Essen. Immer öfter greifen Ladendiebe zu. Das verursacht Schäden in Milliardenhöhe. Dennoch zeigen viele Händler die Täter nicht mehr an.
Dem Einzelhandel ist durch Diebstahl im vergangenen Jahr ein Schaden von rund 3,7 Milliarden Euro entstanden. Laut Studie des Handelsforschungsinstituts EHI ist das eine Steigerung von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Kunden ließen demnach Waren für 2,4 Milliarden Euro mitgehen. Diebstähle durch Beschäftigte summierten sich auf rund 920 Millionen Euro. Servicekräfte und Lieferanten stahlen Waren im Wert von 370 Millionen Euro.
Geld reicht nicht mehr - auch Senioren werden zu Dieben
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Nach Erfahrungen des Bundesverbandes des Detektiv- und Ermittlungsgewerbes (BuDEG) werden dabei vor allem im Lebensmittelhandel immer wieder bisher völlig unbescholtene, ältere Menschen zu Tätern. Viele der Ertappten erklärten den Detektiven, die Preise für Lebensmittel des alltäglichen Bedarfs wie Wurst oder Käse seien so teuer geworden, dass das Haushalts-Budget nicht reiche.
Der Sozialverband VdK Deutschland will das nicht kommentieren, liefert aber Zahlen, die das Phänomen zum Teil erklären können. Ende März bezogen laut Statistischem Bundesamt rund 684.000 Seniorinnen und Senioren die Grundsicherung. „Immer mehr Rentnerinnen und Rentner sind darauf im Alter angewiesen, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht“, stellt der VdK fest. „Allerdings beantragen die wenigsten Anspruchsberechtigten die Grundsicherung, zum Beispiel aus Scham oder Unwissenheit.“
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Zu den beliebtesten Diebstahlobjekten insgesamt gehören laut EHI Akkus, LED-Lampen, Rasierklingen, Spirituosen, Babynahrung, Kaffee, dekorative und pflegende Kosmetik sowie Tabak. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik stiegen die angezeigten Ladendiebstähle im Jahr 2022 um 34,3 Prozent auf insgesamt 344.669 Fälle (Vorjahr: 256.694). Zuwächse gibt es sowohl beim einfachen (34,6 Prozent) als auch beim schweren Ladendiebstahl (29,6 Prozent). Allerdings waren die Anzeigen in den Corona-Jahren stark rückläufig, so dass trotz des enormen Anstiegs wieder das Niveau von 2019 erreicht ist.
Dunkelziffer ist enorm hoch
Die tatsächliche Zahl der Diebstahl liegt nach Einschätzung der meisten Experten allerdings viel höher. „Eine Vielzahl der Delikte wird entgegen unserer Empfehlung erst gar nicht bei der Polizei angezeigt“, sagt Matthias Dreiucker, Leiter der Sektion Kaufhaus beim BuDEG. „Viel Aufwand, aber am Ender bringt es nichts“, heißt es in der Branche. „Denn immer wieder machen Händlerinnen und Händler die Erfahrung, dass die angezeigten Ladendiebe ohne größere Konsequenzen davonkommen“ , weiß der Detektiv.
Für Stefan Genth ist das der falsche Weg. „Ladendiebstahl ist keine Kleinigkeit, sondern ein ernstzunehmendes Vermögensdelikt. Da darf es keine Bagatellisierung oder falsch verstandene Toleranz geben“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland. „Wir brauchen eine konsequentere Sanktionierung. Es geht um das Eigentum von Unternehmen.“