An Rhein und Ruhr. Die Sorge wächst, dass sich viele Eltern das Schulessen für ihre Kinder nicht mehr leisten können. Cateringfirmen leiden unter steigenden Kosten.
Die Vernetzungsstelle für Kita- und Schulverpflegung der Verbraucherzentrale in NRW warnt davor, dass viele Eltern sich die Mahlzeit für ihr Kind in der Schule bald nicht mehr leisten können. „Es darf auf keinen Fall passieren, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr am Essen teilnehmen können. Jetzt sind Unterstützungsangebote von der Politik gefordert“, fordert Leiterin Christin Hornbruch.
Hintergrund ist die Ankündigung von Essens-Lieferdiensten, die Preise teilweise deutlich zu erhöhen. Auch der Elternverein in NRW verlangt Hilfe. „Essen ist eine Grundversorgung. Wir sind jetzt dringend auf Lösungen von der Politik angewiesen“, sagt Landesvorsitzende Andrea Heck. In Schweden etwa ist das Mittagessen für Schülerinnen und Schüler kostenlos. Einheitliche Preise für das Schulessen in Deutschland gibt es nicht. Im Schnitt hat es bisher drei Euro pro Tag gekostet. Im nächsten Jahr könnte es doppelt so teuer werden.
NRW-Ministerium prüft Entlastungen für Familien
Das Schulamt in Oberhausen geht davon aus, dass viele Eltern dafür kein Geld haben. Schon jetzt würden knapp 80 Prozent der Schulkinder in der Stadt finanzielle Unterstützung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Regierung erhalten. Anspruch darauf haben Empfänger von Sozialhilfe oder Wohngeld. Für Eltern mit geringem Einkommen gibt es außerdem den Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“. „Ich denke, dass die Anspruchsberechtigten immer mehr werden“, sagt Bereichsleiterin Ute Jordan-Ecker.
Auf Anfrage teilte das NRW-Familienministerium in Düsseldorf mit: „Die Menschen in unserem Land müssen in der aktuellen Krisensituation mit stark gestiegenen Lebenshaltungskosten kämpfen. Nordrhein-Westfalen prüft deswegen Entlastungen für Familien, zum Beispiel beim Essensgeld in den Kitas oder bei den Elternbeiträgen.“
Cateringfirmen kämpfen mit steigenden Preisen in vielen Bereichen
Die kletternden Preise wirken sich auch auf die Anbieter von Schulessen aus. Manche Firmen müssen eigenen Angaben zufolge ihre Preise fast verdreifachen, um wirtschaftlich zu arbeiten. Andere überlegen bereits, ihr Geschäft aufzugeben. Cateringfirmen kämpfen mit Kostensteigerungen in allen Bereichen: Lebensmittel, Energie, Transport und Personal.
Viele beteuern, die Preise nicht erhöhen zu wollen, es aber zu müssen. „Wir versuchen nur, die Kostenstruktur aufzufangen. Wir steigern nicht die Marge. Sonst müssten wir mit dem Preis noch höher gehen“, sagt zum Beispiel Andreas Bußmann, Fachbereichsleiter für Ernährung der Neuen Arbeit der Diakonie Essen. Mit dem Programm „Essen für Kids“ liefern sie jeden Tag rund 3000 Essen an Kitas und Schulen in Essen und Umgebung. Bisher hat eine Mahlzeit durchschnittlich 3,15 Euro gekostet. Ab Anfang November folgt eine Vertragsanpassung mit einem Aufschlag von 30 Cent – erst einmal.
Wie viel das Schulessen bald kosten könnte, kann Andreas Bußmann nicht einschätzen. Er erzählt: Die Lebensmittelpreise sind so in die Höhe geschossen, dass der Einkauf deutlich teurer geworden ist. Molkereiprodukte wurden um 30 Prozent erhöht. Öl, Fleisch und Getreide sind teilweise 40 Prozent teurer geworden. Hinzukommen höhere Transportkosten durch gestiegene Spritpreise. Ein weiterer Faktor, der sich auf den Preis auswirkt, sind die steigenden Personalkosten. In der ersten Jahreshälfte lag der gesetzliche Mindestlohn noch bei 9,82 Euro. Mitte des Jahres stieg er auf 10,45 Euro. Ab Oktober werden zwölf Euro pro Stunde fällig.
Viele Cateringfirmen sehen sich gezwungen, ihre Qualität zu verringern
Das Statistische Bundesamt gibt an, dass sich die Preise im Großhandel um fast 20 Prozent im August im Vergleich zum Vorjahresmonat erhöht haben. Dazu kommt ein Plus von knapp 55 Prozent bei festen Brennstoffen und Mineralölerzeugnissen. „Die Energiepreise haben wir noch gar nicht eingepreist. Wir haben langfristige Lieferverträge. Wenn die Preisbindung wegfällt, werden wir den Preis wieder erhöhen müssen“, sagt Bußmann.
Seine Befürchtung: „Wenn die Preise nicht explodieren sollen, werden viele Caterer über die Qualität gehen müssen.“ Bei der Neuen Arbeit ist das allerdings kaum möglich. Auch sie ist biozertifiziert. „Wir können nur den größten Kostentreiber minimieren und das ist Fleisch. Da haben wir die Grammzahl reduziert.“
Anbieter: „Ein normales Gericht ohne Fleisch und Bioanteil müsste 5,20 Euro kosten“
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Auch eine Cateringfirma aus Duisburg kämpft mit den Kosten. Schon im letzten Jahr hat die Frank Schwarz Gastro Group GmbH ihren Preis für eine Mahlzeit von 3,00 Euro auf 3,50 Euro erhöht. Vor Kurzem folgte eine Anpassung auf 3,90 Euro. „Das war längst überfällig und selbst dieser Preis deckt nicht ansatzweise unsere Kosten. Sie fressen uns wirklich auf“, sagt Sven Schwarz, der für das Schulessen zuständig ist.
Alleine ein Kilogramm Nudeln habe sich im Einkauf schon um 80 Prozent erhöht. Statt 99 Cent zahle er jetzt 1,69 Euro. „Für Rindergeschnetzeltes müssten wir den Kindern jetzt fast 13 Euro abnehmen. Wer soll sich das leisten? Das funktioniert doch gar nicht“, sagt der Familienvater. Auf preiswertere Produkte kann er kaum umsteigen. Die Duisburger Firma ist biozertifiziert und hat ein nachhaltiges Konzept mit regionalen Produkten. Wenn er wirtschaftlich handeln will, müsste er knapp 5,20 Euro verlangen – „und das wäre dann ein normales Gericht ohne Fleisch und ohne Bioanteile.“
Schon in der Corona-Pandemie hatten Cateringfirmen finanzielle Schwierigkeiten
Schwarz beklagt: Viele Schulen haben dafür kein Verständnis. Aktuell streitet er mit vielen Einrichtungen um die Preisanpassungen. „Sie wollen sie nicht akzeptieren, obwohl sie vertragskonform sind“, sagt Schwarz. Sein Chef habe nicht nur deshalb schon viele schlaflose Nächte hinter sich. Denn die finanziellen Schwierigkeiten von Cateringfirmen fingen schon mit der Corona-Pandemie an. Schulen waren geschlossen. Messen, Hochzeiten und Feiern waren auch nicht erlaubt. „Das Geld, was in den letzten zwei Jahren liegengeblieben ist, kann man gar nicht mehr reinholen“, erzählt Schwarz.
Wie es weitergehen soll, weiß er nicht. „Uns fehlt jegliche Planungssicherheit. Wenn das Geld nicht mehr reinkommt und wir noch draufzahlen, müssen wir uns notfalls von unserem Personalstamm verabschieden.“ Bisher beschäftigt die Firma rund Hundert Angestellte.
„Es kann nicht sein, dass Kinder in der Schule kein gutes Essen bekommen“
Auch Ali Turhan ist besorgt. Als „Onkel Ali“ bekocht er Schulen in Duisburg mit seinem eigenen Essen. Er müsste seine Preise fast verdoppeln, damit sich seine Kosten decken. Dazu muss er bald mit der Stadt verhandeln, mit der er seinen Vertrag geschlossen hat. Doch aus den Zwischentönen ist herauszuhören, dass er Angst davor hat.
„Wahrscheinlich sagen sie, ich soll mein Konzept verändern und andere Speisen anbieten“, sagt der Familienvater. Aber dann höre er lieber auf und suche sich einen anderen Job. „Es kann nicht sein, dass Kinder in der Schule kein gutes Essen mehr bekommen oder dass Cateringfirmen dicht machen müssen. Ich hoffe auf einen Kompromiss.“