Ruhrgebiet. Bochum eröffnet eine Badestelle an der fließenden Ruhr. Viele Städte sind mit dem Plan gescheitert, doch jetzt tut sich etwas auch andernorts.

Mit seinem Stadtteil Dahlhausen hat Bochum besonders nah am Wasser gebaut. Kanu- und Angelverein sind hier zuhause, die Wasserfreunde und die DLRG. Freilich muss man auch sagen: Hochwasser erwischt den tiefergelegten Vorort immer zuerst. Doch erfreulicherweise kommt in dieser Geschichte nicht die Ruhr zu den Menschen, sondern die Menschen gehen in die Ruhr. Schwimmen. Endlich.

Die Einladung zum Pressegespräch am heutigen Dienstag platzt erkennbar vor Stolz: „Bochum wird die erste Stadt in NRW mit einer offiziellen Badestelle direkt an der fließenden Ruhr.“ 200 Meter lang, 20 Meter in den Fluss hinein. Einstiegstellen sind vorhanden, Liegewiesen ohne Ende, Bojen und Hinweistafeln kommen noch, eine Aufsicht wird es nicht geben. Die vielen Gänse? Wird man sehen. Eröffnung: im Sommer. Viel Spaß!

Bisher gibt es eine einzige vergleichbare Stelle - im Baldeneysee

Hier in Bochum-Dahlhausen können in einigen Wochen Menschen baden gehen - „ein neues, attraktives und kostenloses Freizeitangebot“, so die Stadt.
Hier in Bochum-Dahlhausen können in einigen Wochen Menschen baden gehen - „ein neues, attraktives und kostenloses Freizeitangebot“, so die Stadt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Der Stolz ist erklärbar, denn viele Ruhrgebietsstädte arbeiten seit ebenso vielen Jahren daran, dass die Leute wieder in der Ruhr baden können. Doch sie scheitern damit regelmäßig. Bisher gibt es eine einzige Stelle in Essen, im Baldeneysee, wo Schwimmer und Schwimmerinnen sich in einem abgegrenzten Bereich austoben können - wenn der ständig und mehrfach gemessene Bakteriengehalt des Wassers es zulässt. Hier kommt es zu etwa 70 bis 90 wunderbaren Badetagen pro Saison, seit die Stelle 2017 eröffnet wurde.

Dabei zeigen ungezählte Fotos aus den 1900er- bis 1960er-Jahren schwarz auf weiß dutzende bis hunderte glücklich planschende und schwimmende Menschen in erlaubten Flussbadeanstalten. Witten, Hattingen, Bochum, Essen. Dass sie sich da möglicherweise selbst gefährden, interessiert dabei zunächst weniger als das anstößige gemeinsame Baden von Männern und Frauen. Jedenfalls werden diese Badeanstalten in den 50er- und 60er-Jahren nach und nach verboten wegen „nicht mehr tragbarer hygienischer Missstände“, so der Ruhrverband damals.

„Dass ich meine Kindheit überlebt habe, grenzt offenbar an ein Wunder“

Vorübergehend gelten noch Ausnahmegenehmigungen, schließlich nicht mehr. Das Problem: Keime und industrielle Abwässer. Andere Chroniken berichten, die Badenden von Hattingen hätten an kühleren Tagen gezielt den „Golfstrom“ angesteuert - das abgelassene, wärmere Kühlwasser des gigantischen Hüttenwerks Henrichshütte. „Dass ich meine Kindheit in den 60ern überlebt habe, grenzt offenbar an ein Wunder“, erinnert sich ein Mann ironisch, der in der Ruhr schwimmen gelernt hat. Er lebt.

Heute ist die Wasserqualität wieder deutlich besser, aber abschnittsweise sehr unterschiedlich. Auch die Sicherheit ist ein Thema. So sind die einschlägigen Pläne in Witten gescheitert, hatte die Feuerwehr in einer internen Arbeitsgruppe gewarnt, der Fluss sei „zu keinem Zeitpunkt und an keiner Stelle berechenbar“.

„Wir wollten es möglich machen, aber es geht nicht“

Gemeinsam mit Hattingen und der „Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr (FMG)“ untersuchten sie dann ein mögliches „Naturfreibad Kemnader See“. Ergebnis: „Wir wollten es möglich machen, aber es geht nicht“, so der FMG-Geschäftsführer Jürgen Hecht. Dabei ist seine Nähe zum Wasser verbürgt: Hecht ruderte im Gold-Achter der WM 1991.

Zuvor war der See im Detail seziert worden. Hier zu schlechte Wasserqualität, dort zu starke Strömung, und an einem dritten Abschnitt - zu geringer Wasserstand. Und weiter: Hier das Ufer zu steil, dort keine Park- und Rettungsmöglichkeiten, und an einem sechsten Abschnitt - zu viel Motorschiffs- und Segelbootverkehr. Naturfreibad Kemnader See? Zu Tode geprüft.

Auch Mülheim hat eine Badestelle genehmigt bekommen

Bis in die 1960er-Jahre hinein gab es längs der Ruhr etliche sogenannte Flussbadeanstalten wie hier am Wehr in Bochum-Dahlhausen. Die baldige Badestelle liegt wenige hundert Meter flussabwärts.
Bis in die 1960er-Jahre hinein gab es längs der Ruhr etliche sogenannte Flussbadeanstalten wie hier am Wehr in Bochum-Dahlhausen. Die baldige Badestelle liegt wenige hundert Meter flussabwärts. © Karsten Römhild | Karsten Römhild

Andererseits tut sich jetzt etwas 30 Kilometer westlich, in den Ruhr-Auen von Mülheim. Als Vertreter der Stadt und der Bezirksregierung eine Freizeitanlage am Ruhrstrand überprüfen wollten, „da hat uns die Bezirksregierung gesagt, dass wir ruhig auch schon die Badestelle mit beantragen sollen“, erinnert sich Martina Ellerwald, die Leiterin des Mülheimer Sportservice: „Da waren wir natürlich alle freudig erstaunt.“

Die Genehmigung ist inzwischen geschrieben, gültig für drei Jahre. „Wir sind sehr glücklich, dass unsere langjährigen Bemühungen endlich Früchte tragen“, sagen Sportpolitiker der Stadt. Doch trotz Genehmigung: Vor 2023 wird das nichts. Es gibt offene Fragen der Finanzierung. 135.500 Euro sind errechnet, etwa dafür, einen Zaun zu bauen und alte Schuttsteine wegzukriegen, die beim Einstieg stören würden.

In Bochum jedenfalls freuen sich die wasser-affinen Nachbarn auf die Badestelle. „Sie kann sogar positiv sein, wenn sich das Schwimmen dort konzentriert“, sagt Torsten Kelle von der DLRG: Die Stadt habe „die Stelle mit dem geringsten Risiko ausgesucht“. Der Sommer kann kommen. Die Badegäste kommen bestimmt.