Essen. Das Deutschlandticket erfüllt offenbar die Erwartungen auf Impulse für die viel diskutierte Verkehrswende. Darauf weisen erste Daten hin.
Für den durch Tarifkonflikte und drohende Streikwelle derzeit schwer gebeutelten Nahverkehr gibt es auch noch gute Nachrichten: Das Deutschlandticket kann offenbar die Erwartungen auf Impulse für die viel diskutierte Verkehrswende erfüllen. Darauf weisen neue Daten des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) hin. Rund neun Prozent der mit dem Deutschlandticket gemachten Fahrten wären ohne das Deutschlandticket mit dem Auto erledigt worden, heißt es in einem aktuellen VRR-Papier, das der WAZ vorliegt. Die Fahrtanlässe für die verlagerten Fahrten seien vorwiegend alltäglicher Natur: Arbeitswege, Alltagsfahrten, Besuche. Ausflüge dagegen spielten eine untergeordnete Rolle.
Erste Verlagerungen in der Alltagsmobilität erkennbar
„Es sind also erste Verlagerungen in der Alltagsmobilität erkennbar“, resümiert der VRR auf Basis aktueller Fahrgastbefragungen. Mit dem Deutschlandticket sei es gelungen, traditionelle Tarifstrukturen zu vereinfachen, die Digitalisierung des Nahverkehrs voranzutreiben und den Menschen den Umstieg auf Bus und Bahn zu erleichtern, sagte ein VRR-Sprecher. Die Nutzerzahlen gingen erfreulich hoch.
Weitere Ergebnisse der Studie: 58 Prozent der bisherigen Gelegenheitsfahrer geben an, nach Anschaffung des Deutschlandtickets Busse und Bahnen im Nahverkehr häufiger oder viel häufiger als zuvor zu nutzen. Bei denjenigen, die ihr einstiges ÖPNV-Abo ins günstigere D-Ticket getauscht haben, sind dies immerhin noch ein Viertel.
Im VRR-Gebiet nutzen 1,3 Millionen Kunden das Deutschlandticket
Insgesamt sind 1,3 Millionen der 1,6 Millionen Stammkunden des VRR und der zugehörigen Verkehrsunternehmen inzwischen mit dem neuen 49-Euro-Tarif unterwegs. Darunter sind allein knapp 400.000 Schülerin und Schüler in NRW, die seit August vergangenen Jahres für 29 Euro im Monat mit dem„Deutschlandticket Schule“ nicht nur auf dem Schulweg, sondern in ganz Deutschland mobil sein können. In einen nochmals vergünstigten D-Tickettarif sind inzwischen auch 47.000 ehemalige Sozialticketnutzer und rund 100.000 Kunden mit Jobtickets gewechselt.
Der Anteil echter Neu-Kunden, also derjenige, die den ÖPNV vor Einführung des D-Tickets gar nicht genutzt haben, ist indes weiter vergleichsweise gering und liegt derzeit bei rund fünf Prozent. Zum Start des Deutschlandtickets im vergangenen Mai war der Neukundenanteil zwischenzeitlich auf acht Prozent gestiegen. Zur Wahrheit gehört auch: Jeder zehnte D-Ticket-Bucher hat sein Abo sofort wieder gekündigt. Die rund 300.000 VRR-Dauerkunden, die nicht ins D-Ticket gewechselt sind, werden das nach Einschätzung des VRR auch in Zukunft eher nicht tun, weil sie Zusatzfunktionen ihrer bisherigen Tarife wie Fahrradmitnahme und 1. Klasse-Option nicht aufgeben wollen.
Neukundenanteil liegt bei fünf Prozent
Für ausbaufähig hält man im VRR besonders das Jobticket. Angesichts Hunderttausender Berufspendler in der Rhein-Ruhr-Region könnten die Zahlen hier höher liegen. Einen Grund für die Zurückhaltung vieler Unternehmen, das „Deutschlandticket Job“ zu bezuschussen, sieht der Verkehrsverbund im Dauerstreit zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung des Deutschlandtickets. Das erschwere die Kundenakquise. Auch im Öffentlichen Dienst mit seinen rund 900.000 Beschäftigten in NRW liegt wohl noch viel Potenzial: Zahlreiche Behörden und Dienststellen beim Land und in den Kommunen bieten das Jobticket nicht an, weil Rechtsfragen mit Blick auf den Arbeitgeberzuschuss zum Ticketpreis besonders bei Beamten und Beamtinnen ungeklärt sind.