Essen/Dortmund. Halbzeit für die Weihnachtsmärkte im Revier. Was Schausteller und Veranstalter nach den ersten Wochen Adventstrubel sagen.

Die große Drehorgel tönt aus dem Handy, eine Unterhaltung ist schwierig. „Ich ruf’ zurück“, ruft Albert Ritter in sein Mobiltelefon. Und als der Präsident des Deutschen Schaustellerbundes das wenig später macht, ahnt man schon, was er antwortet, wenn man ihn bittet, Halbzeitbilanz zu ziehen für die Weihnachtsmärkte im Revier. „Hier in Essen sind wir sehr zufrieden.“

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Nicht nur in Essen sind sie das. Denn überall in den großen Städten des Ruhrgebiets strömen die Menschen auf die Märkte. Sie schlendern und schlemmen, gucken und kaufen. „Und die meisten“, weiß Patrick Arens, der Vorsitzende des Schaustellerverbands Westfalen, „geben auch mal einen Euro mehr aus.“ Für Reibekuchen und Bratwurst ebenso wie für Schmuck oder die heimische Weihnachtsdekoration. Das kann Ritter nur bestätigen. „Viele Besucher sagen, dass sie sich dieses kleine Vergnügen nicht nehmen lassen wollen.“

Heftige Kritik in den sozialen Medien

Auf dem Kennedy-Platz in der Essener Innenstadt herrschte am Sonntag auf dem Weihnachtsmarkt grosses Gedränge. Foto: Dirk
Auf dem Kennedy-Platz in der Essener Innenstadt herrschte am Sonntag auf dem Weihnachtsmarkt grosses Gedränge. Foto: Dirk © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Manche wollen zwar nicht, müssen aber verzichten. Zu finden sind sie in den sozialen Medien, in denen sie klagen, „alles ist viel teurer geworden“, von „Unverschämtheit“ und „Wucher“ sprechen und behaupten: „Das können wir uns nicht mehr leisten.“

„Ich habe so etwas Ähnliches auch gelesen“, sagt eine Mutter, die mit ihren zwei Kindern am späten Nachmittag vor einer Pommesbude in der Dortmunder Weihnachtsstadt steht. 10,50 Euro hat sie gerade für drei Portionen Fritten bezahlt. „Klar ist das nicht billig“, sagt sie, „aber wir machen das ja auch nicht jeden Tag.“ Zwei- vielleicht dreimal kommt sie mit dem Nachwuchs zum Advent in die City, einmal noch geht es mit Ehemann und Freunden einen Samstagabend an den Glühweinstand. „Darauf wollen wir nach zwei Jahren Zwangspause wegen Corona nicht verzichten. Und so viel teurer ist es auch nicht geworden.“

Preise für Glühwein bleiben teilweise gleich

Tatsächlich sind die Preissteigerungen auf den meisten Märkten nicht sehr groß. Heißgetränk oder Bratwurst sind meist um 50 Cent, ganz selten auch mal um einen Euro teurer geworden. In Essen und Dortmund bleibt der Preis für den Glühwein – für viele Besucher offenbar ein wichtiger Indikator – sogar gleich und liegt bei 3,50 Euro beziehungsweise drei Euro. In Dortmund sei der Weihnachtsmarktbesuch in diesem Jahr insgesamt rund zehn bis zwölf Prozent teurer als im Vorjahr, hat Patrick Ahrens ausgerechnet. Für viele Aussteller ist das eigentlich zu wenig. „Aber“, sagt Ahrens, „wir dürfen die Besucher nicht durch zu hohe Preise von den Plätzen treiben.“

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Ritter nennt keine Prozente, aber eine Vorgabe: „Die Preise müssen so sein, dass die Stammgäste immer wiederkommen.“ Das tun sie in den ersten Wochen offenbar. Meistens am Wochenende. Da gibt es auf vielen großen Märkten kaum ein Durchkommen in den Gängen und die Bestellung des nächsten Glühweins wird zum Geduldsspiel. „Zu voll“ sind zwei Worte, die deshalb oft zu hören sind zwischen Kinderkarussell und Mandelstand.

Kleinere Märkte setzen auf „gute Aufenthaltsqualität“

In Gladbeck gab es am ersten Dezember-Wochenende den Nikolaus-Markt.
In Gladbeck gab es am ersten Dezember-Wochenende den Nikolaus-Markt. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Davon profitieren anscheinend viele der kleineren Weihnachtsmärkte in der Region, die in den vergangenen Jahren mit stetigem Besucherrückgang zu kämpfen hatten. „Bei uns ist die Aufenthaltsqualität besser“, ist etwa die Bottroper Kulturamtsleiterin Martina Schilling-Graef überzeugt. Nach den ersten Tagen habe sie jedenfalls „positive Rückmeldungen von vielen Anbietern“ auf den beiden Bottroper Märkten bekommen. Und das liege nicht nur an der Kunsteisbahn, die es erstmals in der Stadt gibt.

„Wir wollen weg vom kommerziellen Weihnachtsmarkt“, sagt sie und weiß auch, wie es werden soll in Bottrop: „So schön und heimelig wie möglich.“ Kleinere Veranstaltungen, ist sie überzeugt, „hätten den größeren Charme“.

Keine Konkurrenz sondern Ergänzung

So ähnlich sieht das auch Joachim Pawlenka, Veranstalter des Nikolausmarkts, der zweimal im Dezember in Gladbeck stattfindet. „Klein aber fein“ nennt er die „sehr familienfreundliche“ Veranstaltung, bei der er vor allem auf heimische Vereine und örtliche Händler setzt. „Mit den großen Märkten können wir ohnehin nicht konkurrieren. Das wollen wir aber auch gar nicht.“ Offenbar ist das auch nicht nötig. Das Debüt am vergangenen Wochenende ist jedenfalls so gut angekommen, dass Pawlenka den Nikolaus im kommenden Jahr gleich viermal kommen lassen will.

Außerdem, da sind Schilling-Graef und Pawlenka einer Meinung, schließe ein Besuch auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt ja nicht aus, dass man sich auch mal in Essen, Oberhausen oder Dortmund in den vorweihnachtlichen Trubel stürze. „Stimmt genau“, sagt Albert Ritter. Für ihn sind die kleineren Märkte dann auch keine Konkurrenz. „Sie sind eine wunderbare Ergänzung.“