Bochum/Dortmund. Der „große Kuh-Klau“ liegt mehr als 600 Jahre zurück, aber erst seit Donnerstag ist der Frieden besiegelt. Was das liebe Vieh damit zu tun hat.
Es ist Frieden geworden zwischen Bochum und Dortmund, man darf das so sagen: Die Kuh ist vom Eis. 635 Jahre nach der Großen Fehde zwischen den beiden Städten und einem weiteren mittelalterlichen Zwischenfall haben sich zwei Stadtväter am Donnerstag die Hand gegeben – und tatsächlich eine Kuh drauf. „Ab jetzt auf alle Zeit ist Frieden!“ Bochumern muss man das nicht erklären, aber sie beruhigen: Das Maiabendfest wird trotzdem gefeiert, jetzt erst recht.
Es begab sich der Legende nach im Jahr des Herrn 1388: dass eine Gruppe von Söldnern aus Dortmund – es sollen „westfälische Cowboys“ gewesen sein – dem Grafen Engelbert III. von der Mark auf Burg Blankenstein ein paar Stück Vieh stahlen. Den „Kuh-Klau“ ließen Bochumer Junggesellen indes nicht auf sich sitzen, sie eroberten die Herde zurück. Zum Dank soll ihnen der Fürst gestattet haben, sich am Vorabend eines jeden ersten Mai einen Eichbaum aus seinen Wäldern im Harpener Bockholt zu holen. Der sollte in der Stadt verkauft und vom Erlös ein Fest gefeiert werden: das Maiabendfest.
Dortmund Oberbürgermeister dachte an eine echte Kuh
2013 aber hob der damalige Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau den Fehde-Handschuh endlich auf. Mit den „Junggesellen“ schloss er einen Friedensvertrag, was aber auch wieder nicht jedem in Bochum passte: Man fürchtete das Ende des Maiabendfestes, nach mehr als 600 Jahren! Der Beginn eines neuen Streits? Geschichte, wie der ganze Rest: Bei seiner Unterschrift wollte Sierau es nicht belassen, er versprach der Nachbarstadt und seinem Amtskollegen Thomas Eiskirch eine echte Kuh, um den Vieh-Diebstahl wieder gutzumachen. Oder ein Kalb, „das hat mehr Perspektive“.
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Eigentlich wollte er ein lebendes Tier, Beteiligte sahen die Szene schon vor sich: der Alt-OB, einen Strick in der Hand und hinter ihm das liebe Vieh. „Den Hellweg“, sagt der heute 67-Jährige, „hätte ich noch geschafft.“ Aber vor dieser Idee standen der Tierschutz, das Veterinäramt und die Frage: „Wo kommt die Kuh denn unter?“ Es ist deshalb eine Kunststoff-Kuh geworden, Terrier-groß vielleicht, was dem Schenkenden arg klein vorkommt, als er es wiedersieht. Gerade hat er noch die Arme ausgebreitet, so groß sollte es sein, das Rind. „Thomas, du hast die Kuh geschrumpft!“ Man merkt auch daran: Mindestens die beiden Männer sind über die Stadtgrenze hinweg wirklich Freunde geworden. Wobei die Sozialdemokraten Parteifreunde natürlich sowieso sind.
Die Kuh zieht um: Neuer Stall ist nicht mehr das Rathaus, sondern das Stadtarchiv
Dass es nun weitere drei Jahre dauerte, bis das Tier am 20. April um genau viertel vor zwei das Städteverhältnis endgültig befriedete, lag erst an den Terminkalendern und dann an Corona. Die Pandemie kam der für 2020 geplanten Übergabe dazwischen, hat aber das Vieh noch wertvoller gemacht: Thomas Eiskirch nahm es in sein Amtszimmer auf, er sagt, es war ihm Talisman in den Jahren der Krise. Es kam ja auch „ordentlich gekleidet“ für die Zeit: mit handgenähtem Mundschutz.
So zieht es nun ins Bochumer Stadtarchiv, als Kuh gewordenes „Versprechen, dass aus Dortmund nie mehr einer kommen wird, um Rindviecher zu klauen“. Das Zentrum für Stadtgeschichte wird die Kuh im Mai ausstellen und dann zunächst im Magazin verwahren. Man nehme die Geschichte sehr ernst, sagt Leiter Kai Grawe, „obwohl sie lustig ist“. Vielleicht werde man das Ausstellungsstück „in 100 Jahren erneut zeigen, als Teil der Pandemie-Geschichte“. Für die Maiabendfest-Vitrine ist die kleine Kuh wiederum zu groß, „da müsste sie sich hinlegen“. Und an der Spitze des Umzugs am übernächsten Samstag wird man sie auch nicht tragen.
WAZ stiftet die Eiche zum 75. Geburtstag
Denn so halten sie es ja bis heute: Holen den Baum aus Bockholt, schleppen ihn feierlich in die City. So viele Eichen sind seit dem Mittelalter herbeigetragen worden, dass Bochum ein einziger Wald sein müsste mit mehr als 600 Bäumen. Wenn nicht die meisten Eichen in den Stadtpark gezogen wären und inzwischen, schon weil der Graf natürlich nicht mehr lebt, Sponsoren den jährlichen Baum finanzierten (und am liebsten pflanzten vor ihrer Tür, weshalb einer zum Beispiel am VfL-Stadion steht).
Ab kommender Woche wächst dieser Maibaum indes auf dem Bochumer Boulevard. Gestiftet wird er diesmal von der WAZ in Bochum, Verlegerin und Chefredakteur sind eingeladen und verschenken die Eiche gewissermaßen zum eigenen Geburtstag: Die Zeitung wird in diesem Jahr 75. Und was machen die Bochumer? Die lassen, ist zu erwarten, zum ersten Mal seit Corona wieder so richtig die Kuh fliegen.