Ruhrgebiet. Kamera-Autos scannen Kennzeichen von Wagen, ob die da parken dürfen: Digitale Parkplatzkontrolle kommt auf Revierstädte zu. Rechtliche Bedenken.

In Nimwegen sieht man sie schon seit Jahren fahren, in Breda, Schiedam - und in dieser Version in Amsterdam: rot-weiß lackierte, irgendwie offizielle Autos mit einer Rundum-Kamera auf dem Dach. Was sie damit im Schild führen, steht fairerweise auf den Türen: „Parkeercontrole“. Die Politesse kommt hier auf vier Rädern, das Knöllchen anschließend automatisch.

Leider kann man nicht ernsthaft behaupten, dass die Niederlande weit weg sind, und so schwappt die digitale Parkplatzüberwachung möglicherweise bald auch ins Ruhrgebiet: Ein solcher Beschluss ist gerade auf dem Weg durch die Gremien der Dortmunder Politik, er könnte Anfang 2023 fallen - falls rechtliche Bedenken überwunden werden.

Beim Bezahlen muss man zusätzlich sein Nummernschild eingeben

Typischer Verstoß: Besucher einer Großveranstaltung parken Anwohnerstraßen zu, wie hier in Mülheim.
Typischer Verstoß: Besucher einer Großveranstaltung parken Anwohnerstraßen zu, wie hier in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zunächst einmal funktioniert das System so: Wer parken will, muss sein Kennzeichen zusätzlich zum Bezahlen im Automaten oder einer App eingeben. Es landet in einer Datenbank, auf die auch das Auto Zugriff hat. Wenn es beim Filmen ein Nummernschild erwischt, dass nicht in dieser Datenbank gespeichert ist, geht es an die Bußgeldstelle - und schwupp. Wenn bezahlt ist (oder ein Rechtsstreit beendet), werden die Daten gelöscht.

So wirbt ein holländischer Anbieter auf scanacar.com: Man erreiche „zwei bis vier mal effektivere Parkraumkontrolle“, das Auto könne „große Entfernungen zurücklegen und lange Tage machen“. Scan-Autos führen in der Regel 15 Stunden am Tag und erreichen „je nach Verkehr und Art der Nachbarschaft 800 bis 3000 Autos“ - pro Stunde versteht sich.

Die Zusammenstöße mit erbosten Autofahrern entfallen

Für etwas beengtere Verhältnisse hat die Firma auch noch entsprechend ausgerüstete Fahrräder, Roller, Poller und Handgeräte im üppigen Angebot. Und sie verweist auf weitere Städte, mit denen sie schon ins Geschäfts gekommen ist: Oslo, Warschau, Haarlem; den Flughafen London-Heathrow.

Eine fleißige Politesse, ein rühriger Politeur schafft dagegen nur bis zu 300 Autos - am Tag. „Ein Scan-Fahrzeug soll zehn Teams á zwei Personen ersetzen“, heißt es beispielsweise aus Dortmund. Die würden freilich nicht andere personelle Löcher in der jeweiligen Stadtverwaltung stopfen - sie würden ja nun in der Bußgeldstelle gebraucht.

Denn viel mehr erfasste Fahrzeuge führen, darf man glatt annehmen, zu viel mehr erfassten Fahrern, die unglücklicherweise völlig vergessen haben, zu bezahlen. Dazu kommt: „Funktioniert der automatische Abgleich nicht, bewertet eine Person die gescannten Bilder“, sagt eine Mitarbeiterin des Dortmunder Ordnungsamtes in der Zeitung „Ruhr-Nachrichten“. Der Rückzug ins Kameraauto und ins Büro hat eine willkommene Nebenwirkung: Die üblichen fußläufigen Zusammenstöße mit hellauf empörten Falschparkerinnen sind dann Geschichte.

Bisherige Parkraumüberwachung „steinzeitlich und innovationsfeindlich“

Ein einziges Mal müsste das Kamera-Auto hier vorbeifahren, dann hätte es alle parkenden Pkw erfasst.
Ein einziges Mal müsste das Kamera-Auto hier vorbeifahren, dann hätte es alle parkenden Pkw erfasst. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

In Hamburg und vor allem in Berlin-Mitte ist der Testbetrieb etwas weiter, nachdem die dortige SPD eine „steinzeitliche und innovationsfeindliche“ Parkraumüberwachung beklagt hatte - also genau das, was in den Ruhrgebietsstädten noch Alltag ist. In Mitte fährt ein solches Auto also bereits, filmt aber bisher nur die allgemeine Parkraumnutzung und nicht einzelne Falschparker. Womit wir endlich bei den rechtlichen Bedenken sind.

„Ich habe ein großes Problem mit dem Überwachungsaspekt. Wenn die Daten erst mal da sind, werden sie früher oder später auch für etwas anderes gebraucht, wenn irgendwo eine Straftat stattfindet“, sagt etwa die Dortmunder FDP-Politikerin Antje Joest. Das letzte Beispiel ist gar nicht alt: Die Polizei hat in etlichen Fällen ja auch Corona-Kontaktdaten für Fahndungen ausgeschlachtet.

„Digitale Parkraumkontrolle“ steht im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien

Tatsächlich setzt das deutsche Recht dem Kamera-Gebrauch in der Öffentlichkeit enge Grenzen. Es müsste wohl in Bund und Land angepasst werden. Das sollte „dringend angegangen werden“, sagt die Denkfabrik „Agora Verkehrswende“, die sich für „klimaneutrale Mobilität“ einsetzt und die Sache also aus dieser Perspektive sieht.

„Es ist höchste Zeit für den Fotobeweis am Straßenrand“, sagt deren Direktor Christian Hochfeld: „Scan-Fahrzeuge können zu deutlich mehr Fairness führen, denn sie erlauben mehr Stichproben mit weniger Personalbedarf.“ Erfahrungen aus anderen EU-Ländern zeigten, dass der Datenschutz erhalten bleibe. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht jedenfalls: „Wir wollen eine Öffnung für digitale Anwendungen wie digitale Parkraumkontrolle.“ Zuständig wäre das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur - mithin die FDP.