Herne. Kersti und Frank Gomille sind seit 2020 Prinzenpaar in Herne und haben noch keine echte Session erlebt. Jetzt sollte nicht mehr viel schiefgehen.

Ein paar Minuten ist es hektisch in der Garderobe „Prinzenpaar EG3“. Die Adjutantin Gabi Franke nestelt den beiden rasch noch die Capes an die Kostüme, Jan-Malte, Adjutant und Sohn, ist noch mal zurückgefahren wegen irgendwelcher fehlenden Kappen, und Norbert Haase, Mann für alles, gute Seele, macht sich auf die Suche nach der Standarte. Irgendwo hinter der Bühne soll sie wohl liegen. So, kann losgehen.

19.11 Uhr. Aus dem Saal des Kulturzentrums hört man die Musik. Der Fanfarenzug Herne-Süd zieht ein, Haase mit Standarte, die Karnevalsmädels aus der Prinzengarde schmeißen die Beine hoch, das Prinzenpaar inmitten, dahinter Senatoren und Senatorinnen der „1. Herner Karnevalsgesellschaft“. Die Gäste stehen und klatschen. Im Neonlicht der verlassenen, schmucklosen Garderobe liegen jetzt nur noch zwei alte Mitgliedsausweise, wie man sie sich an Gürtel klemmt: „Kersti Gomille, Ältestenrat“ steht darauf. Und „Frank Gomille, Kassierer“. Lange her.

Die erste Prunksitzung 743 Tage nach der Proklamation im Autokino

Das alte Prinzenpaar rahmt die neue Ehrensenatorin der 1. Herner Karnevalsgesellschaft ein, die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering.
Das alte Prinzenpaar rahmt die neue Ehrensenatorin der 1. Herner Karnevalsgesellschaft ein, die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Plötzlich Prinzenpaar. Endlich Prunksitzung, am Tage 743 nach der Proklamation. Kersti I. und Frank I., schon seit vielen Jahren aktiv im Herner Karneval, hatten sich das eigentlich damals gut, aber völlig anders überlegt. 2021, im Jahr ihrer Silbernen Hochzeit, würden sie Karnevalsprinz und -prinzessin sein. „Das war das Geschenk“, sagt Frank Gomille. Und der Geburtstag von ihr würde genau auf Weiberfastnacht fallen. Das wird ein Fest! Doch wie bringt man Gott zum Lachen? Man macht einen Plan. Es wurde kein Fest. Es wurde Corona.

Von ihrer ersten Session bleibt nur die etwas schräge Proklamation im Autokino in Erinnerung. Die zweite, 2022, begann mit Sitzungskarneval halbwegs normal. Bis die Landesregierung den Vereinen sehr eindringlichst nahelegte, freiwillig auf jeden Karneval zu verzichten. „Beide Jahre waren durch Corona so bescheiden, dass eigentlich keine Prinzenpaar-Zeit zustande kam“, sagt er: „Das braucht man nicht noch mal.“

Im dritten Jahr Prinzenpaar „haben wir noch viele erste Male“

Und so kommt es, dass die beiden im dritten Amtsjahr ihre erste richtige Session erleben. Das ist kein Einzelfall in Nordrhein-Westfalen: Tanja I. und Mark I. in Leichlingen waren ebenso lange im Exil. Hier eine Ulrike I. und Rainer I., dort ein Dirk II. und Venetia Uasa . . . Prinzenpaare im Wartestand. Angekündigt, abgesagt. Angekündigt, abgesagt. Viele sind zurückgetreten. Diese haben durchgehalten.

Es hat sich offensichtlich gelohnt. „Wir sind jetzt im dritten Jahr Prinzenpaar, aber wir haben noch viele erste Male“, ruft Frank I. im Herner Kulturzentrum, als er die Narren begrüßt. Sie werden anderen Karnevalisten Orden umhängen und das Herne-Helau anstimmen, mitsingen, -klatschen und -schunkeln, werden den symbolischen Stadtschlüssel schwenken, den sie erobert haben, und kurz unter vier Ohren ausdiskutieren, wer von beiden ihn tatsächlich hochhalten darf. Frank leise zu Kersti: „Du hast die Macht.“ Die Pointe wäre eigentlich einen Tusch wert.

In dieser letzten Woche, in der der Karneval auch in Herne groß in Fahrt ist, haben sie sich Urlaub genommen: er von der Sparkasse, sie von der Kinderbetreuung in der Grundschule. Rathaussturm, Weiberfastnacht, Gottesdienst, Kinderkarneval, Biwak, Empfänge, Vereinsbesuche, Lokalradio, Prunksitzung, Rosenmontagszug. Kersti, die schon Adjutantin war, sagt: „Man steht noch einen Tick mehr im Mittelpunkt.“ Frank, langjähriger Vorstand: „In der ersten Reihe zu stehen, Mikro in der Hand, das macht schon Riesenspaß.“

Bewerbung als Prinzenpaar „kommt manchmal noch in der letzten Woche“

Mehrere hundert Narren und Närrinnen feierten mit im fast ausverkauften Kulturzentrum.
Mehrere hundert Narren und Närrinnen feierten mit im fast ausverkauften Kulturzentrum. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

In Herne begraben sie ihren Baccus schon am Dienstag. „Man nimmt die Kappe ab, und das war es dann“, sagt Frank Gomille. Kersti Gomille sagt: „Dann hast du drei, vier Wochen, wo du keine Karnevalsmusik mehr hörst, aber wenn dann die ersten warmen Tage kommen . . .“ Nominell bleiben sie bis zur Proklamation ihrer Nachfolger das Prinzenpaar von Herne, werden bei offiziellen Anlässen, Vereinsfesten oder dem Cranger-Kirmes-Umzug noch als solche begrüßt werden, aber Kostüme und Kappen liegen zuhause.

Bleibt die Frage, was 2024 . . .? „Die Session ist sehr intensiv für uns beide“, sagt er. Die Lust ist gestillt, das Prinzenpaar zu sein. Sagt auch ihr Präsident und Vorsitzender Klaus Mahne in der „1. Hekage“: „Vier Jahre dasselbe Prinzenpaar, das wäre unglücklich.“ Es gebe noch keine Bewerbung eines Paares, aber „die kommt manchmal noch in der letzten Woche“. Und Gomilles? Sie stecken sich wieder ihre alten Mitgliedsausweise an.