Essen./Gelsenkirchen./Bochum. Hochprofessionell sollen die Gelsenkirchener und Bochumer mit Waffen und Drogen gehandelt haben. Jetzt stehen sie in Essen vor Gericht.

Recht bieder sehen die vier Angeklagten aus Gelsenkirchen und Bochum aus, die am Freitag von Justizwachtmeistern in den Gerichtssaal der VI. Essener Strafkammer geführt werden. Doch laut Anklage der Kölner Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Cyberkriminalität sollen sie hinter ihrer bürgerlichen Fassade hochprofessionell mit Kriegswaffen, Sprengstoff und Drogen gehandelt haben.

Kopf der mutmaßlichen Bande soll der 47 Jahre alte Dejan K. gewesen sein. Von seinem Apartment in der Gelsenkirchener Residenz am Stadtgarten aus, dort lebte er mit der 20 Jahre jüngeren Mitangeklagten Snezana H. zusammen, soll er das Geschäft betrieben haben. Im Erdgeschoss des Hauses diente ein von ihm geführter Handwerksbetrieb als Umschlagplatz der Ware und als weitere Tarnung, schildert die Anklage.

Kokain quer durch Europa

Denn in diesem Unternehmen hatte er seine Mitangeklagten als Angestellte geführt. Tatsächlich sollen die Bochumer Enzo C., 49 Jahre alt, und Julian H., 45 Jahre alt, wenig Zeit für handwerkliche Tätigkeiten gehabt haben. Die beiden sollen vor allem damit beschäftigt gewesen sein, Kokain, Heroin, Marihuana und Amphetamin quer durch Europa zu fahren.

Mindestens zwei Jahre lang sollen die illegalen Geschäfte problemlos gelaufen sein. Dann zersplitterte ein Rammbock die Frontscheibe des Handwerksbetriebes in Gelsenkirchen. Im Auftrag der Kölner Staatsanwaltschaft durchsuchten Polizeibeamte die Räume, außerdem das Gelsenkirchener Apartment und die beiden Bochumer Wohnungen. Nach Behördenangaben stellten sie dabei Drogen in einem Verkaufswert von 1,25 Millionen Euro sicher.

Ermittlungen fast zwei Jahre lang

Fast zwei Jahre lang hatten die Strafverfolger gegen das Quartett ermittelt. Aufmerksam geworden waren sie durch die Festnahme eines Düsseldorfers im August 2020, der mit Dejan K. illegale Geschäfte gemacht haben soll. Bei ihm fanden sie auch ein Telefon, mit dem man abhörsicher verschlüsselte Gespräche führen konnte. So gelang es ihnen, auch diese Telefonate mitzuhören.

Da ging es zu wie in einem gut organisierten Onlinehandel: Kaum bestellt, schon geliefert. Die ersten 32 der insgesamt 61 Fälle auflistenden Anklage schildern die Geschäfte mit dem Düsseldorfer. Da ruft dieser mittlerweile verurteilte Mann etwa am 13. Januar 2020 gegen Mittag bei Dejan K an und bestellt zwei Kilo Cannabis. Bereits am nächsten Tag wird das Rauschgift übergeben.

Sprengstoff und Scharfschützengewehr

Anderes dauert etwas länger. So bekommt der Düsseldorfer den am 24. Januar bestellten C 4-Plastiksprengstoff erst am 8. Februar. Auch ein Scharfschützengewehr mit Zielfernrohr benötigt eine Woche bis zur Auslieferung.

Nach der Festnahme des Düsseldorfers erkennen die Fahnder schnell, in welchem Ausmaß Dejan K. und seine Komplizen kriminelle Geschäfte machen. Spätestens ab November 2020, so die Anklage, sollen die vier sich als Bande zusammengeschlossen haben. Ihr Schwerpunkt: Kokain, Heroin, Cannabis und Amphetamin im mehrstelligen Kilobereich durch Europa transportieren.

Drogen in Holland besorgt

Mehrmals in der Woche fuhren sie laut Anklage mit dem Stoff in die Schweiz, Österreich, Tschechien, Slowakei, aber auch nach Schweden oder Dänemark. Die Drogen besorgten sie in Holland, wo sie extra ein Ferienhaus angemietet hatten. Dann ging der Stoff zunächst nach Gelsenkirchen zur Residenz am Stadtgarten. Dort wurde er wie in einer ordentlichen Spedition so in Autos verpackt, wie es zur Auslieferungsroute passte.

Zum Transport dienten vier Fahrzeuge, in die für den Schmuggel versteckte Behälter eingebaut waren. Diese ließen sich nur bei eingeschalteter Zündung mit einem verborgenen Magnetschalter öffnen. Die Fahrzeugflotte mit einem Seat Leon, zwei Nissan Qashqai und einem VW-Pritschenwagen stand auf Parkplätzen in Bochum oder Gelsenkirchen sowie in der Tiefgarage der Residenz.

Verkaufswert von neun Millionen Euro

Bei der Durchsuchung im März vergangenen Jahres entdeckte die Polizei nicht nur kiloweise Rauschgift und zahlreiche Waffen, sondern auch Bargeld. Bei Enzo C., der die rechte Hand von Dejan K. gewesen sein soll, zählten die Ermittler rund 112.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft geht mittlerweile davon aus, dass das Quartett mit Drogen in einem Gesamtverkaufswert von neun Millionen Euro in Berührung kam - sei es als Händler oder als Transporteur. Es sollen allein 225 Kilogramm Kokain gewesen sein. Nur für die Transporte der Drogen hätten die Angeklagten rund 400.000 Euro Kurierlohn kassiert.

Rechtsanwalt Goran Bronisch, der Dejan K. verteidigt, kündigte am Freitag an, dass die Angeklagten am nächsten Prozesstag Geständnisse ablegen wollen. Das könnte die auf zwölf Tage angesetzte Verhandlung erheblich verkürzen.

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