Bochum. Die Ruhr-Universität hat ein neues Forschungsgebäude eröffnet. Es steht da, wo Opel war. Viele spektakuläre Ansiedlungen folgen. Wer noch kommt.

Noch gibt sich das alte Opel-Gelände stellenweise zugeknöpft. Bauzäune, Sackgassenschilder, abgepollerte neue Straßen; dahinter erstreckt sich Baustelle bis zum Horizont - und dieser Horizont sind drei halbfertige Firmengebäude. Kräne heben, Bagger rollen, Männer bohren; Rohre formen Stapel, Erdaushub formt Hügel. Das Hinweisschild „Baustelle“ in der Zufahrt ist ein bisschen überflüssig.

Der kleine Vorort Bochum-Laer, in dem das alles geschieht und der gerade ein drittes Mal im Leben umgepflügt wird, schaut noch unsicher zu, wie aus Opel „Mark 51/7“ wird. „So viel aus meiner Jugend steht nicht mehr“, sagt der Erzähler René Frauenkron (57), der neulich seine Erinnerungen vorgetragen hat. Was er noch kennt, ist die katholische Kirche, allerdings entwidmet inzwischen - und die Straßenbahnschienen. Der Wandel schläft nie.

„In diesem Gebäude ist der Innovationsgeist spürbar“

Hier stand eine Halle von Opel: „Zess“ ist am Mittwoch eröffnet worden.
Hier stand eine Halle von Opel: „Zess“ ist am Mittwoch eröffnet worden. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Denn an einer Stelle auf Mark hat sich am Mittwoch der Staubschleier gehoben, den der Wind immer wieder über das Gelände treibt. Die Ruhr-Universität Bochum hat „Zess“ eröffnet, ein neues Forschungszentrum und der erste spektakuläre Bau hier. Es soll Disziplinen verknüpfen, indem es Forscher und Forscherinnen zusammenbringt unter einem gemeinsamen Solar-Dach. An der ihrerseits riesigen Universität kennen sie sich allenfalls als Fernbekanntschaft. Hier läuft man einander über den Weg.

„In diesem Gebäude ist der Innovationsgeist spürbar“, sagt Uni-Rektor Martin Paul - und sei es darin, dass „Zess“ etwa mit seinen Robotern kommunizieren kann, wenn irgendwas kaputt geht. Das dauert sicher noch, doch dann rollen sie los. Yes, Zess!

„Man verbindet alle Menschen und Systeme und vernetzt sie“

„Zess“ heißt übrigens „Zentrum für das Engeineering smarter Produkt-Service-Systeme“. Nein, das verstehe ich auch nicht, und ein Ministeriumsvertreter karikiert das am Mittwoch mit dem schönen Satz: „Creating knowledge that works, wie man hier im Ruhrgebiet sagt.“

Fragen wir doch Philipp Kulessa von den Maschinenbauern. Zess? „Man verbindet alle Menschen und Systeme und vernetzt sie“, sagt der. Ziel sei es, „dass sich die Aufgaben selbst steuern“. Beispiel: Der 3-D-Drucker meldet dem Transportroboter, dass er fleißig war, der Transportroboter mit Knick-Greifarm rollt los, hebt das Teil heraus, bearbeitet es unterwegs weiter und bringt es dann zu einer Scanbox, die prüft, ob die Qualität des Werkstücks stimmt. „Statt 50.000 Fotos von allen Seiten zu machen, legen wir das da rein und kriegen Ergebnisse“, sagt Robert Egel.

„Zess“ und weitere Ansiedlungen werden den Vorort Laer wieder stark verändern

Philipp Kulessa mit einem Kuka-Roboter, der aufnehmen und ablegen kann, transportieren und bearbeiten.
Philipp Kulessa mit einem Kuka-Roboter, der aufnehmen und ablegen kann, transportieren und bearbeiten. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

So haben sie hier viele Teilbereiche untergebracht, die irgendwie nach Zukunft klingen. Digitalisierung, Robotik, Informatik, Laser, Drohnen, smarte Gesundheitstechnik. Und das ist erst der Anfang. Auf dem Gelände werden sich VW und Bosch mit Tochterfirmen niederlassen, ein Zeiss- und ein Max-Planck-Institut, Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit Namen wie Think, Ceit, Keysight, Escrypt. Gemeinsam mit den Forschern und Forscherinnen sollen sie „Antworten geben auf die Fragen der Zeit, die vor uns liegt“, so Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD).

Und Laer? Jenseits der Fußgängerbrücke, die über eine überbreite vierspurige Bundesstraße führt, ist die traditionsreiche „Bürgerklause“ anscheinend geschlossen, eine Tränke der alten Opelaner. Das Ortszentrum dahinter ist angeschlagen, die 70er-Jahre-Sanierung hat der frühere Minister Christoph Zöpel mal „Fortsetzung des Flächenbombardements mit anderen Mitteln“ genannt.

Ein Jahrhundert lebte Laer von Zeche Dannenbaum und 50 Jahre von Opel

Von 1860 bis 1958 lebte Laer von der großen Zeche Dannebaum, dann wurde tabula rasa gemacht; 1961 bis 2014 lebte es vom großen Autobauer, dann wurde wieder tabula rasa gemacht. Von Dannenbaum gibt es gerade noch die Lohnhalle, und Opel ist präsent durch den „Opel-Ring“, einen große Kreisverkehr in Autobahnnähe.

Als jetzt aus dem Rathaus sickerte, der Opelring solle demnächst „Tsukuba-Ring“ heißen nach einer weitestgehend unbekannten Partnerstadt aus Japan, schüttelten die Leute mit dem Kopf und kamen auf „Sambuca-Ring“. Die Stadt hat Laer ein Entwicklungsprogramm verordnet, und vielleicht sollte man sich kümmern um die eigentlich beste Verbindung zwischen Laer und Mark 51/7. Jene Fußgängerbrücke läuft genau auf Zess zu, ist aber an dem Ende abgebrochen und gesperrt. Niemand kann rüber.