Neuss. Händler von Wohnmobilen berufen sich auf gestiegene Kosten und wollen bereits bestellte Fahrzeuge Tausende Euro teurer verkaufen. Geht das?
Eigentlich wollten Ursula Redetzke und ihr Mann Volker in diesen Tagen in Urlaub fahren, eine erste Tour mit dem neuen Wohnmobil machen, das sie im letzten Sommer bestellt haben. Doch das könnte knapp werden. Zwar ist das bestellte Auto mittlerweile ausgeliefert, aber der Händler will plötzlich ein paar Tausend Euro mehr dafür. Und das ist kein Einzelfall.
„In den Beratungsstellen der Verbraucherzentrale NRW häufen sich Beschwerden über nachträgliche Preiserhöhungen“, bestätigt die hauseigene Juristin Iwona Husemann. Auf einschlägigen Internetforen geht die Zahl der Betroffenen in die Hunderte und wächst von Tag zu Tag. Allein Matthias Böse, Rechtsanwalt aus Neuss, unter anderem spezialisiert auf Wohnmobilrecht, hat derzeit rund 60 ähnliche gelagerte Fälle. „Seit Ende 2021 wird das Thema immer größer.“
Erst Lieferschwierigkeiten, nun soll der Preis steigen
Kurz vor Jahresende beginnt auch bei Redetzkes der Ärger. Da meldet sich der Händler aus Hessen, bei dem sie auf dem Düsseldorfer Caravan Salon im vergangenen August ihr Wohnmobil geordert hatten. Ein Giottiline Therry soll es sein, Messepreis – so wie das Paar das Modell haben will – rund 63.000 Euro. Liefertermin im Dezember.
Doch statt des Autos kommt da nur eine Anruf des Händlers. Die Lieferung verzögere sich. „Nicht schlimm“, sagt Ursula Redetzke, „wir sind ja keine Wintercamper.“ Frühlingscamper sind sie in diesem Jahr allerdings auch nicht. Zwar ist das bestellte Wohnmobil mittlerweile beim Händler eingetroffen aber der will nun plötzlich 4000 Euro mehr für den bestellten Wagen. In anderen Fällen, weiß Böse, „geht es sogar um fünfstellige Beträgte“.
„Sie können ja vom Kauf zurücktreten“
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Warum genau das Auto plötzlich im Preis gestiegen ist, sagt der Händler laut Redetzkes nicht, flüchtet sich stattdessen in Allgemeinplätze. „Sie wissen ja, ist alles teurer geworden.“ Und dann bietet er noch eine Alternative an: „Sie können auch gerne vom Kauf zurücktreten.“ Für das Ehepaar aus dem Rheinland kommt genau das allerdings nicht in Frage. „Wir wollen das Wohnmobil ja. Aber zu dem Preis, zu dem wir es bestellt haben. Steht ja auch nirgendwo im Vertrag, dass es für uns teurer werden könnte. Deshalb haben wir uns einen Anwalt genommen.“
„Es gibt im vorliegenden Fall - warum auch immer - keine Preisanpassungsklausel“, bestätigt Böse und nennt die Anrufe des Händlers „einen netten Versuch“. Genau wie das Angebot, vom Kauf zurückzutreten. „Darauf lauern Händler nur, um Fahrzeuge dann mit happigen Aufschlägen weiterverkaufen zu können.“ Ursula Redetzke weiß das. „Wenn wir abspringen, stehen schon 17 andere und wollen das Auto haben.“
Strenge Anforderungen an Preisanpassungsklausel
Denn die Nachfrage ist groß. Mit insgesamt rund 107.000 Neuzulassungen von Freizeitfahrzeugen im Jahr 2021 werden Campingreisen in Deutschland immer beliebter. Mehr als 82.000 Reisemobile und über 25.000 Caravans wurden im vergangenen Jahr zugelassen.
Grundsätzlich, so der Jurist weiter, ermögliche es so eine „Preisanpassungsklausel“ Händlern natürlich, eine nachträgliche Preiserhöhung geltend zu machen. „Das gilt nicht nur beim Wohnmobilkauf, sondern in vielen Fällen.“ Erste Bedingung ist, dass die Lieferzeit mehr als vier Monate beträgt. Aber das alleine macht die Klausel nicht rechtens. „Der Bundesgerichtshof hat da hohe Voraussetzungen geschaffen“. Und die, so Böse erfülle längst nicht jeder Vertrag. „Da wird viel Blödsinn vereinbart.“
So dürfe es die Klausel nicht ermöglichen, den Gewinn des Händlers zu steigern. Und wenn sie in der Höhe nicht vorhersehbar war, muss schon beim Vertragsabschluss ein Rücktrittsrecht vom Kauf eingeräumt worden sein – nicht erst bei der Lieferung. Bedingungen, die viele Verträge vor allem von Händlern aus dem südlichen Deutschland nicht erfüllt würden. „Im Ruhrgebiet gibt es da bisher keine Probleme,“ sagt Böse
Auch an Ruhr ist der Wohnmobilmarkt angespannt
Die Lage der Branche an Rhein und Ruhr aber ist angespannt. „Was sich bei den Preisen der Hersteller derzeit abspielt, ist nicht lustig“, bestätigt ein Wohnmobilhändler aus Mülheim, der ungenannt bleiben möchte. Von den stetig länger werdenden Lieferzeiten wolle er gar nicht erst reden. „Manchmal dauert es so lange, da ist schon das Nachfolgemodell auf dem Markt. Und das ist immer ein ganzes Stück teurer. Ohne die Fälle zu kennen, nimmt er seine Kollegen in Schutz. „Einigen steht das Wasser wirklich bis zum Hals.“
Selbst Böse räumt ein: „Der Händler ist in vielen Fällen lediglich der Bote der schlechte Nachrichten. In der Regel sind sie selbst von Preiserhöhungen seitens der Hersteller überrascht worden.“ Erste Wohnmobilbauer hätten ihren Händlern auch bereits Lösungen angeboten, um ohne Preiserhöhung bestehende Verträge erfüllen zu können. Für den Anwalt ist das der einzig gangbare Weg. „Auf den Schultern der Kunden darf das jedenfalls nicht ausgetragen werden.“
Familie Redetzke ist jedenfalls mangels Klausel in ihrem Vertrag guter Dinge, ihr Wohnmobil demnächst zum ursprünglich vereinbarten Preis zu bekommen. „Wir gehen davon, dass wir damit im Sommer in Urlaub fahren.“