Dortmund/Essen. Weil Schwimmhallen die Wassertemperaturen in ihren Becken senken mussten, fallen erste Babyschwimmkurse aus. Worüber sonst noch nachgedacht wird.
Energie sparen“ hat der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) den rund 90.000 Sportvereinen im Land empfohlen und auch gleich eine Zahl in den Raum geworfen. „20 Prozent“. „Finden wir gut“, heißt es bei fast allen Vereinsverantwortlichen. Ist aber leichter gesagt, als getan. Und: „Das geht nicht von heute auf morgen.“ Und in manchen Vereinen geht es gar nicht.
„Wir haben ja gar keine eigenen Anlagen“, sagt etwa Jörg Ludwig, 1. Vorsitzender der Märkischen Turngemeinde (MTG) Horst, dem größter Breitensportverein der Stadt Essen. Nur ein Vereinsheim. Und da spart die MTG schon, wo es geht. „Aber Sport treiben wir ja ausschließlich in städtischen Hallen.“ Wie dort die Heizung eingestellt wird, wie warm die Duschen noch sind – „das entscheidet am Ende die Stadt“. Wie sie entscheidet, weiß Ludwig noch nicht. Bisher sind die vereinbarten Hallennutzungsgebühren nicht geändert worden. „Aber die wird man anpassen“, macht sich der Vorsitzende keine Illusionen. Sinken werden sie nicht.
Nur ein Drittel der deutschen Sportstätten ist in privater Hand
Auch interessant
Die MTG ist kein Einzelfall. Nur ein Drittel aller Sportstätten in Deutschland ist im Besitz der Vereine, der Rest in kommunaler Hand. „Es gibt Abteilungen im Verein, da können wir nicht mal ein Prozent sparen“, sagt dann auch Frank Fligge, zweiter Vorsitzender des ASC 09 Dortmund. Überall da nämlich, wo in den Hallen der Stadt trainiert und gespielt wird.
Allerdings hat der Verein auch ein Clubheim und zwei eigene Stadien. „Da sind wir Herr im Haus.“ Und da habe man mit Hilfe des Förderprogramms „Moderne Sportstätten 2022“ schon etliche Energiesparmaßnahmen umsetzen können. LED statt Halogen, Photovoltaik auf dem Tribünendach: „Wir können die erhofften 20 Prozent wahrscheinlich erreichen.“
Alte Versorgungsverträge laufen nur bis Jahresende
Auch beim TSC Eintracht, dem mit 8000 Mitgliedern größten Breitensportverein der Stadt Dortmund, wird gerechnet. Ihm gehören unter anderem zwei Dreifachachsporthallen, vier Gymnastikhallen, Fußball- und Hockeyplätze und ein Fitnessstudio. „Da kommt was zusammen“, sagt Alexander Kiel, Vorstandsvorsitzender des Vereins. 200.000 bis 240.000 Euro mehr an Energiekosten im Jahr fürchtet Kiel, wenn die Verträge mit den Versorgern Ende 2022 auslaufen.
Auch interessant
Dabei ist der TSC energietechnisch sehr gut aufgestellt. Lange schon wurde die Beleuchtung in den Sportanlagen auf LED-Lampen umgestellt, es gibt ein effizientes Blockheizkraftwerk, der Hockeyplatz hat ein Drainage-System, mit dem Wasser aufgefangen und wiederverwendet werden kann und seit dem Frühjahr wird ein Sechstel des Strombedarfs via Photovoltaik durch Sonnenenergie erzeugt. „Wir hatten Glück, dass wir das vor dem großen Ansturm umgesetzt haben.“
„Aktuell ist technisch nichts mehr zu machen“
Sorgenlos geht der Verein dennoch nicht in den Winter. Natürlich werde es langfristig neue Projekte geben, um Energie zu sparen. „Aber aktuell ist technisch nichts mehr zu machen“, stellt Kiel klar. „Jetzt geht es nur noch mit Komfortverzicht“ – also kühleren Hallen, kälteren Duschen oder gedimmtem Licht. Im angemieteten Schwimmbad haben sie die Wassertemperatur schon von 32 auf 25 Grad senken müssen. „Das klingt erst mal nicht dramatisch, sagt Kiel, „ist für Babyschwimmkurse aber zu wenig.“ 70 Mitglieder hat der TSC deshalb auf einen Schlag verloren.
„Man muss sehr sensibel vorgehen“, weiß der Vorstandsvorsitzende. Deshalb hat der Verein eine Umfrage unter den Mitgliedern gestartet, um herauszufinden, was sie mehr und was weniger belasten würde. 400 haben geantwortet, 75 davon haben sogar eigene Tipps zum Energiesparen zurückgeschickt. „Die werten wir jetzt aus.“ Und eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge? „Bei uns noch kein Thema aber ich kenne viele Vereine, die bereits darüber nachdenken.“
„Härter als die Corona-Zeit“
Doch selbst das würde wohl nicht reichen, die Mehrkosten aufzufangen. „Wir brauchen Unterstützung aus der Politik“, sagt Kiel. Denn es geht ja nicht nur um Strom und Gas. „Alles wird teurer“, sagt Frank Fligge und nennt als Beispiel die Fahrtkosten zu den vielen Auswärtsspielen, die Einkaufspreise für das Catering bei Heimspielen aber auch den Dünger für den Naturrasenplatz im Waldstadion. „Der ist doppelt so teuer wie vor einem Jahr.“ Und Jens Wichtermann, Fachwart Schwimmen bei Blau-Weiß Bochum, zweitgrößter Schwimmverein des Landes, und Betreiber eines eigenen Bades, ahnt: „Das wird für viele Vereine härter als die Corona-Zeit.“
Das fürchtet der DOSB auch und will mit einer Umfrage verlässliche „Zahlen einsammeln“, um die Politik auf die Not aufmerksam zu machen. „Es geht jetzt wirklich ans Eingemachte“, warnt die stellvertretende DOSB-Vorstandsvorsitzende Michaela Röhrbein. Noch sei es nicht zu spät, um die Vereine in der Krise zu entlasten. Kiel spricht von einer Art Dreifaltigkeit. Die Vereine würden sparen, die Mitglieder ihre Komfortzone verlassen – jetzt müsse die Politik ihren Beitrag leisten. „Es darf“, sagt der Vorstandsvorsitzende, „auf keinen Fall wie bei Corona der Eindruck entstehen, der Sport sei nicht so wichtig.“