Essen. Wenn Frauen ihr Gehalt schlechter verhandeln, könnte ein BAG-Urteil greifen: Sind Lohnunterschiede nicht objektiv begründbar, gibt’s mehr Geld.

Frauen verhandeln eben schlechter, heißt es oft. Selbst schuld, wenn sie bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation weniger verdienen. So lautete auch die Argumentation eines Arbeitgebers vor dem Bundesarbeitsgericht, der seiner Vertriebsmitarbeiterin weniger zahlte als ihrem männlichen Kollegen. Die Frau bekam jedoch Recht Ende Februar – ein Grundsatzurteil. Ihr steht der gleiche Lohn zu wie ihrem Kollegen. Wegen Diskriminierung bekommt sie außerdem eine Entschädigung.

Das Urteil kam passend vor dem Weltfrauentag am 8. März und natürlich zum „Equal Pay Day“ einen Tag zuvor. Dieses Zusammenfallen ist an sich schon ein kleiner Erfolg, denn der Tag der gleichen Bezahlung markiert die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern in Deutschland. Aktuell verdienen arbeitende Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer, und am Dienstag waren 18 Prozent des Jahres rum. Verbessert sich die Situation, was sie langsam aber stetig tut, dann wandert der Tag nach vorne, im vergangenen Jahr lag er zum ersten Mal vor dem Weltfrauentag.

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Für die Lohnlücke gibt es viele Gründe: Frauen wählen häufiger schlechter bezahlte Berufe, entscheiden sich öfter für Familie und gegen Karriere, werden seltener in hohen Positionen eingesetzt, finden keine angemessene Kinderbetreuung. Etcetera. Letztlich verbleibt auch bei gleicher Qualifikation laut Bundesfamilienministerium ein Gehaltsunterschied von 6 Prozent. Und der hat auch mit den Gehaltsverhandlungen zu tun. Also mit besagtem Urteil.

Mehr Gehaltstransparenz

Ob es direkte Wirkung zeigen wird, bleibt abzuwarten. „Positionen sind eben oft nicht direkt vergleichbar, genauso wenig Qualifikationen. Und so kommt es weiter auch auf den Einzelfall an,“ so Prof. Kerstin Bruns von der FOM Hochschule für Oekonomie und Management. Allerdings könne die neue Rechtslage Angestellte dazu ermutigen, mehr Gehaltstransparenz einzufordern. Zwar gebe es bereits seit 2018 das Entgelttransparenzgesetz, das Unternehmen verpflichtet, Auskunft über das Gehaltsniveau zu geben. Allerdings gilt es nur für Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten und nur dann, wenn mindestens sechs Personen vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Das neue Urteil geht darüber hinaus: Arbeitgeber müssen nun auch objektive Gründe für Gehaltsunterschiede angeben.

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Aus wissenschaftlicher Sicht kann Bruns anhand von Studien bestätigen: „Frauen verhandeln für andere besser als in eigener Sache.“ In ihrer freiberuflichen Arbeit als Coach trainiert sie Verhandlungsgespräche und Führungkompetenzen und kennt diesen Unterschied auch aus der Praxis. Aber natürlich reden wir über Statistik. „Es ist wichtig, nicht in solchen Kategorien stecken zu bleiben.“ Es gebe selbstverständlich Frauen, die sich auch in eigener Sache gut schlagen und Männer, die sich da schlecht verkaufen. „Einiges wandelt sich auch gerade.“ Die neue Generation sei selbstbewusster, der Markt verändere sich zugunsten der Arbeitnehmer.

Nur selten fragt eine Frau nach einem Dienstwagen

Susann Schossig, IT-Führungskraft und Mitglied beim Unternehmerinnen-Netzwerk BPW Essen
Susann Schossig, IT-Führungskraft und Mitglied beim Unternehmerinnen-Netzwerk BPW Essen © Privat

„Frauen sind generell bescheidener und selbstkritischer“ sagt auch Susann Schossig, die als Führungskraft in der IT-Branche viele Vorstellungsgespräche geleitet hat. Sie ist Leiterin des Projektmanagement Offices beim Softwareentwickler Crealogix. „Für Männer ist das Vorstellungsgespräch eher ein Spiel, das ich gewinnen kann. Für Frauen ist es eine psychische Herausforderung, vergleichbar mit dem Gang zum Zahnarzt.“ Nur selten komme es vor, dass eine Frau mal nach einem Dienstwagen fragt oder nach Bonusleistungen. „Es geht eher ums Gehalt und darum, wie flexibel die Arbeitszeiten sind. Frauen vertrauen stärker auf Gerechtigkeit. Einmal habe ich eine Bewerberin sogar darauf hingewiesen, dass ihre Gehaltsvorstellungen zu gering für ihre Qualifikation waren.“

„Frauen sprechen weniger über eigene Erfolge“, sagt Schossig. „Das hat auch etwas mit Selbstvertrauen zu tun. Andererseits: Wenn man selbstbewusst auftritt, kann einem das negativ ausgelegt werden. Auch ich hatte schon einmal entsprechend negatives Feedback, als ich mich beworben habe.“ Das mangelnde Selbstvertrauen zeige sich bereits bei der Entscheidung für eine Bewerbung. „Frauen bewerben sich nur, wenn sie das Gefühl haben, ihre Qualifikationen passten hundertprozentig zur Ausschreibung.“

Und wie kann man Abhilfe schaffen?

„Selbstvertrauen ist eine Übungssache“, sagen sowohl Schossig als auch Bruns, beide sind auch als Business-Coaches aktiv und Mitglieder des Unternehmerinnen-Netzwerks BPW (Business and Professional Women). „Man kann üben, wie man verhandelt“, erklärt Schossig. „Man sollte sich informieren über das Gehaltsband am Arbeitsort. Und man sollte für sich selbst verstehen, dass es wichtig ist, im Job kontinuierlich auf die eigenen Erfolge für das Unternehmen hinzuweisen. Sinnvoll wäre es, schon bei den Schülerinnen und Studierenden anzufangen, dort ein Bewusstsein für die Gehaltsdifferenz zu schaffen und auf solche Bewerbungssituationen vorzubereiten.“