Ruhrgebiet. Jeder 23. Gelsenkirchener leidet an krankhaftem Übergewicht. In Mülheim sind es nur halb so viele. Zahlen des neuen Barmer-Reports – und eine Erklärung.

In Nordrhein-Westfalen leben mehr Menschen mit sehr starkem Übergewicht als im Bundesdurchschnitt. Und im Ruhrgebiet deutlich viel mehr Betroffene als im Rheinland. Das ist das Ergebnis eines aktuellen Reports der Barmer zum Thema „Adipositas“, den die Krankenkasse anlässlich des Tages der Ernährung am 7. März veröffentlicht.

Danach sind bundesweit 26,4 von 1000 Menschen krankhaft übergewichtig (stark oder extrem adipös). In NRW sind es durchschnittlich 27,7 – aber in Hamm stolze 45,9, in Gelsenkirchen 42,6 und in Herne 39,0. Die relativ meisten Betroffenen leben in Mecklenburg-Vorpommern, dort sind es sogar 45,7 von 1000 Einwohnern. Als „krankhaft übergewichtig“ galt im Report, wer einen Body-Mass-Index von 35 und mehr hatte. Der sogenannte BMI setzt Körpergewicht und -größe in Relation zueinander, ein BMI zwischen 18,5 bis 24,9 wird als Normalgewicht verstanden.

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Gewicht ist abhängig von Einkommen und Bildung

Für ihren Adipositas-Report hat die Barmer Zahlen aus ihrem „Morbiditäts- und Sozialatlas“ ausgewertet, der auf Abrechnungs- und Versichertendaten aus dem Jahr 2021 basiert. Was dabei vor allem auffiel: Menschen mit hohem Bildungsgrad und Einkommen erkranken seltener an Adipositas als andere. Nur 18,4 von 1000 Männern und Frauen in NRW, die mehr als 55.000 Euro im Jahr verdienten, waren demnach stark adipös – aber 34,6 mit einem Jahreseinkommen von 15.000 bis 20.000 Euro. – das sind fast doppelt so viele. Von 1.000 Menschen ohne Schulabschluss litten 41,9 an Adipositas, von 1.000 mit Abitur 20,5. Um die Zahlen einzuordnen zwei weiter: Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte lag einer LWL-Statistik zufolge 2021 im „reichen“ Mülheim bei 24.792 Euro und im „armen“ Gelsenkirchen bei 17.924...

Landesweit belegen Hamm, Gelsenkirchen und Herne die Spitzenplätze, auf ähnliche Werte wie die drei Ruhrgebietsstädte kommen nur noch die Kreise Höxter und Lippe mit 37,3 beziehungsweise 35,3 Betroffenen je 1.000. Die geringsten Adipositas-Werte weist der Barmer-Report für Bonn (16,5), Köln (17,9) und Düsseldorf (19,4) sowie für den Kreis Kleve (18,8) aus. Die geringste Adipositas-Rate im Ruhrgebiet zeigte sich in Mülheim (24,9) in Essen (26,7) sowie in Duisburg (29,1).

Seit 2018 sind die Zahlen kontinuierlich gestiegen – die beiden Top- und Schlussplätze in NRW haben sich aber nicht verändert, auch in den vergangenen Jahren lag NRW zudem stets leicht über dem Bundesschnitt.

Die Folgen: Bluthochdruck, Diabetes, Rückenschmerzen, Depressionen

Die Hauptursachen für starkes Übergewicht seien „zu energiereiche Ernährung und ungenügende Bewegung“, erklärt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. Wer abnehmen möchte, müsse Lebensstil und Alltagsgewohnheiten ändern. „Doch das lohnt sich. Verlorene Pfunde sind gewonnene Lebensjahre, denn Adipositas geht einher mit ernsthaften Begleiterkrankungen und einem erhöhten Krebsrisiko.“ Tatsächlich leiden dem Report zufolge rund 63 Prozent der Menschen mit Adipositas auch an Bluthochdruck und 41 Prozent an Diabetes. Jede vierte von Adipositas betroffene Person hat außerdem Rückenschmerzen oder Depressionen.

João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer Krankenkasse: „Abnehmen lohnt sich. Verlorene Pfunde sind gewonnene Lebensjahre!“
João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer Krankenkasse: „Abnehmen lohnt sich. Verlorene Pfunde sind gewonnene Lebensjahre!“ © WAZ | Norbert Pruemem

Was hilft? „Eine ausgewogene Ernährung beugt Übergewicht mit seinen Begleiterkrankungen vor. Die Faustregeln lauten: mehr Vielfalt auf den Teller, den kleinen Hunger mit Gemüserohkost stillen statt mit Süßigkeiten, öfter selbst kochen statt Fertiggerichte in den Ofen schieben sowie mehr auf pflanzliche Fette und Eiweiße setzen statt auf tierische“, sagt Rodrigues.

Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat ihre Empfehlungen überarbeitet

Viel Pflanzliches, weniger tierische Produkte; lieber Nüsse statt Schoki knabbern; Wasser trinken. – das sagt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Sie hat ihre Empfehlungen gerade überarbeitet. Konkret rät sie Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren, folgende Punkte auf dem Speiseplan zu berücksichtigen.

  • rund 1,5 Liter Wasser (oder andere kalorienfreie Getränke wie ungesüßten Tee) täglich
  • reichlich Obst und Gemüse, insgesamt fünf Portionen pro Tag (das ersetzt die alte Regel drei Portionen Gemüse und zweimal Obst); am besten bunt und das, was Saison und Region zu bieten haben
  • mehrmals pro Woche Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen)
  • täglich eine kleine Handvoll Nüsse
  • bei Getreideprodukten die Vollkornvariante wählen
  • pflanzliche Öle verwenden, besonders empfehlenswert seien Raps-, Walnuss-, Lein-, Soja- und Olivenöl
  • ein- bis zweimal wöchentlich Fisch, am besten fette Sorten wie Makrele und Hering, aber auch Kabeljau oder Rotbarsch
  • täglich zwei Portionen Milch und Milchprodukte (eine weniger als in den alten Empfehlungen)
  • lieber weniger als mehr Fleisch und Wurst, 300 Gramm (und ein Ei) pro Woche reichen
  • Süßes, Salziges und Fettiges besser stehen lassen
  • Mahlzeiten genießen, am besten gemeinsam
  • in Bewegung bleiben