Jerusalem/Hagen. Ruben Heuer (19) aus Hagen lebt seit einem Monat in Israel. Wie er den Krieg erlebt und was die Angriffe der Hamas für ihn bedeuten.
Sirenen, Alarm, Raketenangriff. Es ist der frühe Samstagmorgen, an dem Ruben Heuer aufschreckt, aus dem Bett springt und hinunter eilt in den Luftschutzraum im Keller des Mehrfamilienhauses in Jerusalem, in dem er in einer Wohngemeinschaft mit anderen jungen Menschen aus den verschiedensten Nationen wohnt. Ein friedliche Zusammenleben, das so jäh unterbrochen wird durch einen – wie der 19-Jährige es nennt – „hinterhältigen Angriff, der Israel ohne jede Ankündigung getroffen hat“.
Ruben Heuer, der erst im Frühjahr 2023 sein Abitur am Hildegardis-Gymnasium in Hagen sein Abitur gemacht hat, ist für die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste seit einem Monat in Israel. Nun hat ihn der Schrecken des Nahostkonflikts, des Terrors eingeholt. Ruben Heuer sucht Schutz in Luftschutzkellern, er erlebt, wie ein ganzes Land von einem Krieg, den in diesen Dimensionen niemand hat kommen sehen, dominiert wird. Und wie er sich selbst evakuieren lassen muss.
Ruben Heuer muss Israel verlassen
Dass er Israel innerhalb der nächsten Tage den Rücken kehrt, steht für Ruben Heuer fest. „Ich wäre noch geblieben“, sagt der 19-Jährige, der sich in Hagen für die Bewegung Fridays for Future engagierte hat und der Jungen Union, der Nachwuchsorganisation der CDU beigetreten ist, weil ihn die Werte, für die die Partei steht, überzeugt haben und er fest glaubt, dass sie sich auch dem Thema Klimaschutz stellen muss. „Aber vertraglich bin ich über die Organisation verpflichtet, auszureisen, wenn die Bundesregierung eine Evakuierung veranlasst.“
Acht Lufthansa-Maschinen stehen für Ruben Heuer und viele andere Deutsche in den nächsten Tagen bereit. „Ich habe mich über die deutsche Botschaft in eine Liste eintragen lassen und warte jetzt auf Rückmeldung, wann ich ausgeflogen werde“, sagt jener junge Mann, der gerade die ersten Erfahrungen eines ungewöhnlichen Auslandsjahrs gesammelt hat.
Arbeit mit Kindern mit schweren Behinderungen
Ruben Heuer hat in einer Einrichtung gearbeitet, in der Kinder mit schweren Behinderungen betreut werden. „Außerdem habe ich den Kontakt zu Überlebenden des Holocaust gesucht und mich mit ihnen ausgetauscht“, sagt er. Ein Projekt, eine Arbeit, die gerade erst am Anfang steht und die er so gerne noch fortgesetzt hätte.
„Das Land Israel ist wunderschön“, sagt er, „die Menschen, mögen sie manchmal auf den ersten Blick auch etwas schroff wirken, sind sehr offen, wenn man sie näher kennenlernt. Sie gehen locker durchs Leben, sind entspannter.“ Und das trotz eines über lange Jahrzehnte schwelenden Konflikts, der das Land Israel immer wieder heimsucht und – wie aktuell – auch in seiner Existenz bedroht.
Menschen in großer Sorge
„Die Menschen sind schon in großer Sorge“, sagt Ruben Heuer, „die Angriffe sind überall Thema. Nahezu alle sind auch persönlich betroffen. Es gibt hier noch die Wehrpflicht. Nahezu jeder kennt irgendjemanden, der in der Armee ist oder nun als Reservist rekrutiert wird. Das trifft fast alle Familien.“
Hinzu kommt, dass der Krieg sich auf den Alltag auswirkt. „Das Westjordanland ist abgeriegelt, niemand kommt von dort hinein nach Israel“, sagt Ruben Heuer. „Es fehlt an Arbeitskräften – an Verkäuferinnen und Verkäufern in den Geschäften, an Krankenschwestern und Pflegern in den Kliniken.“
Auf Angriffe vorbereitet
Mit Beginn seines Aufenthalts sei er auf solche Situationen vorbereitet worden – sagt Ruben Heuer. „Aber wenn es so weit ist, wenn man dann tatsächlich in den Luftschutzkeller muss und den erst nach Stunden wieder verlassen kann, ohne zu wissen, was in der Zwischenzeit um einen herum passiert ist – das will man kaum wahrhaben.“
Angriffe, die nun dazu führen, dass Ruben Heuer zurück nach Hagen kommt. In eine Stadt, in der die Juden um ihre Sicherheit fürchten, die Anteilnahme mit den Opfern des Krieges aber groß ist. Eine Stadt, in der der am Rathaus ein Transparent der Solidarität aufgehängt wurde, in der aber nicht die israelische Flagge gehisst wurde: „Ganz ehrlich - das finde ich enttäuschend“, sagt Ruben Heuer.