Oberhausen. Seit dem Jahr 2017 gibt es Projekt – doch eigentlich reicht dessen Geschichte noch weiter zurück. Oft gibt es prominenten Besuch.
Eine steile Treppe führt hinab in den „Literaturkeller“. Stehlampen werfen warmes Licht auf gemütliche Sitzecken mit Sofas und Sesseln, in der Ecke gibt’s eine Theke mit Getränken, und an der langen Wand ist eine kleine Bühne aufgebaut. An den Wänden: Malereien, Spiegel und – als Hingucker – ein prall gefülltes Bücherregal. „Das“, sagt Rainer Piecha (69), „sind alles Werke von Autoren, die schon bei uns zu Gast gewesen sind.“
Seit dem Jahr 2017 gibt es das Literaturhaus Oberhausen – doch eigentlich reicht dessen Geschichte noch weiter zurück. „Wir wissen gar nicht mehr, wann unsere berühmte ,Stunde null‘ war“, sagt Piecha. „Der Gründung unseres Vereins ging nämlich eine mehrjährige Vorlaufphase voraus. Gesucht wurde der richtige Ort für unsere Aktivitäten und der richtige Rahmen.“
Auch interessant
Rückblick ins Jahr 2015: Zwei Freunde saßen auf einem 6000 Bücher schweren Literaturschatz. Hardcover und Bildbände, Romane und Sachbücher. Hemingway und Herrndorf, Fitzek und Fitzgerald – Literaten gestapelt in Kisten, zum Verstauben in den Keller verbannt. Den Freunden fiel der (Buch-)Deckel auf den Kopf. Ein Plan musste her. Und ein neues Kapitel Stadtgeschichte sollte geschrieben werden.
„Unser großes Ziel war es schon immer, die Literatur in Oberhausen in die Öffentlichkeit zu bringen“, sagt Hartmut Kowsky-Kawelke (67), der erste Vorsitzende des später gegründeten Vereins „Freundinnen und Freunde des Literaturhauses Oberhausen“. In der Folge reiften die Pläne für das Literaturhaus Oberhausen. „Ein Ort des Lesens, Verweilens, Tratschens und Tee-Trinkens sollte es werden – für Literaturlover und Bücherwürmer, für Leseratten und Belletristik-Bewunderer“, erinnert sich Rainer Piecha, der im Verein die Aufgabe des Kassierers übernommen hat.
Auch interessant
Verein in aller Eile gegründet
Bei der Suche nach geeigneten Räumen für ihre Aktivitäten liebäugelten die Literaturhaus-Pioniere zunächst damit, sich in einem alten Schachthaus auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Sterkrade niederzulassen. „Da ist aber nichts draus geworden“, blickt Rainer Piecha zurück. „Zum Glück, muss man heute sagen. Die Hütte da lässt sich nicht heizen, wir hätten uns den Hintern abgefroren.“
Es folgten Veranstaltungen – Lesungen und Diskussionsabende – an wechselnden Orten in der Stadt. Im März fand sich dann erstmals ein eigenes Domizil: ein Ladenlokal in Oberhausens Fußgängerzone. „In Windeseile haben wir dann unseren Verein gegründet und die Räume renoviert. Die erste Veranstaltung fand quasi noch auf einer Baustelle statt“, sagt Harald Obendiek (68), der Schriftführer des Vereins. Dann kamen drei Jahre mit literarischem Programm, stetig wachsenden Teilnehmerzahlen, mit Straßenfest und Literaturpreis-Verleihung, mit wachsender Verankerung in der Stadt, mit vielen Höhen und wenig Tiefen. Bis das Coronavirus alles lahmlegte. Zwangsschließung. Tote Hose.
Auch interessant
Als die Literaturhaus-Macher im Juni 2021 wieder öffnen durften, erhielten sie gleich eine schlechte Nachricht: Der Eigentümer des von ihnen genutzten Ladenlokals brauchte die Räume nun für eigene Zwecke. Ein halbes Jahr lang ging das Literaturhaus also wieder „on tour“. „Viele Menschen, Vereine, Organisationen in Oberhausen haben uns in dieser Zeit unterstützt, so dass wir schnell das Gefühl hatten, dass wir eine neue Bleibe finden werden“, blickt Rainer Piecha zurück. „Im Jahr 2022 starteten wir dann glücklich an unserem neuen Standort.“
Gäste sind im Literaturkellerjeder willkommen
Der Betreiber des Oberhausener Traditions-Restaurants „Gdanska“ hatte den Vereinsmitgliedern angeboten, ihren ehrenamtlichen Literaturbetrieb im Hinterhaus seiner Gaststätte unterzubringen. „Das war für uns eine ideale Lösung“, sagt Vereinschef Hartmut Kowsky-Kawelke. Es gab bereits Räume und Theaterbühnen mit Platz für bis zu 100 Leute. Die „Literaturhaus“-Mitglieder stimmten ab – und nach der Wahl war klar: „Wir ziehen dort ein.“
Auch interessant
Mittwochabends, vorerst zweimal im Monat, treffen sich die Vereinsmitglieder nun in ihrem neuen „Literaturkeller“ – Gäste sind jederzeit willkommen. Viele Gespräche drehen sich um Literatur, Autorinnen und Autoren, Neuerscheinungen und alte Schinken. Außerdem arbeiten sie gemeinsam an den Aktivitäten des Literaturhauses. Manchmal gibt es an diesen Tagen kleine Lesungen, manchmal feste Themen. Obendrein stehen jedes Jahr bis zu 35 Autorenlesungen im Programmkalender des Vereins. „Das sind immer tolle Erlebnisse“, sagt Harald Obendiek. „Viele Autoren sind hochinteressante Persönlichkeiten, und es ist eine Freude, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.“
Unermüdlich beackern die Mitglieder bekannte (und weniger bekannte) Schriftsteller sowie deren Agenten und Verlage, um sie nach Oberhausen zu locken. „Außerdem erreichen uns jedes Jahr etwa 100 Anfragen von Autoren, die bei uns auftreten möchten“, sagt Rainer Piecha. „Den meisten müssen wir absagen.“ Im Gästebuch finden sich viele illustre Namen. Fragt man Hartmut Kowsky-Kawelke, ob es einen Auftritt gibt, der ihm besonders in Erinnerung geblieben ist, antwortet er mit einem klaren „Ja“. Am 10. Mai 2023 kam der Schriftsteller Ralf Rothmann, der in Oberhausen aufgewachsen ist, für eine Lesung zurück in seine Heimatstadt.
Auch interessant
„Da hatte ich lange dran gearbeitet, ihn zu uns zu holen“, sagt Hartmut Kowsky-Kawelke. Rothmann las vor 300 Gästen im großen Saal des Theaters Oberhausen. Ausverkauft! „Die Stimmung war großartig. Und nach der Lesung haben wir mit ihm bei Currywurst und Bier seinen 70. Geburtstag gefeiert.“
Dies ist ein Artikel der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen. Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.