Oberhausen. Übergewichtige Fußballer aus dem Ruhrgebiet wollen 2023 eine eigene Liga gründen. Denn im Normalbetrieb der Amateurligen fehlt ihnen Einiges.

Das Flutlicht strahlt auf den Platz des SC Buschhausen und erhellt gleich zwei wunderbare Welten des Fußballs. In der rechten Hälfte drehen an diesem kalten Abend die jungen Kerle der 1. Mannschaft ihre unermüdlichen Platzrunden, im linken Viertel machen sich Männer im besten Alter warm, kommen schnell in ein Spiel. „Beweg’ dich“, rufen sie schon mal, oder: „Da musst du dann auch draufgehen!“

Nicht weiter auffällig bei Fußballtraining. Die Pässe sitzen, das Stellungsspiel auch: Mit den zwölf oder 14 Männern steht jede Menge Erfahrung aus den Amateurligen auf dem Platz. Dann kamen die Kilos, schwanden ihre Einwechslungen und Einsatzzeiten. Aber in eine Liga wollen sie zurück, statt DFL heißt es bei ihnen allerdings: DÜL - „1. Deutsche Übergewichtigen-Fußball-Liga.“

Mindestens zehn Ligaspiele zwischen März und Oktober

Sich warmzumachen, gehört auf jeden Fall dazu.
Sich warmzumachen, gehört auf jeden Fall dazu. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Eigentlich ist der SC Buschhausen 1912 ja schon breit aufgestellt. 1. Mannschaft Bezirksliga, insgesamt drei Senioren-Mannschaften, 16 Teams in der Jugend, Hobbykicker, Minis, eine Damenmannschaft ist im Aufbau. 553 aktive Fußballer über alles, das ist sehr, sehr viel - und 16 bis 18 sind seit Mai noch dazugekommen: die „Big Boys“. Body-Mass-Index mindestens 27, aber auch deutlich größer. 100 Kilo+.

Und diese „Big Boys SC Buschhausen 1912“ haben fünf andere Vereine aus der Region für ihren Plan gewonnen. Sechs Mannschaften, das sind hin und zurück mindestens zehn Spiele zwischen März und Oktober. „Es geht darum, regelmäßig zu spielen“, sagt Sven Posberg, Abteilungsleiter Fußball im Gesamtverein und selbst ein Big Boy. Anstoß 2023.

„Schnelle Läufe eher nicht, wir sind vermehrt aufs Spielen angelegt“

Gegen durchtrainierte Normalgewichtige würden sie sich, Verzeihung, schwer tun, und andere Mannschaften nur aus solchen Brechern sind zu weit weg. Zwei in Kiel, naja. Immerhin: Ende Oktober gewannen die Big Boys ein Freundschaftsspiel gegen die Heavy Kickers aus Bork mit 6:3 - hier in Oberhausen-Buschhausen in der Nibelungen-Kampfbahn. Wo sonst? (Und ja, die Anlage heißt wirklich so).

Natürlich ist ihr Fußball anders. „Schnelle Läufe eher nicht, wir sind vermehrt aufs Spielen angelegt. Das verlernt man ja nicht“, sagt Ingo Wolter (36), der die Gruppe ins Leben rief. Und Haydar Haradag sagt einen Satz, den man in der geschwätzigen Welt des Fußballs vermutlich noch nie gehört hat: „Wer einmal nach vorne rennt und aus der Puste kommt, der ist was für uns.“

„Im Grunde bin ich nämlich ein echt guter Fußballer“

Sven Posberg ist Abteilungsleiter Fußball bei der SC12 und selbst ein „Big Boy“.
Sven Posberg ist Abteilungsleiter Fußball bei der SC12 und selbst ein „Big Boy“. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Man sieht es schon, die Stimmung ist gut. Sven Posberg nochmal: „Wenn ich auf dem Platz stehe, lachen immer alle, weil ich mich so wenig bewege. Am Ende habe ich dann aber doch meine fünf Tore gemacht. Im Grunde bin ich nämlich ein echt guter Fußballer. Nur die Kilos sind im Weg.“

Über die neue Liga werden sie bald mit dem Verband verhandeln: „Wir wollen ja auch Schiris.“ Denn es soll schon offiziell sein. „Wenn man Liga spielt, wird auch der Ehrgeiz wach, noch eine Schüppe draufzulegen“, sagt Ingo Wolter. Und wenn mehr solche Mannschaften entstehen, könnte man sogar an eine 2. Liga denken. Was für ein Antrieb: kicken um einen Aufstieg, kicken gegen den Abstieg - ein Traum!

Gegner aus Schwerte, Waltrop, Dortmund, Menden, Bork

Auch Ronny hat als Kind im Verein gespielt, dann lange in Hobbymannschaften, dann kamen Familie, Kinder und Kilos - wenngleich nicht ganz so viele. „Was soll ich bei den Alten Herren, mein Kumpel ist 52, der rennt da und kämpft“, sagt der 43-Jährige. Er hat gemerkt: „Mein Kopf will noch spielen wie früher, aber der Körper sagt Nö.“ Hier spielt er Mittelfeld und Torwart: „Erst laufe ich und sage dann, ich geh’ jetzt ins Tor.“ Lacht.

Die „Schweren Schwerter“ werden ihre Gegner sein. „Teutonia Vikings Waltrop.“ „Borussiafans im Training Dortmund.“ DJK Grün-Weiß Menden. Und die „Heavy Kickers“ aus Bork im Münsterland: „Ständig auf der Bank zu sitzen, macht ja auch keinen Spaß“, heißt es bei ihnen. Sie kennen aber auch noch andere Gründe für die Liga der Übergewichtigen: „Keine Ausgrenzung mehr, keine schiefen Blicke.“ Keine dummen Sprüche vom Gegenspieler: „Du trampelst den Rasen kaputt.“

Bis zu zwei Spieler unter BMI 27 dürfen eingesetzt werden

Der erhoffte Nebeneffekt ist: wieder etwas schlanker zu werden. Etwas. „Nach so langer Zeit weiß man: Von uns wird keiner so krass abnehmen, dass er raus rutscht“, sagt Posberg. Das wäre ja auch paradox: dass Mannschaften von Übergewichtigen eigentlich darum spielen, leichter zu werden und sich schnellstmöglich wieder selbst abzuschaffen.

Für den Fall, dass ein solcher Betriebsunfall droht, steht in den Statuten: Bis zu zwei Spieler, die unter BMI 27 rutschen, dürfen in einem offiziellen Spiel eingesetzt werden. Denn darum geht es ihnen ja: Sie wollen doch nur spielen.