenpark in Dortmund. Bis zu 25.000 Menschen können dort zusammenkommen und alle Spiele der deutschen Mannschaft sehen, alle aus dem Dortmunder Stadion sowie das Finale. Die Fanzone ist auf dem Friedensplatz in der Innenstadt mit 6200 Plätzen. Hier wird jedes Spiel gezeigt. Auf dem Friedenslatz hat in den 90er-Jahren die Geschichte des Public Viewings begonnen mit der Übertragung von internationalen Spielen des BVB.
In Düsseldorf gibt es gleich zwei Fanzonen
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In Gelsenkirchen sind die Orte nah beieinander, wo man gemeinsam Fußball gucken kann. Die Fanzone ist im Nordsternpark (Kapazität 6000 Leute, alle Spiele), das zusätzliche Public Viewing im Amphitheater in demselben Park. Auch hier finden 6000 Zuschauer Platz (alle deutschen Spiele, alle aus Gelsenkirchen, die Halbfinale und das Endspiel).
Große Übertragungen gibt es auch in den Spielorten Düsseldorf und Köln. In Düsseldorf sind es zwei kleinere Fanzonen, am Burgplatz mit Unterhaltungsprogramm und am Schauspielhaus mit Kulturprogrammund, sowie ein größeres Public Viewing an der Rheinwerft. In Köln liegt die Fanzone am Heumarkt und das Public Viewing am Tanzbrunnen.
In Städten ohne EM-Spiel können private Veranstalter zum Zuge kommen. Wie in Recklinghausen: Dort werden vor dem Rathaus alle Spiele gezeigt, und zwar kostenfrei für 6000 bis 8000 Zuschauer. Nur zu den Spielen der deutschen Mannschaft wird eine Sicherheitsgebühr von zwei Euro genommen, dazu gibt‘s aber auch ein Rahmenprogramm. Tickets kann man von sofort an reservieren unter www.publicviewing-recklinghausen.de.
Bermuda-Dreieck setzt auf „einen Monat Stühle-raus-Gefühl“
Für Essen organisisert Markus Wallney aus München die Übertragung auf dem zentralen Kennedy-Platz für 1500 bis 3000 Zuschauer. Sie werden eine Sicherheitsgebühr von vermutlich fünf Euro zahlen. Der Essener Thomas Siepmann bespielt nicht (wie noch 2021) die Gruga, sondern das frühere Coca-Cola-Gelände. Karten gibt es nur im Vorverkauf und nur für ganze Tische: 100 Tische mit jeweils acht Plätzen. Im Preis von 249 Euro sind 10 Liter Bier und ein Imbiss inbegriffen (Mail an: info@11freunde-das-heimspiel.de).
Bochum hatte hinter der Jahrhunderthalle eine wunderbare Wiese fürs Fußballgucken, doch seit Mitte der 10er-Jahre kamen deutlich weniger Zuschauer. Eine Neuauflage sei „nicht finanzierbar“, heißt es. Man darf aber getrost erwarten, dass das Bermuda-Dreieck vollsteht mit Bildschirmen; die Wirte rufen schon mal „einen Monat Stühle-raus-Gefühl“ auf. Das wäre ja ein Sommermärchen.
In den vier NRW-Spielstädten darf es keine weiteren Großübertragungen im Umkreis von zwei Kilometern um die Stadien und die Fanzonen geben. Die Uefa will keine Konkurrenz für die Angebote, für die sie Lizenzen vergeben (und Geld eingenommen) hat. Aber Kneipen in diesem Bannkreis, die üblicherweise Fußball zeigen, können auch die EM zeigen. Privates Gucken selbst in einem großzügig bemessenen Freundeskreis ist in diesem Bereich auch möglich, doch dürfen nicht mehr als 300 Ihrer Freunde und Freundinnen kommen. Da muss man dann eine Auswahl treffen. Bitter.