Essen. Kinderärzte in NRW bieten über die Weihnachtstage Online-Sprechstunden für kranke Kinder an. In Westfalen wird der Kinder-Notdienst verstärkt.
So viele Kinder sind in diesen Tagen krank, dass sie sich vor Kinderarztpraxen und Kinderkliniken in vielen Städten schon stauen. „Wir sind seit Wochen am Anschlag“, sagt Sven Ludwig, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO), die 19.500 Mitglieder vertritt. Nun soll es die Telemedizin richten. Wenigstens über die Feiertage. Kurzfristig hat die KV Nordrhein einen „Kindernotdienst per Videosprechstunde“ auf die Beine gestellt. Das Landesgesundheitsministerium finanziert das Projekt.
Von Heiligabend (24. Dezember, 10 Uhr) an bis Ende Januar 2023 ist eine Eltern-Hotline unter der Rufnummer 0211/59 70 72 84 mittwochnachmittags (von 16-22 Uhr) sowie an Wochenenden und Feiertagen (von 10 bis 22 Uhr) erreichbar.
Das Angebot ist kostenlos und man werde, so Sven Ludwig, auch keine besorgten Anrufer aus dem Bereich Westfalen-Lippe abweisen. Nach der Aufnahme der Daten im zentralen Callcenter erhalten die Eltern Link und Zugangsberechtigung zur Videosprechstunde über SMS oder Email Anrufende benötigen lediglich Smartphone, Tablet, Notebook oder einen Computer mit Kamera und Mikrofon. Die Installation einer zusätzlichen Software ist nicht erforderlich.
Gedacht für leichtere Infekte - Echte Notfälle werden weiter verwiesen
„Das Angebot richtet sich in erster Linie an Eltern von Kindern oder Jugendlichen, die an Infekten erkrankt sind, nicht weiter wissen und Beratung wünschen“, erklärt Ludwig das Konzept.„Echte Notfälle“ sollten nach wie direkt die 112 oder die 116117 wählen. Der Vorteil bei leichteren Erkrankungen liege aber auf der Hand: Mama oder Papa können am Bett der fiebernden Tochter oder des schniefenden Sohnes sitzen bleiben, ein Arzt kann sich dennoch „ein Bild“ von der Lage machen – nur eben per Video. Im Rahmen der telemedizinischen Sprechstunde sollen dann erste Maßnahmen besprochen und entschieden werden, ob der Besuch einer Kinder-Notdienstpraxis notwendig ist oder nicht
Man gehe davon aus, dass falls der Videoarzt Medikamente verordnet, diese rezeptfrei in der Apotheke erhältlich seien, so Ludwig. Benötige ein Kind nach Ansicht des Videoarztes eine rezeptpflichtige Arznei, „muss das über eine Praxis laufen“, erklärt Nina Hammes, KVNO-Justiziarin. Öffnungszeiten und Adressen der Notdienst-Praxen werde man den Eltern nennen.
Alle Schichten sind besetzt: „Gespannt, wie unser Angebot ankommt“
Kein Arzt, betonte Ludwig, arbeite gern an den Weihnachts-Feiertagen. Doch das Interesse sei „gut“ gewesen, alle Schichten für die Videosprechstunde seien besetzt, die teilnehmenden Ärzte werden gerade für ihre neue Aufgabe geschult. Sie sitzen während der Dienste übrigens in den Räumen der KV in Köln und Düsseldorf. Für die KV ist die Videosprechstunde auch ein Test. „Noch sind Videosprechstunden ja keine gelebte Praxis. Wir sind gespannt, wie unsere angenommen wird“, erläuterte Hammes. Unmittelbar nach den Feiertagen wolle man eine erste Zwischenbilanz ziehen.
Das Angebot beinhalte „das Potenzial, den kinderärztlichen Notdienst in der aktuellen Situation zu entlasten“, erklärte der KVNO-Vorstandsvorsitzende Dr. Frank Bergmann. Ein solches „virtuelles Wartezimmer“ sei „gleichzeitig auch mit Blick in die Zukunft ein höchst sinnvolles Angebot, das die ambulante Versorgung gerade an Wochenenden und Feiertagen ergänzen kann“.
Gesundheitsministerium finanziert das Projekt
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hofft, dass das neue, zusätzliche Behandlungsangebot die Notdienstpraxen während der Weihnachtstage tatsächlich entlastet. Ambulante Notdienst für Kinder- und Jugendliche sowie Kinderkliniken seien „aktuell durch die hohe Anzahl an Infektionskrankheiten durch RS-Viren, Influenza und Corona sowie die krankheitsbedingten Personalausfälle überlastet. Mit diesem zusätzlichen Beratungsangebot per Video sollen Eltern erkrankter Kinder eine weitere Anlaufstelle haben, die Orientierung zur Notwendigkeit und Dringlichkeit eines Arztbesuches bietet.“
Weitere Info: kvno.de/kindernotdienst
KVWL stockt Kapazitäten im Kinder-Notfalldienst auf
Eine andere Möglichkeit, den Notdienst für Kinder zu entlasten, beschreitet die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL): Von Heiligabend bis 11. Januar werden im KVWL-Gebiet kurzfristig zusätzlich 65 Haus- und Kinderarztpraxen für den Kinder-Notfalldienst öffnen, teilte die Vereinigung am Donnerstag mit. Allerdings müssten Eltern weiterhin mit Wartezeiten rechnen, teilte die KVWL mit.
„Das ist ein herausragendes Zeichen aus der Ärzteschaft", lobt Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL. Er danke allen Praxis-Teams dafür, das sie persönliche Entbehrungen auf sich nehmen und damit helfen, "ein Bollwerk vor den Kinderkliniken" zu bilden, deren Situation "derzeit wirklich dramatisch ist."
Insgesamt 120 zusätzliche Sprechstunden an zehn Tagen würden so im Verbandsgebiet zwischen Sauerland und Ostwestfalen angeboten, erläuterte Spelmeyer. Welche Praxen im Bereich Allgemein-, Kinder- und Jugendmedizin zeitweise zusätzlich öffnen, ist online nach Postleitzahlen geordnet auf dem Portal der KVNL unter diesem Link zu finden.
Drei Arztpraxen öffnen zusätzlich in Dortmund
In Dortmund werden drei Arztpraxen zusätzlich öffnen, geht aus der Liste hervor. Der Rücklauf sei „wie erwartet bescheiden“ ausgefallen, erklärte Dr. Prosper Rodewyk, Bezirkssprecher der KVWL. Eine Kinderarztpraxis ist laut Übersicht nicht dabei. Eltern kleinerer Kinder werden aufgefordert, die normalen Notfallpraxen oder die Ambulanz der Kinderklinik zu nutzen. Nötig scheint die Maßnahme in jedem Fall. „Alle laufen am Limit“, erklärt Rodewyk.
„Auch in den Arztpraxen gibt es hohe Krankenstände. In der Kinderklinik fällt zwischen zehn und dreißig Prozent Personal aus. Hinzu kommt, dass die Infektionssprechstunden einen höheren Aufwand bedeuten. Früher warteten zwanzig Patienten im Wartezimmer. Heute müssen einige vor der Tür oder im Auto warten. Die muss man dann anrufen, wenn sie dran sind. Das alles bindet auch zwei, drei Leute.“