Duisburg/Mülheim. Über 33.000 Landwirte gibt es in NRW. Sie erleben eine der größten Krisen seit Jahrzehnten. Das könnten auch die Verbraucher zu spüren bekommen.

Er will nicht jammern, sagt Reinhard Mosch, Ackerbauer aus Duisburg. „Bringt ja nichts.“ Das tut es nicht, es wäre dennoch nachvollziehbar. Bei dem Duisburger und vielen der anderen rund 33.000 Landwirte in NRW. Denn sie stecken in einer der größten Krisen der letzten Jahrzehnte. Und diese Krise hat nicht erst mit dem Konflikt in der Ukraine begonnen.

Landwirt Hermann Terjung bei der Arbeit
Landwirt Hermann Terjung bei der Arbeit © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Erst die Hitzesommer, dann Corona-Lockdowns „und gerade als es wieder aufwärts geht, kommt dieser Scheiß-Krieg“, fasst der 62-jährige die letzten Jahre zusammen. Und der macht alles ungewiss. „Wir können nicht mehr nach vorne denken“, sagt Mosch. „Man fragt sich, wie es weiter gehen soll“, hat auch Hermann Terjung, Ackerbauer aus Mülheim festgestellt. „Aber man findet derzeit keine Antwort.“

14.000 Euro mehr für Diesel im Jahr

Was sie wissen auf den Höfen im Land, ist, dass alles teurer geworden ist. Nicht ein bisschen, sondern „richtig teuer“, bestätigt Terjung. Der Diesel zum Beispiel. Gut 15.000 Liter braucht der 49-Jährige davon jährlich für seine Traktoren, Mähdrescher und Gabelstapler. „Das kostet mich nach der Preissteigerung 14.000 Euro mehr als im Vorjahr“, hat er überschlagen. „Das ist schon eine Hausnummer.“

Oder der Dünger, bei dessen Produktion das Erdgas der entscheidende Kostenfaktor ist. Er kostete, hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet, im März 87,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Eine Zahl, über die Mosch nur lachen kann. Bis zu 500 Prozent betrage die Preissteigerung in Einzelfällen“, sagt er. „Sofern es überhaupt noch etwas gibt.“ Wenn es das tut, erzählt auch Terjung, „fragt man gar nicht mehr nach dem Preis, sondern greift zu. Wir brauchen den Dünger ja.“

Es fehlt die Gülle zum düngen

„Im Augenblick zählt jedes Korn“, sagt Landwirt Reinhard Mosch .
„Im Augenblick zählt jedes Korn“, sagt Landwirt Reinhard Mosch . © Funke Foto Services | Jörg Schimmel

Genau wie Schweinezüchter Futtermittel. Auch die sind um ein Vielfaches teurer geworden, während der Preis für Schweinefleisch immer tiefer gefallen ist. „Viele haben ihre Ställe verkleinert oder ganz drangegeben“, weiß Terjung. „Und uns fehlt jetzt die Gülle zum Düngen.“ Auch Netze und Garn, um die Ballen zu wickeln sind zu einem raren Gut geworden. Und Reifen für die Traktoren erst. Gibt es kaum noch und wenn, sagt Mosch, „dann zahlen Sie dafür mehr, als ein Kleinwagen kostet.“

Besonders ärgerlich: Viele Bauern haben einen Teil ihres Getreides aus dem Vorjahr bereits „in der Ernte verkauft“, also noch bevor es eingefahren war. 160 bis 180 Euro die Tonne haben sie dafür bekommen. „Das war nach Corona ein guter Preis“, sagt Terjung. Jetzt ist es ein schlechter. „Zurzeit bekommt man 400 Euro die Tonne.“

„Im Augenblick zählt jedes Korn“

Genau das allerdings könnte den heimischen Ackerbauern helfen. Denn durch die ausfallenden Getreide-Exporte aus Russland und der Ukraine bei zumindest gleichbleibender Nachfrage aus allen Teilen der Welt, dürften die Preise weiter steigen. „So traurig es ist“, sagt Terjung, „wir könnten vom Getreidemangel tatsächlich profitieren.“ Mosch sieht das ähnlich und kann nicht verstehen, dass die sogenannten ökologischen Vorrangflächen, die aus Klimaschutzgründen frei bleiben sollen, nun nicht wieder für die Erzeugung von Lebensmitteln freigegeben werden. „Im Augenblick zählt jedes Korn.“

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Die große Frage, so der Duisburger, sei doch, wie weit die Bauern dadurch steigende Preise für ihr Getreide die gestiegenen Erzeugerkosten kompensieren können. Komplett, da sind sich meisten Landwirte einig, wird das nicht funktionieren. Also wird es teurer für den Verbraucher? Terjung, der einen Teil seiner Produkte auch über einen Verkaufswagen auf dem Wochenmarkt anbietet, zögert. „Da muss man vorsichtig sein, die Konkurrenz ist groß. Und wenn nicht alle erhöhen, wird es schwierig.“

Grundnahrungsmittel werden nicht knapp

Auch Mosch, der zusätzlich einen Hofladen betreibt, will keine genaue Prognose wagen. Von einer Sache allerdings ist er überzeugt. „Die Menschen werden sich umstellen müssen.“ Indem sie etwa weniger Fleisch essen. „Ob uns Landwirten das passt, spielt keine Rolle, wir müssen damit klar kommen.“

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So ernst die Lage auch ist, hoffnungslos ist sie noch lange nicht. Verbraucher müssten sich keine Sorgen machen, dass Grundnahrungsmittel knapp werden, stellt Udo Hemmerling, Vize-Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes ein der vergangenen Woche einmal mehr klar. „Viel wird davon abhängen, wie gut die Ernte in diesem Jahr wird“, sagt Terjung. Gedanken macht ihm da zunächst das Wetter. „Wenn es nicht bald wieder regnet, könnte es das gewesen sein.“

Hauptsache, die Maschinen halten

Auf die Ernte im Herbst 2022 setzen die Bauern große Hoffnung
Auf die Ernte im Herbst 2022 setzen die Bauern große Hoffnung © dpa | Jens Büttner

Noch größer ist eine andere Sorge. „Wenn eine unserer Maschinen jetzt kaputt geht, lässt sie sich vorläufig nicht mehr reparieren“, hat Mosch bei mehreren Anfragen erfahren. „Es gibt nämlich keine Ersatzteile zurzeit.“ Terjung kennt das Problem und auch ihm bereitet es Alpträume. „Wenn das Getreide reif ist und man kann es nicht ernten, das ist das Schlimmste, was einem Landwirt passieren kann.“