Hagen. Die Raketen auf Israel haben Auswirkungen auf Hagen. Die Polizei fährt Sicherheitsmaßnahmen hoch. Was die Jüdische Gemeinde bewegt.
Er spricht leise. Aber seine Worte haben Gewicht. Sie drücken aus, wie groß die Sorge derjenigen ist, die regelmäßig die Synagoge der jüdischen Gemeinde Hagen an der Potthofstraße besuchen. „Man kann die Hamas und das, was sie tut, nicht relativieren“, sagt Hagay Feldheim und erinnert dabei auch an Diskussionen, wie er sie selbst vor einigen Jahren am runden Tisch der Religionen führen musste. „Für die Menschen gibt es keine Vision einer friedlichen Koexistenz. Wenn es sich dabei nur um ein kleine Gruppe handelt, dann muss man fragen: Was ist dann eigentlich mit der Mehrheit? Warum reagiert da niemand?“
Feldheim, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, hat selbst Familie in Israel: Verwandte, die über das Land verteilt leben, und den Schrecken der Raketenangriffe aus den palästinensischen Gebieten, die hunderte Menschen das Leben gekostet haben, miterleben mussten. Dabei geht es ihm ähnlich, wie anderen Mitgliedern der Gemeinschaft, die nicht alle in Hagen wohnen, hier aber an ihrem Gotteshaus zusammenkommen, darum, ihren Glauben zu leben und wie in den vergangen Tagen religiöse Feste zu feiern.
Eine Frage der Existenz
„Die Menschen in Israel, die Juden – wir sind nicht einer abstrakten Gefahr ausgesetzt“, sagt Hagay Feldheim, „das ist für uns Juden eine existenzielle Frage, die uns seit Jahrzehnten bedroht.“
Eine Bedrohung, die im September 2021 plötzlich ganz nah an die friedliebende Hagener Gemeinde heranrückte. Damals war die Synagoge vor dem Hintergrund eines drohenden Terror-Anschlags von schwer bewaffneten Spezialkräften der Polizei umstellt worden. Ein ausländischer Geheimdienst hatte den Hinweis nach Deutschland weitergeleitet. Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesnachrichtendienst (BND) hatten ermittelt. Ein damals 16-Jähriger Syrer aus Hagen wurde festgenommen.
Hagener hat Kontakt zum Islamischen Staat
Er hatte über einen Chat Kontakt zum Terrornetzwerk Islamischer Staat aufgenommen, sich Pläne für den Bau einer Bombe besorgt. Ein Mann namens Abu Harb war sein Ansprechpartner: „Das ist der beste Ort Bruder, viele werden sterben, und Autos werden brennen, so Gott will“, schrieb Abu Harb im Chat, als er erfuhr, dass der Anschlag der Synagoge in Hagen gelten sollte.
Dass es dazu nicht kam – vermutlich ist das dem Hinweis des Auslandsgeheimdienstes zu verdanken. Der Jugendliche wurde festgenommen und Ende März 2022 wegen Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat verurteilt: zu einer Bewährungsstrafe, ein Jahr und neun Monate. Er hatte die Vorwürfe in weiten Teilen gestanden.
Polizei Hagen erhöht den Schutz
Große Sorgen um die Sicherheit macht sich die jüdische Gemeinde auch jetzt vor dem Hintergrund der Angriffe auf Israel. Dass diese Sorgen nicht unberechtigt ist, zeigt auch, dass die Polizei Hagen die Schutzmaßnahmen vor den jüdischen Einrichtungen hochgefahren hat. „Wir sind angesichts der Ereignisse sensibilisiert und nehmen die Situation sehr ernst“, sagt Tino Schäfer, Sprecher der Polizei in Hagen. „Wir haben unsere Präsenz deutlich erhöht. Wir haben Kontakt zur Gemeinde aufgenommen.“
Darüber hinaus stehe man im Austausch mit dem Land NRW und über die Polizei NRW mit Bundesbehörden. Die Sicherheitslage werde stetig neu bewertet.
Stadt im Austausch mit Polizei und Gemeinde
Im engen Austausch mit der Gemeinde und der Polizei steht auch die Stadt Hagen. „Der erste Beigeordnete Christoph Gerbersmann hat persönlich mit Hagay Feldheim gesprochen“, so Thomas Bleicher, Referent des gerade urlaubenden Oberbürgermeisters, „darüber hinaus ist ein Brief an unsere israelische Partnerstadt Modi’in unterwegs, in dem wir unsere Solidarität und unser Mitgefühl bekunden. Wir haben auch versucht, direkt Kontakt aufzunehmen. Leider ist uns das nicht gelungen.“ Darüber hinaus hat die Stadt ein Transparent (sieben mal ein Meter) in Auftrag gegeben, das morgen am Rathaus aufgehängt werden soll und mit dem die Kommune sich solidarisch erklären möchte.
Die Stadt Modi’in, die zwischen Tel Aviv und Jerusalem an der Grenze zum Westjordanland und rund 40 Kilometer nördlich des Palästinenser-Streifens liegt, befindet sich in einer Art Ausnahmezustand. Schulunterricht findet nur noch in Distanz statt, Einwohner, die einen Waffenschein haben, können sich rekrutieren lassen, um Sicherheitskräfte zu unterstützen. Die Zuwege zur Stadt werden kontrolliert. Arbeiter dürfen nicht mehr nach Modi’in hineinpendeln.