Ruhrgebiet/Münster. Immer mehr Amateur-Fußballmannschaften melden sich in der Saison ab: Sie haben zu wenige Kicker. Wie solche Teams demnächst weiterspielen können.
Dominik Lasarz kennt den Ärger leider ganz gut, der immer aufkommt, wenn eine Fußballmannschaft sich während der laufenden Saison zurückzieht. Alle ihre Ergebnisse werden dann annulliert, Siegern gegen diese Mannschaft werden Punkte abgezogen, Verlierer können gar an denen vorbeiziehen - sie hatten ja nichts zu verlieren. Tabellen werden durchgeschüttelt, und der Spielplan hat plötzlich eine Unwucht: An jedem Spieltag hat ein Team planmäßig ärgerlicherweise frei.
„Bei den weiterspielenden Mannschaften entsteht Verärgerung“, sagt Lasarz, der Vorsitzende des Fußballkreises Recklinghausen: „Seit vier, fünf Jahren haben wir das Problem, dass Mannschaften sich vermehrt abmelden.“ Gerade erst haben sie hier beschlossen, dass es von der nächsten Saison an statt der vier Kreisligen B nur noch drei geben wird. Und der Rückgang ist kein Recklinghäuser Problem, sondern eines praktisch im ganzen Land. Eine Idee der kickenden Kollegen aus dem Fußballkreis Münster soll jetzt Abhilfe schaffen.
„In den unteren Ligen liegt es meist an Personalmangel“
So ein Rückzug kann natürlich an Knatsch in der Mannschaft liegen, am Rückzug eines Sponsors. Doch „in den unteren Klassen liegt es meist an Personalmangel“, sagt ein Staffelleiter aus Gelsenkirchen. Heißt: Die Mannschaft ist nicht in der Lage, sonntagnachmittags verlässlich elf Spieler auf den Platz zu bringen. Acht Freunde sollt ihr sein. Irgendwann wird das Team rausgeschmissen aus der Liga. Aber viele gehen lieber vorher selbst.
Jetzt aber sagt Norbert Krevert, der Vorsitzende im Fußballkreis Münster: „Um Mannschaften mit einem kleinen Kader die Möglichkeit zu bieten, eine Saison durchzuspielen, soll die Perspektivliga helfen.“ Das solle der „Häufigkeit von Mannschaftsabmeldungen entgegenwirken“. Die „Perspektivliga“ ist ein Pilotprojekt für Nordrhein-Westfalen.
Zahl der Mannschaften wächst nach der Corona-Delle wieder etwas
In ihr sollen in der Saison 2023/24 eben diese zu klein Geratenen gegeneinander spielen. Das können, wie beschrieben, die Dahinschwindenden sein, aber auch Mannschaften im Aufbau oder gar neu zu schaffende 3. Mannschaften eines Vereins. Dann wäre die Perspektivliga nicht nur das Reservat der Angeschlagenen, sondern auch das Treibhaus der Aufsteigenden.
Im Gebiet des „Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen (FLVW)“ etwa, des zweitgrößten in Deutschland, ist die Zahl der Fußball-Mannschaften in den letzten 20 Jahren ständig gesunken: Von 15673 im Jahr 2005 (männlich U6 bis Ü70) auf 11594 im Jahr 2021. Zuletzt ist es wieder ein bisschen aufwärts gegangen, und die herrschende Interpretation ist: Diese neuen Anmeldungen gleichen eine Corona-Delle aus, die durch zusätzliches Mannschaftssterben 2020 und 2021 entstanden war.
„Eine weitere gute Möglichkeit, geregelten Spielbetrieb zu ermöglichen“
So stößt die Perspektivliga aus dem Münsterland im Ruhrgebiet auf wohlwollendes Hinschauen. „Das ist interessant für Vereine, wo es für eine 3., 4. oder 5. Mannschaft bisher vielleicht nicht ganz reicht“, sagt Andreas Edelstein. Er spricht für den Fußballkreis Dortmund mit seinen 104 Vereinen und gut 1000 Mannschaften über alles.
„Wahrscheinlich über kurz oder lang auch im Kreis Recklinghausen“, so sieht Dominik Lasarz die Entwicklung. Und sein Kollege Frank Mölsen sagt, das sei „eine weitere gute Möglichkeit, Vereinen einen geregelten Spielbetrieb zu ermöglichen“. In Mölsens Fußballkreis Duisburg/Mülheim/Dinslaken werden einige Schrumpfteams bisher dadurch aufgefangen, dass sie weiter in der Kreisliga C mitspielen, in der untersten Liga - 7 gegen 7, 9 gegen 9, je nach Kopfzahl der kleineren Mannschaft, und ohne Wertung.
Zum Aufstieg braucht es keinen Meistertitel, sondern genug Fußballer
Das stellen sich die Münsteraner allerdings anders vor. Sie bauen ihre Versuchsliga als Kreisliga D ins System ein. Allerdings soll keine Mannschaft aus der Kreisliga C dorthin absteigen, sofern sie noch reichlich vollzählig ist. Elf Freizeit-Spieler reichen übers Jahr betrachtet nämlich nicht.
„Je nach Zuverlässigkeit der Spieler kann man vielleicht mit 15 bis 18 durch eine Saison in der Perspektivliga kommen“, sagt Krevert. Für die 30 Spieltage einer Kreisliga C brauche eine Mannschaft 20 bis 25 Kicker. „Wir sind uns sicher, dass wir mit der Perspektivliga schon in dieser Saison einige Teams hätten halten können.“
Und noch eine Besonderheit wird in der neuen Liga gelten: Die Spiele werden zwar gewertet, und am Ende ist natürlich eine Mannschaft Meister. Doch wenn sie weiter zu klein ist, steigt sie nicht auf. Aber all diejenigen können aufsteigen, die wieder genügend Kicker für den Regelbetrieb zusammenhaben. Das ist die - Perspektive.