Duisburg/Oberhausen. In Duisburg stehen zwei Maurer vor Gericht: Der eine soll Affen gehalten und gequält, der andere drei Tiere aus dem Zoo Krefeld gestohlen haben.
In einem Mehrfamilienhaus in Oberhausen wohnten mehr als 100 Affen. So stand es in den Papieren, so war es bekannt in der Stadt: Es lebte hier ein Züchter. Aber als das Zollamt anrückte im August 2018, mit Zweifeln, einer Tierärztin und einer Menge Personal aus drei Tierparks – da waren die Affen fort. Bis auf 14 tote Tiere in einer Tiefkühltruhe. Nun steht der Halter vor Gericht: Er soll die Äffchen vernachlässigt, gequält, ihre Zertifikate gefälscht haben. Und einen weiteren Angeklagten angeheuert, ihm drei weitere zu stehlen aus dem Krefelder Zoo.
In Krefeld vermissen sie die drei Goldenen Löwenäffchen immer noch, die in einer Julinacht 2015 aus ihrem Gehege verschwanden. Obwohl der Zoodirektor selbst in akribischer Detektivarbeit nach ihnen gefahndet hat. Sie müssten jetzt 18 und elf Jahre alt sein – wenn sie noch leben – , ein Pfund schwer und kaum mehr als 30 Zentimeter groß. „Wie der Affe von Pippi Langstrumpf“, beschreibt ein Zeuge vor dem Duisburger Amtsgericht. Und so selten: „Fürs Zuchtprogramm“, sagt eine Zoomitarbeiterin am Rande des Prozesses, „fehlen sie jedes Jahr.“ Klein und niedlich, so sehen sie auf Fotos aus, dabei seien sie „keine Kuscheltiere“. Möglich, dass die Kinder des Angeklagten da etwas falsch verstanden haben; ein anderer Zeuge schildert, ein Affe habe im Kinderbett geschlafen, „sie waren Freunde“.
Papiere der seltenen Wildtiere sollen gefälscht worden sein
Was aber wollte irgendjemand wirklich mit dem wertvollen Trio? Das Verfahren wirft ein seltenes Schlaglicht auf eine Szene, die mit teuren Wildtieren handelt, offenbar europaweit. Fünfstellige Beträge sollen dort für seltene Äffchen bezahlt werden, die vom Aussterben bedroht sind. Sein Freund habe „unwahrscheinlich nachgezogen“, sagt ein anderer Züchter in Duisburg bewundernd, „wahnsinnig“ sei das gewesen. Nur wie, wo er doch nachweislich gar keine Elterntiere hatte? „Sie waren auf einmal da“, wundert sich die Beamtin vom Zoll. Inzucht habe der Beschuldigte zugegeben, heißt es vor Gericht, so könnte zu erklären sein, warum einige „Goldene Löwen“ schwarze Gesichter hatten – was sie noch wertvoller machte. Überlebt aber hätten diese Exemplare nie lange.
Also könnten die Artenschutz- und Vermarktungsbescheinigungen nicht echt gewesen sein, die Affen waren also Illegale, gewissermaßen – obwohl Züchter und Bestand von den Behörden regelmäßig überprüft worden seien. Alle Papiere, sagt die Beamtin vom Zoll, seien ungültig gewesen, „sie hätten niemals ausgestellt werden dürfen“. 225 Affen im Laufe der Jahre: alle nicht gemeldet, falsch gemeldet, weg. (Es heißt, die letzten seien nach Polen verkauft, 30.000 Euro dafür aber nie gezahlt worden.)
Anklage: Tiere bekamen nicht genug Wasser und Futter
Das allein ist schon ein Straftatbestand, noch schwerer aber wiegt – neben dem Diebstahl – wie der 70-jährige Angeklagte mit den Tieren umgegangen sein soll. „Erhebliche Schmerzen und Leiden“, so formuliert es der Staatsanwalt, habe der mutmaßliche Tierquäler ihnen zugefügt. Nicht nur, dass er die Gehege selten gereinigt haben soll, er habe den Affen auch nur selten Futter gegeben, sie sommers wie winters extremen Temperaturen ausgesetzt, teils ohne frisches Wasser. Nicht wenige sollen deshalb verendet sein.
Ein halb gelähmtes Äffchen habe er in seinem Dreck vegetieren lassen, anderen die unter das Fell implantierten Transponder mit ihren Nummern ohne Narkose herausoperiert und die Wunden mit Sekundenkleber verschlossen haben. In seinem Kühlschrank fand die Zöllnerin Narkosemittel: Damit habe der Maurer nach eigener Aussage die Affen „schlafen gelegt“, um Verletzungen zu nähen, bei einer ersten Vernehmung habe er selbst gesagt: „Das ist nicht so gelungen.“ Vor Gericht wiederholt der Angeklagte nichts davon, er lässt seine Jacke über Jackett und Oberhemd lange an, dreht seine Brille den abgearbeiteten Händen, hört offenbar schlecht.
Nachbarn, die von der Richterin erst Ende April gehört werden, sollen der Zöllnerin erzählt haben, wie sie die Käfige an heißen Tagen abspritzten, „damit die Affen wenigstens was lecken konnten“, wie Gliedmaßen an kalten Tagen abfroren. Wie der Besitzer versuchte, sie einzufangen, indem er „brutal“ mit dem Kescher wedelte, wie seine Kinder sie „als lebendes Spielzeug benutzt“ haben. Wer ihn darauf ansprach, sei bedroht worden, seine Lebensgefährtin, die die Anlage bis 2017 liebevoll versorgte, sei nicht mehr gekommen, nachdem er sie geschlagen habe.
Maurer aus Oberhausen hatte früher Kanarienvögel
Der mitangeklagte 39-jährige Familienvater sagt an diesem ersten Verhandlungstag ebenfalls kein Wort. Er soll die drei Krefelder Äffchen geklaut haben und außerdem eine Schildkröte aus dem Duisburger Zoo: im Kinderwagen seiner Tochter. Ihm, der ebenfalls Maurer ist, wird nachgesagt, schon früher im Oberhausener Kaisergarten Tiere und Gegenstände entwendet zu haben. Dem Halter der Tiere selbst traut nicht einmal sein Züchterfreund den Diebstahl zu: „Das soll der alte Zottel machen?“ Man müsse nämlich flink sein, um Affen zu fangen, sagt er über den 70-Jährigen, dem er erst gezeigt habe, „wie man Affen hält“ (der Maurer hatte früher Kanarienvögel).
Das Geld allerdings für seinen Affenstall hat der Angeklagte auch erstmal aufbringen müssen. 6000 Euro im Monat, rechnet die Zöllnerin vor, habe das gekostet. Als Einkommen gibt der Mann eine kleine Rente und zwei Nebenjobs an.