Dortmund/Düsseldorf. Vom Check-in bis zur Gepäckausgabe häufen sich die Probleme an den großen Flughäfen. Bekommen dadurch kleinere Airports Aufwind?

Die Hälfte der Ferien ist rum, das Flugchaos nervt weiter. Ein guter Teil wird derzeit von den Airlines selbst verursacht. Ihnen fehlt Personal, die Pandemie führt zu vielen Krankmeldungen, sie sind gezwungen kurzfristig Flüge zu streichen. Doch auch beim Check-in und den Sicherheitskontrollen gibt es weiter Engpässe. An den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn kommt es immer wieder zu stundenlangen Wartezeiten. Auch die Gepäckausgabe läuft alles andere als rund. Düsseldorf erwartet, dass „uns die jetzige Situation aller Voraussicht nach noch einige Wochen begleiten“ wird. An kleineren Flughäfen scheinen sich zumindest diese Probleme weniger stark auszuwirken. Wird das Abfertigungschaos Düsseldorf und Köln mittelfristig schaden? Wollen Airlines Verbindungen verlegen

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Die kurze Antwort: Danach sieht es nicht aus. Die lange: Tatsächlich sind gerade die kleinen Flughäfen überdurchschnittlich gut aus der Krise gestartet. Während Düsseldorf derzeit rund 70 Prozent des Vorkrisen-Passagiervolumens erreicht, feierte Dortmund nun den stärksten Juni in der Geschichte des Flughafens mit über 250.000 Reisenden. (Das liegt freilich in der Größenordnung, die Düsseldorf an einem Ferienwochenende abfertigt.) Bereits im März hat Dortmund seinen neuen Flugplan vorgestellt mit 50 Zielen in mehr als 20 Ländern – ein Plus von 30 Prozent im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Beides hat nichts mit dem aktuellen Abfertigungschaos zu tun, aber der Flughafen weist nicht ohne Grund darauf hin, dass „das Passagieraufkommen auch an den stark frequentierten Tagen zum Ferienbeginn gut bewältigt“ worden sei dank „guter Vorbereitung und dem Engagement aller Beteiligten“.

„Wenn sie gute Leute haben, müssen sie die halten“

Der Ferienbeginn war alles andere als entspannt.
Der Ferienbeginn war alles andere als entspannt. © FFS | Kai Kitschenberg

Worin diese Vorbereitung besteht, erklärt Guido Miletic, Leiter der Dortmunder Airport-Services: Anders als Düsseldorf bietet Dortmund fast alle Dienstleistungen aus einer Hand an statt über eine Vielzahl externer Gesellschaften, vom Check-in bis zur Gepäckabfertigung. In der Pandemie, sagt Miletic, habe man auf Kurzarbeit gesetzt und Löhne aufgestockt, um Mitarbeiter zu halten. „Wir zahlen immer Tariflöhne, bilden fort und versuchen Aufstiegschancen aufzuzeigen. Wenn sie gute Leute haben, müssen sie die halten.“ Er weiß, „die operative Performance“ ist ein Pluspunkt. Das Abfertigungschaos an anderen Flughäfen sei aber „erst mal kein Treiber“ für Verlegungen von Verbindungen. Die Fluggesellschaften hätten die Lage mitverursacht, „ihnen fehlt selbst eine unglaubliche Zahl an Mitarbeitern … Ich glaube nicht, dass es dort entsprechende Überlegungen gibt wegen eines problematischen Sommers.“

Das beurteilt man in Weeze anders. Hier hat bereits eine Fluggesellschaft angefragt, die vom ebenfalls überlastetet Amsterdamer Flughafen Schiphol ausweichen möchte. Denn auch aus Weeze sind keine übermäßigen Wartezeiten bekannt. Ob die neue Verbindung zustande kommt, ist noch offen. Aber Flughafensprecher Holger Terhorst glaubt grundsätzlich, dass „die Kunden künftig genauer darauf schauen, wo sie abfliegen. Durch eigenes Erleben und durch die Berichterstattung wird die Sensibilität etwas größer sein, welchen Flughafen man bucht. Da rücken die regionalen wie Weeze stärker in den Fokus.“ Der aktuelle Effekt dürfte aber nicht allzu groß sein, „die meisten haben ja vor den Ferien gebucht“. In der Krise werde die Stärke des dezentralen Systems in NRW deutlich, sagt Terhorst. „Wir haben ja sechs Flughäfen. Gerade wenn einzelne Airports überlastet sind, können die anderen sie entlasten.“

Kleine Flughäfen im Aufwind

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Tatsächlich diversifizieren einige Fluggesellschaften bereits stärker als vor der Pandemie, zumindest im Privatkundenbereich. Eurowings etwa fliege mittlerweile von 24 deutschen Flughäfen Mallorca an, erklärt Sprecher Florian Gränzdörffer. Von Paderborn, Saarbrücken oder Memmingen im Allgäu, von Flughäfen, die gemessen am Passagieraufkommen nur etwa halb so groß sind wie der Dortmunder. Bis vor kurzem galt das als nicht sinnvoll. Mit dem Abfertigungschaos hat es allerdings auch nichts zu tun. Dafür umso mehr mit den Einzugsgebieten. Hier glänzt Düsseldorf mit seiner Lage. Für über 18 Millionen Menschen ist der Airport gut erreichbar, selbst London oder Paris schneiden hier schlechter ab. „Aber Dortmund erweitert unser Einzugsgebiet nach Osten“, sagt Gränzdörffer.

Während große Linien wie die Lufthansa stark auf Verteiler wie München oder Frankfurt setzen, setzt die Lufthansa-Tochter Eurowings auf Direktverbindungen. „Die schiere Größe ist nicht entscheidend, sondern die Qualität der Verbindung.“ Das gilt besonders für das Segment „Friends & Family“, auch Heimatflüge genannt. Einen Teil seines Wachstums mit Verbindungen nach Kutaissi in Georgien, Ohrid in Nordmazedonien oder Plovdiv im Kosovo verdankt Dortmund der Vielfalt der Bewohner in der Region.

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Größe allerdings sticht in vielen Disziplinen. Denn Infrastruktur kostet: Catering, Technik, Wartung. „Wo wir noch gar nicht fliegen, müsste man das alles sehr aufwändig alles aufbauen“, sagt Gränzdörffer. Und wenn mal eine Crew ausfällt, steht in Düsseldorf eher Ersatz bereit als an kleineren Standorten. Auch darum ist es schwer für regionale Flughäfen neue Airlines zu gewinnen, eher wächst man mit denen, die bereits investiert sind. Kapazitäten gibt es hier jedenfalls – bei den Großen sind sie knapp.

Düsseldorf möchte Kapazitäten erweitern

Düsseldorf will schon lange deutlich mehr Flugzeuge abfertigen. Doch der Flughafen darf nicht. Aufgrund eines Kompromisses zum Lärmschutz, festgeschrieben in der Betriebsgenehmigung, darf er seine Landepisten nicht voll auslasten. Schon 2015 stellte der Flughafen einen Antrag: In der Hälfte seiner Betriebszeit möchte er pro Stunde 60 Starts und Landungen statt aktuell 47 abwickeln. Die Nachfrage ist nicht das Problem. „Das Interesse der Fluggesellschaften am Standort Düsseldorf ist nach wie vor sehr groß“, erklärt Flughafensprecher Marcus Schaff. „Die Reiselust der Menschen ist ungebrochen und unser Airport liegt zentral in einem bevölkerungsreichen Einzugsgebiet mit einer starken regionalen Wirtschaft. NRW braucht nach Ende der Corona-Pandemie mehr denn je einen starken Flughafen.“ Das Verfahren zur Kapazitätserweiterung hatte auch wegen der Pandemie geruht, ist aber längst entscheidungsreif. Und natürlich ein Problem für den Juniorpartner der neuen schwarz-grünen Landesregierung.