Düsseldorf. Die Regierung will Cannabis legalisieren – Ärzte und Psychotherapeuten können daran nichts Gutes finden. Die Suchtgefahr steige für Jugendliche.

Die geplante Legalisierung von Cannabis könnte mehr Kinder und Jugendliche in die Sucht treiben und das Gesundheitssystem stärker belasten: Vor diesen Gefahren warnen Vertreter der Ärzte- und Psychotherapeuten im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, ebenso wie die KVNO selbst. Sie fordern bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, eine Abkehr von den Legalisierungsplänen, die nun von der Bundesregierung mit einem Referentenentwurf konkretisiert worden sind.

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Demnach sollen der Konsum und der Besitz von Cannabis bis 25 Gramm für Erwachsene straffrei bleiben. Es kann auf drei Wegen legal erworben werden: Bürger können bis zu drei Pflanzen selber anbauen. Oder sie können sich einem Cannabis-Club anschließen, der für den Bedarf der Mitglieder anbaut und keinen Gewinn erwirtschaftet.

Cannabis im Geschäft kaufen

Zudem können sich Städte und Kreise als Modellregionen bewerben. Hier sollen Geschäfte entstehen, in denen Cannabis verkauft wird. In Köln, Münster und Bielefeld etwa gibt es entsprechende Bestrebungen. Ziel ist es laut Gesetzesentwurf, den Jugendschutz zu verbessern, den Schwarzmarkt auszutrocknen, damit Drogenkriminalität zu senken und die Strafverfolgung zu entlasten. Außerdem soll die Weitergabe von gestreckten oder anderweitig verunreinigten Drogen verhindert werden.

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Die Ärzte und Psychotherapeuten können an alldem nichts Positives finden. „Ich bin in höchstem Maße skeptisch und fürchte, dass die Politik im Falle einer Legalisierung schwerwiegende Gefahren für die Gesundheit von Jugendlichen bewusst in Kauf nimmt,“ sagt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KVNO. „Die Unter-18-Jährigen werden sich die Droge weiterhin auf dem Schwarzmarkt besorgen. Auch die Annahme einer sinkenden Drogenkriminalität in Folge eines legalen Konsums erschließt sich mir nicht.“

Es sei nicht davon auszugehen, dass professionelle Rauschgifthändler ihren Job wechseln, glaubt auch Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein: „Der illegale Markt wird sich umso mehr auf die Zielgruppe der Jugendlichen konzentrieren.“ In Ländern wie Kanada und den USA, die dem Konsum bereits teils legalisiert haben, steige zudem der Freizeitkonsum – und damit die Zahl der gesundheitlichen Schäden: Schizophrenien, Gedächtnisprobleme, Angstzustände, Paranoia etwa.

Depressive Störungen könnten zunehmen

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„Als Neurologe und Psychiater weiß ich um die Gefahr der Abhängigkeit von der Droge, insbesondere für Heranwachsende“, sagt auch Frank Bergmann. „Sollte Cannabis tatsächlich flächendeckend legalisiert werden, rechne ich mit einem deutlich höheren Behandlungsbedarf bei Suchterkrankungen und depressiven Störungen, die das schon heute extrem belastete Versorgungssystem zusätzlich bewältigen müsste.“ Vor allem das hohe Suchtpotenzial von Cannabis und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die ambulante Versorgung werden nach Meinung des KVNO-Vorstandsvorsitzenden in der politischen Diskussion massiv unterschätzt.

Dass die Nachfrage nach psychotherapeutischen Leistungen zunehmen könnte, fürchtet auch Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW. Schon heute gebe es Wartelisten, eine Verschärfung der Lage sei zu erwarten. Ebenso weist Höhner darauf hin, dass „die geltenden Vorgaben zur Durchführung der Psychotherapie, die sogenannte Psychotherapie-Richtlinie, im Falle einer Cannabislegalisierung gar nicht umsetzbar sind.“ Eine ambulante Psychotherapie darf heute nur erfolgen, wenn nach zehn Behandlungsstunden eine Suchtmittelfreiheit erreicht werden kann. Durch eine Freigabe des Konsums werde dieses Kriterium ad absurdum geführt.

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Die KVNO und beide Kammern appellieren an NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, „eine umfassende Legalisierung zu verhindern“. Einen Stopp der Legalisierung hatten zuvor unter anderem die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Ärzteschaft in Bayern gefordert. Wie sein bayrischer Amtskollege steht auch Laumann einem legalen unkontrollierten Cannabiskonsum ablehnend gegenüber. Dies hatte er zuletzt im Rahmen der Eröffnung des Deutschen Ärztetages in Essen kundgetan. „Er kann sich sicher sein, dass ihn die hiesige Ärzte- und Psychotherapeutenschaft nach Kräften unterstützt“, erklärte Dr. Carsten König, stellvertretender Vorsitzender der KVNO. „Andernfalls drohen wir einer Entwicklung Tür und Tor zu öffnen, deren negative Folgen für die gesamte Gesellschaft vermutlich immens wären“.