Bochum/Köln. Auch Kinder bekommen mit, dass es in der Ukraine Krieg gibt. Expertinnen geben Tipps, wie Eltern auf Fragen und Ängste reagieren sollten.
Nachrichten im Fernsehen, Sondersendungen im Radio, große Bilder und Schlagzeilen in den Zeitungen und Zeitschriften sowie zahllose Posts in den sozialen Medien. Auch an Kindern und Jugendlichen geht der Konflikt in der Ukraine nicht vorbei. „Kinder schnappen unglaublich viel auf“, bestätigt die Kölner Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf, Autorin des Buchs „Über Terror und Gewalt mit Kita-Kindern sprechen“. „Sie spüren auch, dass bei Vater oder Mutter irgendetwas anders ist.“
Abzuwiegeln und zu behaupten, „es ist nichts“, sei die falsche Reaktion, sagt Raffauf. „Das Kind weiß dann nicht, ob es Mutter und Vater nicht trauen kann oder seinen eigenen Gefühlen.“ Eltern sollten stattdessen ein offenes Ohr für die Fragen und Ängste des Nachwuchses haben, sagt Silvia Schneider, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum. „Man darf sie mit diesen Bildern nicht alleine lassen.“ Man darf sie auch auf keinen Fall unterschätzen. Selbst im Kindergartenalter bekommen Jungen und Mädchen schon mit, wenn es Konflikte gibt, stellt Schneider klar.
Fragen möglichst sachlich und neutral beantworten
„Wenn Kinder dann Fragen stellen, sollte man sie möglichst sachlich und neutral beantworten“, rät sie. „In einer Sprache, die dem Alter des Kindes gerecht wird.“ Und mit Beispielen, die es versteht. Indem man etwa bei einem Kita-Kind den Konflikt mit dem Streit im Sandkasten vergleicht, den der Nachwuchs erlebt hat. „Das macht die Problematik nachvollziehbar.“
Von vorsorglichen Erklärungen rät die Bochumer Psychologin ab. „Eltern sollten ihrem Kind das Thema nicht aufdrängen.“ Aber sie dürfen natürlich fragen, „wie ist das für dich?“ wenn der Nachwuchs Anzeichen von Sorge oder Furcht zeigt. Und sich bei Antworten auf mögliche Fragen kurz fassen, keine Vorträge halten.
„Zuversicht und Kontrollierbarkeit“ ausstrahlen
Wie viel Information Eltern ihren Kindern geben sollten, hänge dabei weniger vom jeweiligen Alter als von Entwicklungsstand und Persönlichkeit der Jungen und Mädchen ab, erklärt Heidi Igl, Oberärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Kinder- und Jugendklinik Datteln. Es sei wichtig, vom Kind auszugehen. „Da sollte jedes Elternteil sein Kind realistisch einschätzen“, betont sie. Bei Kleinkindern sollte man allerdings möglichst nicht so stark ins Detail gehen. Für sie seien „Tagesschau“ und ähnliche Formate noch nicht geeignet.
„Manche Kinder wollen gar nicht so viel darüber reden“, weiß auch Schneider. Aber sie machen sich Gedanken. „Was hat das mit uns zu tun? Kommt das hierhin? Wie geht es den Kindern da drüben?“, zählt Raffauf einige dieser Gedanken auf. Wichtig sei es für Eltern, sagt Schneider, „Zuversicht und Kontrollierbarkeit“ auszustrahlen und deutlich zu machen, „dass die Politik alles tut, um den Konflikt zu lösen.“
Jede Menge „Fake News“ prasseln auf Jugendliche ein
Eine Frage nicht beantworten zu können, sei kein Problem. „Eltern dürfen auch mal sagen: Ich weiß das nicht.“ Und sie dürfen auch mal die eigene Gefühlswelt offenbaren. „Dauerhaft Überforderung und Resignation zu zeigen, macht es allerdings für die Kinder schwierig.“ Grundsätzlich aber, sagt Schneider, „sind Kinder belastbarer, als wir denken. Man muss sie nicht immer in Watte packen und aus allen schwierigen Situationen herausnehmen.“
Videospiel gestählte Teenager haben mit Bildern von heranrollenden Panzern oder zerstörten Innenstädten vielleicht weniger Schwierigkeiten als Jüngere. „Aber auch mit ihnen muss man im Dialog bleiben“, sagt Schneider. Denn auf sie prasselt in den sozialen Medien eine wahre Flut von Nachrichten ein, darunter – gerade im Fall der Ukraine – auch jede Menge „Fake News“.
Fernsehverbote bringen nach Ansicht von Experten nichts
Eltern, rät die Bochumer Expertin, sollten ihren Jungen und Mädchen helfen, ein Bewusstsein für dieses Problem zu schaffen und den Umgang damit zu lernen. Ohne aber die Jugendlichen dabei in die Enge zu trieben. „Sonst ziehen sie sich zurück.“
Und was ist mit Fernseh- und/oder Internet-Verboten? Raffauf muss lachen. „Das gab es früher, aber das bringt nichts. „Ein Verbot macht vieles ja erst interessant“, ergänzt auch Heidi Igl. Raffauf schlägt stattdessen vor, mal ein paar Stunden ganz bewusst die Medien nicht zu nutzen, um in der Infoflut nicht unterzugehen. „Das würde“, ist sie überzeugt, „aber auch vielen Erwachsenen gut tun.
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