Ruhrgebiet. Die Emscherregion soll besser vor Hochwasser geschützt werden. Für 500 Millionen Euro bekommt der Fluss auch mehr Auslauf. Das wird man sehen.

Als am 14. Juli der Himmel aufbrach, als die Ahr Menschen mitriss und die Städte an ihrem Lauf verwüstete, als die Ruhr anschwoll und Häuser und Gaststätten an ihren Ufern überflutete, als halb Hagen im Wasser versank – an diesem Tag hatte die Emscherregion noch Glück. Hätten sich die Gewitterzellen etwas versetzt abgeregnet, wären die Schäden wohl auch hier in die Milliarden gegangen, hat die Emschergenossenschaft (EGLV) ausgerechnet. „Die Hochwasserwelle ist durch eine Rückhaltefläche in Castrop abgefedert worden“, sagt Frank Dudda, Oberbürgermeister von Herne und Ratsvorsitzender der EGLV. „Unser Warn- und Schutzkonzept hätte nicht funktioniert.“ Das soll sich ändern.

Die „Roadmap Krisenhochwasser“

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500 Millionen Euro soll die „Roadmap Krisenhochwasser“ maximal kosten, grob überschlagen, verteilt auf 15 Jahre. Das Paket stellte die Emschergenossenschaft und Lippeverband am Mittwoch vor. Wie viel die einzelnen Maßnahmen kosten, soll für die wichtigsten Projekte bis zum Herbst feststehen. Das sind die wichtigsten Punkte.

Mehr Emscher-Auen: Rückhalteräume braucht das Land. Die Emschergenossenschaft will aus der Not eine Tugend machen: Bekommt der Fluss mehr Raum, nimmt das einer Hochwasserwelle die Spitze – und zugleich wird die Emscher attraktiver, ökologisch und für den Betrachter. Größere Auen würden auch die Umgebung kühlen und Stickstoff aus der Luft aufnehmen. Allerdings sind neben den bereits fertigen oder im Bau befindlichen Auen (wie im Holtener Bruch in Oberhausen) nur wenige neue Räume frei. Darum muss man kreativ werden.

Zwischen Dortmund und Recklinghausen fließt die Emscher noch tief eingeschnitten, meist mit einem „Treppenabsatz“ in diesem V-Ausschnitt, auf dem einst die Wartungsfahrzeuge fuhren. Nimmt man diesen Absatz fort, verbreitert sich das V zum U. Wie das aussieht, kann man schon in Dortmund-Deusen erleben, wo die Emscher zwar weiter in ihrem alten kanalähnlichen Bett fließt, aber das ist plötzlich voller Leben, weil die Emscher doch deutlich mehr Raum hat, um zu schlängeln. Die Emschergenossenschaft will so eine Million Kubikmeter Rückhaltevolumen schaffen.

Felder als Notpolder

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502 Hektar Felder und Wald gibt es aber doch noch am Fluss, die man als Notpolder nutzen könnte. Allerdings müsste man hierzu Vereinbarungen mit den Eigentümern treffen. Gleiches gilt für „Notwasserwege“, über die das Hochwasser mit möglichst wenig Schaden abfließen kann. Zur Absicherung dieser potenziellen Überschwemmungsflächen müssten rund 17,5 Kilometer Deiche nach hinten versetzt oder neu gebaut werden.

Deiche erhöhen: Es wird sowieso gerade gebaut, um rund 60 Kilometer Deich entlang der Emscher zu ertüchtigen. Die Emschergenossen wollen die Dämme nun auch um einen „Klimafolgenzuschlag“ von 20 Zentimeter erhöhen, um für Extrem-Hochwasserereignisse besser gerüstet zu sein, erklärt ELGV-Chef Uli Paetzel: „Wir übererfüllen schon jetzt alle Normen. Aber wir wissen, dass durch den Klimawandel höhere Hochwasserereignisse häufiger werden. Es gibt keinen absoluten Schutz, aber die 20 Zentimeter machen den Unterschied aus zwischen einem 100-jährigen und einem 500-jährigen Hochwasser.“

Die Deiche sollen auch „sicher überströmbar“ gemacht werden, damit sie auch im Falle eines Falles standsicher bleiben. Die großen Überschwemmungen passieren meist, wenn Dämme durch „rückschreitende Erosion“ brechen.

Neue Sirenen und Pegel

Schnellere Hochwasserwarnungen: Wasserstände und Fließgeschwindigkeiten werden mit Pegeln gemessen, es braucht einfach mehr davon, weil stark lokale Starkregen zunehmen. Im vergangenen Jahr ist zum Beispiel der Deilbach bei Essen-Kupferdreh, ein Zufluss der Ruhr, plötzlich über die Ufer getreten und hat viel Schaden angerichtet. Man muss also auch die Nebenflüsse beobachten, die Emschergenossenschaft will im Gebiet von Emscher und Lippe 30 zusätzliche Pegel verbauen. Die Pegel sollen auch alle 15 statt 30 Minuten Daten liefern.

Krisenkommunikation verbessern: Hochwasser können nur bewältigt werden, wenn viele Akteure Hand in Hand arbeiten. Die EGLV will eine „Plattform für einen standardisierten Informationsaustausch“ schaffen, auf die alle Anrainerstädte, Wasser- und Katastrophenschutzbehörden zugreifen können. Dort sollen auch andere Anlieger und Institutionen detaillierte Hochwasservorhersagen bekommen. Dazu soll ein Konzept entwickelt werden, wie man die Bevölkerung in hochwassergefährdeten Bereichen am besten informiert. „Die Bürger müssen sich daran gewöhnen, dass neue Sirenen gebaut werden“, sagt Bodo Klimpel, Ratsvorsitzender Lippeverband und Landrat des Kreises Recklinghausen. Denn so schnell und direkt wie ein Heulton ist keine Warn-App.