Marseille. Die französische Justiz hat sieben Jahre nach dem Germanwings-Absturz das Verfahren eingestellt. Das Unglück habe niemand vorhersehen können.
Sieben Jahre nach dem Germanwings-Absturz in den Alpen hat die französische Justiz das Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eingestellt. Das Strafgericht in Marseille kam zu dem Ergebnis, dass niemand habe vorhersehen und verhindern können, dass der Copilot den Airbus am 24. März 2015 absichtlich zum Absturz bringt und gegen einen Berg steuert, sagte die Sprecherin der Kammer für Massenunfälle am Donnerstag. Alle 150 Menschen an Bord des Flugs von Barcelona nach Düsseldorf kamen ums Leben. Die meisten Opfer stammten aus Deutschland, viele davon aus Nordrhein-Westfalen. Bei dem Absturz kamen auch 16 Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen aus Haltern ums Leben.
In dem Verfahren hatten die Ermittler auch eine mögliche Verantwortung von Germanwings und der Konzernmutter Lufthansa klären wollen. Die Richter entschieden, dass der Straftatbestand der fahrlässigen Tötung weder gegen natürliche noch gegen juristische Personen erfüllt ist. Damit sprachen sie etwa die von dem Copiloten konsultierten Ärzte sowie die Geschäftsführer der Germanwings – heute Eurowings – und der Konzernmutter Lufthansa von jeglicher strafrechtlichen Verantwortung frei, das heißt von der Begehung eines möglichen Fehlers.
Für seine Entscheidung stützte sich das Gericht unter anderem auf einen Arzt, der als Inspektor für öffentliche Gesundheit tätig ist, und auf ein psychiatrisches Gutachten. Im Endergebnis sei die selbstmörderische Tat des Copiloten trotz seiner festgestellten psychischen Störungen nicht vorhersehbar gewesen, befanden die Richter. Sein Arbeitgeber sei nicht über die Gründe seiner Arbeitsunterbrechungen informiert gewesen und der Copilot habe weder den flugmedizinischen Dienst noch Kollegen ins Bild gesetzt. Die Richter am Oberlandesgericht (OLG) Hamm wiesen am Dienstag die Berufungsklage mehrerer Angehöriger zurück, die von der Germanwings-Mutter Lufthansa zusätzliches Schmerzensgeld in Höhe von 30 000 Euro gefordert hatten.
Germanwings-Absturz: Hinterbliebene verklagen Bundesbehörde
In Deutschland hatten Hinterbliebene der Opfer zuletzt das Luftfahrtbundesamt verklagt – nachdem sie zuvor in zwei Instanzen gescheitert waren. Sie hatten von der Germanwings-Mutter Lufthansa zusätzliches Schmerzensgeld in Höhe von 30 000 Euro gefordert hatten. Die Lufthansa sei der falsche Adressat, wenn man Versäumnisse der Fliegerärzte geltend machen wolle, hatten die Gerichte ihnen verdeutlicht.
Vielmehr sei der Bund der richtige Anspruchsgegner. Dessen Behörde, das Luftfahrtbundesamt (LBA), sei verantwortlich für die Prüfung der Flugtauglichkeit. „Niemand“, hatten die Essener Richter einen Vergleich gezogen, „würde auf die Idee kommen, einen Fahrlehrer zu belangen, wenn sein Fahrschüler Jahre später in den Gegenverkehr fährt.“
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Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Julius Reiter, dessen Kanzlei „baum reiter & collegen“ bereits Opfer der Duisburger Loveparade-Katastrophe vertreten hatte, geht davon aus, dass die Klage auf ein erhöhtes Schmerzensgeld im Frühjahr 2022 steht. Er sei „zuversichtlich, dass es mehr geben wird“.