Essen. Die beiden angeklagten Frauen hatten auf eine Prostituierte eingeschlagen. Jetzt stehen sie wegen schweren Raubes vor dem Landgericht.

Zuerst hört es sich an wie ein mehr oder weniger harmloser Streit unter Prostituierten auf dem Essener Straßenstrich. Aber tatsächlich ist es ein schwerer Raub, den Staatsanwalt Volker Widhammer am Mittwoch den beiden Prostituierten vorwirft, die eine Kollegin überfallen haben sollen. Mindestens fünf Jahre Haft drohen ihnen laut Strafgesetzbuch.

Stanislava I. ist 29 Jahre alt und war in Deutschland zuletzt im Saarland gemeldet. Ihre Mitangeklagte Szezhana S. ist fünf Jahre jünger und hielt sich ohne festen Wohnsitz in Deutschland auf. Beide Frauen stammen aus Bulgarien, verdienen ihr Geld in Essen mit der Prostitution.

Straßenstrich auf dem Kirmesplatz

In der Anklage wird ihr Arbeitsplatz mit dem "Kirmesplatz" an der Gladbecker Straße eingeordnet. Tatsächlich diente die Örtlichkeit ja nur wenige Jahre dem Rummel mit den Angeboten der Schausteller. Seit 2009 ist dort der Straßenstrich angesiedelt mit den "Verrichtungsboxen". Seitdem gilt die Straßenprostitution in Essen als relativ sicher für die dort arbeitenden Frauen.

Offenbar geht Gefahr aber nicht nur von Freiern aus, sondern von den Kolleginnen, zeigt die Anklage. Am 17. Januar sollen die Angeklagten ihren Wohnwagen auf dem Platz verlassen haben, um eine aus Polen stammende Prostituierte, 28 Jahre alt, zu überfallen.

Lautstark Einlass gefordert

Sie sollen zum Wohnwagen des mutmaßlichen Opfers gegangen sein. Dort soll Stanislava I. lautstark durchs Fenster gerufen haben, die Frau solle die Tür öffnen. Als diese sich weigerte, soll die 29-Jährige eine Stange genommen haben, mit der das Fenster fixiert wurde.

Mit diesem Gegenstand, laut Gesetz das gefährliche Werkzeug, das aus einem einfachen einen schweren Raub macht, soll sie zunächst durch das Fenster nach der Kontrahentin geschlagen haben. Kurzerhand sei sie dann durch das Fenster in den Wohnwagen geklettert und das Handy der 28-Jährigen verlangt haben.

An den Haaren gezogen

Auch dieser Forderung kommt die Frau nicht nach. Mittlerweile ist auch Szezhana S. in den Wohnwagen gelangt, heißt es. Die beiden Bulgarinnen sollen gemeinsam auf die Polin eingeschlagen und weiter nach dem Handy verlangt haben. Als die 28-Jährige irgendwann zu Boden ging, sollen sie an deren Haaren gezogen haben.

Schließlich hätten sie das Handy in der Gesäßtasche der Frau entdeckt. Danach seien sie zurück zu ihrem Wohnwagen. Dort fand die mittlerweilte alarmierte Polizei das Handy. Das Opfer, so Staatsanwalt Widhammer, habe Schmerzen im Gesicht verspürt, außerdem seien der Frau Haarverlängerungen abgerissen worden.

Verteidigerin untersagt Nachfragen

Rechtsanwältin Bärbel Thies gibt für ihre Mandantin Stanislava I. eine Erklärung ab, ohne anschließende Nachfragen des Gerichtes oder der Staatsanwaltschaft zu erlauben. Richter Simon Assenmacher, Vorsitzender der XII. Strafkammer, weist sie zwar darauf hin, dass diese Einschränkung den Wert der Aussage abschwäche, aber das weiß die Anwältin natürlich.

Seit etwa sechs Monaten habe ihre Mandantin zum Zeitpunkt der Tat auf dem Straßenstrich gearbeitet. Mit der Polin habe sie zunächst ein gutes Verhältnis gehabt. Die Verteidigerin erklärt weiter, dass im November "von Männern" Schutzgeld gefordert worden sei. Und dass es zusehends ein Ärgernis war, dass die Polin für ihre Dienstleistungen viel zu niedrige Preise verlangt habe.

Streit um zu niedrige Preise?

Nur deshalb sei Stanislava I. am 17. Januar zu dem anderen Wohnwagen gegangen: "Sie wollte über die Preise reden." Dann sei das Ganze mit gegenseitigen Beschimpfungen eskaliert. Für die Mitangeklagte spricht deren Verteidiger Davide Alesci. Auch ihr sei es nur um die Preisgestaltung gegangen. Das Handy habe sie nur mitgenommen, um der anderen "eins auszuwischen". Also kein Raub, heißt das.

Das mutmaßliche Opfer zeigt sich verängstigt im Saal, die 28-Jährige muss ihren aktuellen Wohnort nicht nennen. Nein, um Preisgestaltung sei es nicht gegangen. Am Montag wird der Prozess fortgesetzt.