Essen. Kontraste machen die Messen „Reise + Camping“ und „Fahrrad Essen“ aus. Diese Dinge kann man hier entdecken.

Wir betreten die Welt der Gegensätze. Es lockt sogleich: ein australischer Lederhut (39,-), der Südtiroler Bergkäse (Probierhäppchen) und dahinten steht ein Dachzeltbus, mit dem man wahlweise durch Süd-Marokko oder über die dänische Insel Fünen düsen kann (Gruppenreise). Vielleicht erstmal Käse. Überhaupt ist alles voll von Käse, da ist schon der nächste Stand: Trüffel Goas. Häppchen pflasterten seinen Weg.

Die Messe „Reise + Camping“ in Essen und ihre kleine Schwester, die „Fahrrad Essen“ sind nicht in erster Linie aufs Staunen angelegt, dafür mangelt es an Superlativen und echten Innovationen. Aber Vergleichen und sich inspirieren lassen kann man hier gut. Zielgruppe ist, wer ein neues E-Bike braucht oder einen Fahrradhelm, wer sich für Wohnwagen interessiert, ein Reiseziel sucht oder sich gezielt über eines informieren will. Und ja, es gibt auch Schnäppchen. Die heißen hier Messepreise. Zum Beispiel dieses Wohnmobil für 21.879 Euro. Das ist doch mal ein relativ vernünftiger Preis ... obwohl ... ach nein, da steht klein drunter, dass man diesen Betrag sparen kann. Kaufpreis geht bei 83.590 Euro los. Aber wenn man so viel weniger zahlen muss – ist das vielleicht immer noch günstig?

Noch ein Cannoli?

Ein Rundgang über die Messe ist auch eine kleine Reise. Die Gegensätze entfalten hier ihren ganz eigenen Reiz: Feines Gebäck aus Italien, Nougat di Milano, Cannoli Croccante – und gleich gegenüber Xanten mit seinen Broschüren zu Radtouren, Altstadtführungen und natürlich den Seen. Und mit etwas Fantasie, Vorfreude oder Erinnerungen an den vergangenen Sommer ist ja auch das sinnlich. So wie all die Stände, die für Kroatien werben, für Campingurlaub in Frankreich oder der diesjährigen Partnerregion Mecklenburg-Vorpommern. Der bekannte Reisebüroeffekt potenziert sich hier: Man will los.

Dieses Gefühl ist auch messbar: Im vergangenen Jahr schon haben die Übernachtungszahlen in Deutschland wieder das Niveau vor der Pandemie erreicht. Im Laufe dieses Jahres soll sich der Tourismus auch weltweit komplett erholen, erwartet die World Tourism Organization. Schon für das vergangene Jahr hatten rund 70 Prozent der Deutschen laut einer Befragung der „Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen“ feste Reiseabsichten, dieses Jahr, so ist vor Bekanntgabe der Zahlen zu hören, sollen es noch mehr sein – trotz Inflation. Und traditionell weiß ungefähr die Hälfte im Winter noch nicht, wo es hingehen soll. Dafür gibt‘s solche Messen.

Rund 800 Aussteller aus 15 Ländern zeigen nach Angaben der Veranstalter bei der Campingmesse Fahrzeuge und Zubehör aller Art.
Rund 800 Aussteller aus 15 Ländern zeigen nach Angaben der Veranstalter bei der Campingmesse Fahrzeuge und Zubehör aller Art. © DPA Images | Roland Weihrauch

Kleiner ist freier

Wir treten nun ein in Halle 7, und was für die einen schnöde Transporter sind, sind für die anderen Träume von Freiheit. Der umgebaute Van ist mehr noch als das Wohnmobil ein Symbol des Individualismus: Wer sich einen Van anschafft und selbst ausbaut, spart Geld. Wer ausbauen lässt und womöglich noch maßgefertigt mit ausgesuchten Materialien, könnte sich auch gleich ein meist komfortableres Wohnmobil kaufen. Aber er oder sie hat sich dann eben selbst verwirklicht. Neben den Luxusanbietern finden wir aber auch kostengünstige Lösungen: Holz-Boxen, die sich ausklappen lassen zu Betten, darunter Stauraum. Stapelbare Plastikboxen mit Spüle drin.

Einen aufsehenerregend kleinen Weg hat Roman Zuk aus Mönchengladbach gefunden: Zum „SchneckenHouse“ hat er zum Beispiel einen Dacia Dokker umgebaut, nicht mal ein Van, sondern ein relativ günstiger Hochdachkombi. Schaut man in den Kofferraum, sucht man unwillkürlich nach Hobbits und Puppen, so geschrumpft wirkt das eingeschobene Inventar. Aber die Beine von Zuk passen dann doch unter den Klapptisch, und wenn man den zweiten Sitz hochklappt, kommt eine Toilette zum Vorschein.

Klappe wieder runter. Nun kauert man vor einem Gasherd. Die Klimaanlage hängt an der geöffneten Tür, sonst würde sie einem ins Ohr blasen. Die Spüle kommt mit Brauseschlauch und ja, wenn man das Seitenfenster öffnet, kann man neben dem Schneckenhaus duschen. „Ich wohne seit vier Jahren in so einem Modell“, sagt Zuk dann – Vollzeit. Ob er manchmal ins Hotel geht? „Nein, ich habe aber das Eisbaden entdeckt.“ Eine Passantin namens Heike sagt: „30 Jahre jünger und ich fände das schon ganz cool.“

Roman Zuk und sein „SchneckenHouse“, ein umgebauter Dacia Dokker.
Roman Zuk und sein „SchneckenHouse“, ein umgebauter Dacia Dokker. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

E-Bikes dominieren

Auf dem Weg noch einen Happen Bergkäse, schmeckt der 24 Monate gereifte wirklich so viel anders als der Einjährige? Die zwei Hallen mit den Fahrrädern bieten neben der Auswahl vor allem die Möglichkeit des Probefahrens auf einem Parcours. E-Bikes dominieren das Angebot, in allen Formen, bei „MC E-Bike“ sogar als Chopper, Entschuldigung: Cruiser.

Wie viele „Tiny Houses“ passen in eine Messehalle? Man könnte nun nachzählen, aber vielleicht genügt der Hinweis, dass die kleinsten Minihäuser mit vier Quadratmetern auskommen, während die größeren mit rund 60 gar nicht mehr so „tiny“ sind. Am Ende geht es ja beim Camping meistens um dieses Leitmotiv: Den Komfort so stark zu komprimieren wie nur möglich. Liebling, ich habe das Zuhause geschrumpft. Lass fahren. Aber man kann natürlich auch eine gar nicht kleine Sauna auf Schwimmstegen erwerben (9890,- ohne Steg).

Verblüffen auch dieser im Vorbeigehen gelesene Satz, den wir ehrenvoll erwähnen wollen: „Der Camping Butler Ecoline verwandelt die leidvolle Aufgabe der Toilettenentleerung in ein unvergessliches Erlebnis für ihren Gast.“