Duisburg. Das Bild der einstigen Stahlstadt Duisburg ändert sich mehr und mehr zum Positiven - vor allem bei Auswärtigen. Sogar in Niedersachsen ist bekannt, wie schön die Nächte im Innenhafen sind - zur Verwunderung mancher Einwohner aus der Ruhrstadt, die sich auf Reisen befinden.

Die Duisburger unter unseren Lesern kennen das: Es ist Sommer, im Hintergrund rauscht ein blaues Meer, fern der Heimat liegt man selig am Strand, bewundert die unermüdlichen Wellen - bis man neben sich deutsche Klänge hört. Man kommt ins Gespräch. Spätestens nach drei Minuten brandet sie auf, die schlimme Frage: Wo seid ihr denn her? Vor einigen Jahrzehnten, als ich noch jung war und der Ruhrpott grau, neigte ich zur vorbeugenden Trotzreaktion: „Aus Duisburg!”, sagte ich stolz. Und erwähnte beiläufig den „größten Binnenhafen des Universums” und den berühmten Zoo und die Delphine, ja, und wir hätten auch Bäume, ganze Wälder sogar, und, nein, wir laufen nicht den ganzen Tag mit Gasmasken rum wie im Film „Smog”. „Ach so”, sagten die Hessen, Pfälzer, Bayern ein bisschen mitleidig, und manche rückten instinktiv ein paar Zentimeter ab, als hätten sie Angst, dass sie Staublungen oder Krupphusten bekommen, oder Rußflecken auf ihren hellen Handtüchern.

Am Rhein hinter Ruhrort

Und dann gab es natürlich die Deppen, die nachfragten: Wo liegt das denn? Ich hatte mal ernsthaft Krach mit einer Freundin, die antwortete „bei Düsseldorf”. Wo doch jedes Duisburger Kind weiß, dass Düsseldorf am Rhein HINTER Ruhrort liegt. Kurz vor 2010 ist die Situation natürlich völlig anders. Ich werde grau, der Kohlenpott blüht - glänzt als Edelstahl-Schmelztiegel der Kulturen, wir sind total strukturgewandelt zum Swinging Revier und natürlich ist auch Duisburg Metropole Ruhr.

Im Jahr 1 v. Kulturhauptstadt hatte ich eine Ferien-Begegnung der besonderen Art: Diesmal rauschte GESCHENKT kein Meer, sondern das Pommesfett in der Friteuse, wir waren nicht in Südspanien, nur in Ost-Niedersachsen, aber der Mann, der die Frage stellte, war immerhin Südeuropäer und Besitzer der wichtigsten Döner-Bude von Ankum (bei Tütingen): Wo kommen Sie denn her?Aus alter Gewohnheit zog ich erst den Kopf ein, reckte mich dann stolz und sagte trotzig: „Aus Duisburg!” Da geschah es: Der Döner-Mann ließ das elektrische Sägemesser sinken und starrte mich an: „Duisburg!”, sagte er, und - : „Cool!”. Dann rief er hektisch seinen Kumpel herbei, der am Flipper stand: „Bernhard, die Frau hier kommt aus Duisburg!” Jetzt starrten mich zwei Männer anerkennend an, ich überlegte, ob sie vielleicht „Dubai” verstanden hatten, als der eine fragte: „Kennen Sie auch den Innenhafen?” So ähnlich muss sich Paris Hilton fühlen, wenn sie Insider-Tipps aus L.A. verrät. „Klar, Mann!”, sagte ich, versuchte kulturhauptstädtisch zu grinsen, also irgendwas zwischen intellektuell und glamourös, und wünschte, dass ich eine Angeber-Sonnenbrille hätte, die ich lässig in die Frisur schieben könnte.

Feiern im Innenhafen

Die Ankumer verrieten mir, dass sie im Mai mit einem Cousin aus Krefeld im Duisburger Innenhafen auf der Rolle gewesen seien und es da „echt gut fanden, tolle Kneipen und coole Leute, alles schick und modern”. Ich sei doch sicher glücklich, weil ich in so einer Stadt wohnte. Als ich mit meinem Döner an der B 214 ins Auto stieg, fehlte was. Die Ruhrpott-Vermarkter haben wirklich ganze Arbeit geleistet. Niemand hatte mich auf Kohle, Malocher und glutroten Himmel angesprochen, nichtmal auf Schimanski. Im Jahr 2009 war ich endlich die vollwertige Bewohnerin einer attraktiven Stadt voller cooler Leute und schicker Kneipen. Es war der erste Urlaub, in dem ich nicht mehr stolz darauf war, eine Duisburgerin zu sein. Döner, Ankumer Grill, 3,30 Euro.