Ruhrgebiet. Eine Erbengemeinschaft kann sehr schnell entstehen. Das Gesetz fordert, dass sie Entscheidungen einstimmig treffen. Das kann zum Problem werden.
Selbst die oberflächlichste Recherche fördert schnell die schönsten Beispiele von absolutem Stillstand zutage. Das Mehrfamilienhaus in Duisburg, das seit Jahrzehnten leergestanden hat. Das Wohnhaus für Behinderte in Gladbeck, dessen Bau sich verschoben hat, weil der nötige Tausch von Garagen nicht zustande kam. Die verfallende Ruine in Mülheim, die die Stadt gesichert hat, damit sie nicht Passanten erschlägt.
Der Grund ist stets derselbe gewesen. Er heißt: „Erbengemeinschaft.“ Der Begriff hat etwas Warmes, Solidarisches, doch das führt entschieden in die Irre. Denn die Erbengemeinschaft ist sich entweder einig oder zu Blockade verdammt.
„Gemeinsam entscheiden, selbst wenn sie sich nicht leiden können“
„Streitigkeiten über ein Erbe haben schon manche Familien-Beziehung gestört, oder es sind Freundschaften daran zerbrochen“, heißt es noch sehr zurückhaltend beim Bundes-Justizministerium. „Konflikte sind programmiert“, weiß die Verbraucherzentrale NRW.
Und im „Ratgeber Recht Erbengemeinschaft“ steht dazu: Sie „kann viel Zeit und Nerven kosten, denn über viele Fragen müssen die Miterben gemeinsam entscheiden, selbst wenn sie sich nicht leiden können oder seit Jahren nicht mehr miteinander gesprochen haben“.
Vergessene Verwandte können die Dinge weiter komplizieren
Doch wie entsteht eine Erbengemeinschaft? Immer dann, wenn jemand stirbt und es keinen Alleinerben gibt, sondern mehrere Personen einen Erbteil haben. „Hat der Verstorbene kein Testament oder Erbvertrag hinterlassen, in dem er erklärt, wer seinen Nachlass mit welchem Anteil erhalten soll, ergibt sich aus der gesetzlichen Erbfolge, wer dazugehört“, so das „Deutsche Erbenzentrum“.
In der Regel sind das Ehe- und eingetragene Lebenspartner sowie die Kinder, doch selbst bei einem nur durchschnittlich munteren Lebenslauf können durchaus vergessene Verwandte auftauchen, die die Sache weiter komplizieren. Kinder aus vorherigen Beziehungen beispielsweise.
Wenn ein Miterbe während des Verfahrens stirbt, kommen dessen Erben ins Spiel
Das zu klären, gehört zu den frühen Aufgaben unserer Gemeinschaft - wie überhaupt das Erbe möglichst zügig aufgeteilt werden soll: Denn wenn ein Miterbe während des Verfahrens stirbt, kommen dessen Erben neu in die Runde.
Wem das alles zu negativ klingt, dem sei gesagt: Wenn die Erben sich gut verstehen und kompromissbereit sind, kann die Sache tatsächlich binnen weniger Monate zum Wohle aller abgewickelt werden. Wenn aber nur eine oder einer querschießt, wird es sehr, sehr ärgerlich. Deshalb raten auch sämtliche mit dem Erben befassten Institutionen, sich im Zweifelsfall fachanwaltliche Beratung zu holen. Denn die Sache ist kompliziert.
Klassischer Konflikt: Die gemeinsam geerbte Immobilie, die nur einer nutzt
Kompliziert sind vor allem zwei Bestimmungen: „Die Zustimmung aller Erben zu jeden Schritt ist prinzipiell erforderlich“, so der Ratgeber Recht. Und: „Jedem gehört ein Anteil an allem . . . Erst durch die einvernehmliche Verteilung erhält man konkretes Allein-Eigentum“. Und selbst wenn die Verteilung schiedlich-friedlich erfolgt, heißt sie auf juristisch ausgerechnet: „Erb-Auseinandersetzung.“
Das Problem sind: unterschiedliche Interessen. Ein klassisches Beispiel haben die Fachanwälte Günter Dingeldein und Martin Wahlers konstruiert: die gemeinsam geerbte Immobilie, die nur einer nutzt. Die Tochter hat die Eltern gepflegt, erwartet nach deren Tod etwas Anerkennung dafür und möchte wohnen bleiben.
Ihr lange zuvor ausgezogener Bruder hat aber nur gesehen, dass sie jahrelang mietfrei lebte, und möchte das Haus am liebsten verkaufen. Jetzt gehört es beiden, aber nur eine bewohnt es. Über den Wert des Gebäudes sind die beiden sowieso uneins. Und was nun?
Aufgeteilte Sammlungen verlieren normalerweise an Wert
Geld, Wertpapiere oder unbebaute Grundstücke aufzuteilen, gilt unter Fachleuten noch als leichtere Übung. Bei bebauten Grundstücke und Immobilien aber wird die Aufteilung entsprechend der Anteile sehr schwierig. Tatsächlich beginnt es schon bei Sammlungen: Aufgeteilte Sammlungen verlieren normalerweise an Wert, aber die Erbengemeinschaft muss ja den Wert des Nachlasses aufrecht erhalten.
So. Es gibt aber noch eine gute Nachricht: Man muss gar nicht Mitglied einer Erbengemeinschaft werden. Man kann das Erbe ausschlagen und sollte darüber nachdenken, wenn eh nicht viel zu erwarten ist und man keinen Spaß hat an jahrelangen Querelen und blutrünstigen Samstagnachmittagen. Es gibt auch noch andere Wege, aus der Erbengemeinschaft halbwegs unbeschadet herauszukommen. Aber selbst dafür können wir nur empfehlen: fachanwaltlichen Rat.