Dortmund. Eineinhalb Jahre nach den tödlichen Schüssen auf den 16-jährigen Mouhamed Dramé in Dortmund beginnt Dienstag der Prozess. Polizisten angeklagt.

Fast eineinhalb Jahre nach den tödlichen Schüssen auf den 16-jährigen Mouhamed Dramé beginnt in Dortmund noch vor Weihnachten der Prozess. Angeklagt sind fünf Polizeibeamte: Dem Schützen (30) wird Totschlag vorgeworfen, zwei Kolleginnen (31 und 29) und einem Kollegen (34) gefährliche Körperverletzung. Der Dienstgruppenleiter der Beamten (55) muss sich wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung verantworten.

Die Anklage steht seit dem 9. Februar, der Beginn einer Verhandlung vor dem Landgericht hatte sich aber verzögert, weil die Schwurgerichtskammer einen vollen Terminplan erst abarbeiten musste. Vor allem ging es dabei um sogenannte Haftsachen, bei denen Beschuldigte in Untersuchungshaft sitzen – das ist bei den fünf Polizisten nicht der Fall. Nun soll der Prozess vor der 39. Großen Strafkammer als Schwurgericht am Dienstag, 19. Dezember, beginnen.

In der Dortmunder Nordstadt erinnert ein Graffito an den jungen Mann, der durch Polizeikugeln starb.
In der Dortmunder Nordstadt erinnert ein Graffito an den jungen Mann, der durch Polizeikugeln starb. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Erschossen mit einer Maschinenpistole: „Unverhältnismäßig“?

Mouhamed, der jugendliche Flüchtling aus dem Senegal soll am 8. August gedroht haben, sich mit einem Messer umzubringen. Die Polizei war auf das Gelände einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt gerufen worden. Polizisten setzten Taser und Pfefferspray gegen den Jungen ein, der ersten Angaben zufolge in drohender Haltung auf die Beamten zugelaufen sein soll. Schließlich erschoss ein Polizist den 16-Jährigen mit einer Maschinenpistole. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft war bereits der Einsatz von Taser und Pfefferspray unverhältnismäßig. Die Polizei Dortmund selbst spricht von einem „tragischen Einsatzgeschehen“.

Nach dem Tod des Jungen hatte sich nicht nur seine Mutter in einem bewegenden Video zu Wort gemeldet. In NRW entbrannte eine Diskussion um Körperkameras von Polizisten; im Fall Mouhamed blieben die Bodycams ausgeschaltet. Was wirklich geschah, muss mühevoll rekonstruiert und bald vom Gericht aufgearbeitet werden. Viele Dortmunder demonstrierten im Nachgang gegen Polizeigewalt, bis heute engagieren sich Soldidaritätsgruppen für Mouhamed. Für den Start des Prozesses kündigten der „Freundeskreis Mouhamed“ sowie der „Solikreis Justice4Mouhamed“ Mahnwachen vor dem Dortmunder Landgericht an. Die Polizei wird die Versammlungen schützen und richtet dazu im Umfeld des Gebäudes Halteverbotszonen ein. Die Kaiserstraße an sich bleibe aber befahrbar.

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Verteidiger: Polizisten wollten den Jugendlichen beruhigen

Rechtsanwalt Michael Emde, der den Dienstgruppenleiter vertritt, sagte zu einem früheren Zeitpunkt gegenüber der Deutschen Presseagentur, die Polizisten wollten den jungen Mann in erster Linie vom Selbstmord abhalten. Der Einsatzleiter habe entschieden, Polizisten in Zivil hinzuzuziehen, um eine möglicherweise traumatisierte Person nicht weiter zu beunruhigen. Die Situation am Einsatzort sei – wie von der Staatsanwaltschaft angegeben – zwar zunächst statisch gewesen. „Aber innerhalb von Bruchteilen von Sekunden kann daraus eine dynamische Situation werden.“

Zunächst sind zehn weitere Verhandlungstage bis zum 17. April 2024 vorgesehen.