Düsseldorf. Schon heute haben 612.000 Bundesbürger „klinisch relevante“ Probleme durch ihren Cannabiskonsum. Ärzte warnen: Das könnte zunehmen.
Ärzte und Psychotherapeuten laufen Sturm gegen die Pläne zur Cannabis-Legalisierung, die die Bundesregierung vor kurzem in einem Referentenentwurf konkretisiert hat. (Lesen Sie hier, was die Mediziner fordern.) Hier die wichtigsten Argumente der Mediziner.
Wie viele Menschen konsumieren Cannabis?
„Dass Cannabis eine Einstiegsdroge ist, wissen wir seit Jahrzehnten“, sagt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Etwa acht Prozent aller Jugendlichen (12 bis 17 Jahre) in Deutschland soll laut Fachverband Sucht im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert haben. Bei den Erwachsenen (bis 64 Jahre) sollen es 7,1 Prozent gewesen sein. Etwa 1 Prozent aller Frauen und 1,4 Prozent aller Männer in dieser Altersspanne sollen so viel konsumieren, dass es „klinisch relevant“ wird. Das sind insgesamt 612.000 Menschen.
Was würde eine Legalisierung bewirken?
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Laut einer Metastudie des Hamburger Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung, die über 160 Studien aus aller Welt auswertet, führt eine Legalisierung zu einem erhöhten Freizeitkonsum. In Kanada etwa steige auch die Nachfrage nach wirkstoffhaltigerem Marihuana, erklärt Gerd Höhner, Chef der Psychotherapeutenkammer NRW. Langfristige gesundheitliche Folgen seien zu erwarten.
„Statt die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit neuer Suchtmittel zu ermöglichen, sollten wir eher dafür sorgen, dass Konsumierende, deren Suchtmittelkonsum zu Problemen führt, möglichst früh Hilfen zur Reduzierung der Risiken und Schäden erhalten“, sagt Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein. Er fordert mehr Prävention von der Schule bis zum Arbeitsplatz „mit dem Ziel, dass insgesamt weniger Menschen Suchtmittel konsumieren“.
Welche gesundheitlichen Folgen kann Cannabiskonsum haben?
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„Die chronische Auswirkungen haben es in sich“, sagt Frank Bergmann. „Beispielsweise verminderte Lern- und Gedächtnisleistungen, eingeschränkte Aufmerksamkeit. Über einen längeren Zeitraum ist Cannabis ein bekannter Risikofaktor für andere psychische Erkrankungen. Das können Depressionen sein oder Psychosen.“ Der KVNO-Chef rechnet ganz klar mit einer Zunahme von depressiven Störungen speziell bei Jugendlichen, sollte die Legalisierung in dieser Form erfolgen. Sie suggeriere, „dass der Konsum nicht so schlimm ist, wenn man ihn Erwachsenen erlaubt“.
Sein Stellvertreter bei der KVNO, Carsten König, ergänzt: Viele Psychiater und Psychotherapeuten hätten schon mal verzweifelte Mütter und Väter vor sich sitzen gehabt. Weil die Schulleistungen ihrer Kinder nicht nur nachgelassen hätten, sie kämen überhaupt nicht mehr mit. „Oder es entwickelt sich eine akute Psychose, die nicht mehr weggeht. Wenn das normale Leben eines jungen Menschen so zu Ende geht, ist das wirklich traurig und dramatisch.“
Sind die Pläne geeignet, Drogenkriminalität zu bekämpfen?
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Die Ärzte und Psychotherapeuten verweisen auf Studien aus anderen Ländern, nach denen eine Legalisierung nicht zu einem Zurückdrängen des Schwarzmarktes geführt hätten. Professionelle Rauschgifthändler würden ihr Geschäft nicht einfach aufgeben, sondern sich umso stärker auf die Gruppe der Jugendlichen fokussieren, die Cannabis weiterhin nicht legal erwerben könnten.
Welche Folgen für das Gesundheitssystem befürchten die Experten?
Die Auswirkungen auf die ambulante Versorgung werden laut Frank Bergmann „in der politischen Diskussion massiv unterschätzt“. Auch Gerd Höhner, Vertreter der Psychotherapeuten, erwartet, dass ein steigender Bedarf nach Therapieplätzen die ohnehin herrschende Knappheit verschärft. Er weist auch darauf hin, dass „die geltenden Vorgaben zur Durchführung der Psychotherapie, die sogenannte Psychotherapie-Richtlinie, im Falle einer Cannabislegalisierung gar nicht umsetzbar sind.“ Eine ambulante Psychotherapie darf heute nur erfolgen, wenn nach zehn Behandlungsstunden eine Suchtmittelfreiheit erreicht werden kann. Durch eine Freigabe des Konsums werde dieses Kriterium ad absurdum geführt.