Ruhrgebiet. Sportpsychologen loben die geplante Reform des Kinderfußballs: Kleinere Teams und mehr Tore verhinderten Frust und förderten den Spaß am Spiel.
Spielen, Spaß haben, den Ball kriegen, Tore schießen: Das ist es, was Kinder wollen. Und was sie zuhause gern erzählen. Sagt der Sportpsychologe Dr. Sebastian Altfeld, der die geplante Reform des Nachwuchsfußballs „großartig“ findet. Und „großartig“, sagt auch Miriam Kohlhaas, die als Pädagogin ebenfalls Sportmannschaften psychologisch betreut. Die neuen Regeln, die ab 2024 gelten sollen, förderten die Freude am Sport und die Motivation, denn: Bei kleineren Teams und mehr Toren ist bald jedes Kind mal am Ball.
Aber die Kinder müssen doch das Verlieren lernen!, rufen gerade viele Eltern, sie loben den Wettbewerb und fürchten weniger Leistungsanreize. Aber darum geht es gerade, sagt Altfeld, der von Iserlohn aus viele Eltern und Mannschaften coacht: Ob ein Team verliert oder gewinnt, habe das einzelne Kind ja gar nicht unter Kontrolle. Es könne auch altersbedingt, von seiner Hirnentwicklung her, den Unterschied zwischen der Mannschafts- und der eigenen Leistung noch gar nicht machen: „,Ich bin schlecht’ und ,Das war schlecht’, sagt der Psychologe, „können Kinder bis zum Alter von etwa zehn Jahren nicht trennen.“
„Verloren: Scheiße, gewonnen: super“
Eine Niederlage also beziehe der Nachwuchs eher auf sich. Einen Sieg übrigens auch: Das Kind sieht ja, wie die Eltern jubeln (oder auch nicht). Das könne zu Frustration führen: Ich habe nicht gespielt, ich habe den Ball nicht gekriegt, ich habe nicht gewonnen (und Mama und Papa sind enttäuscht von mir) – ich habe keine Lust mehr aufs Training. „Das“, sagt Sebastian Altfeld, „wäre eine schädliche Botschaft.“ Und durch die Verkleinerung der Spielfelder zu vermeiden; da kommt künftig jeder mal dran und bei vier Möglichkeiten auch vors Tor. „Da kann“, sagt Miriam Kohlhaas, „jeder mal ein Tor schießen.“
Aber man nimmt den Kindern den Wettbewerb!, ist auch so eine Klage, weil es bald keine jungen Ligen mehr geben soll. Aber es werden ja bloß die Punkte weggenommen, die Tabelle, das Ergebnis, entgegnet Altfeld. Sich zu messen, lerne das Kind trotzdem: Es bleibe die Erfahrung, „dass es den Ball verliert, dass es danebenschießt, dass ein anderes Kind schneller ist“. Was bedeutet, dass der kleine Kicker, die kleine Kickerin sich mit sich selbst auseinandersetzen kann, an seinen persönlichen Misserfolgen arbeiten: „Der hat mir den Ball abgenommen, also was kann ich ändern?“ Auf das schlichte Ergebnis eines Mannschaftsspiels („verloren: Scheiße, gewonnen: super“), meint der Sportpsychologe, habe das Kind weniger Einfluss.
Auf mehr solcher Selbstwirksamkeit hofft auch Miriam Kohlhaas. Sport sei „eine tolle Möglichkeit, Kinder auf das Leben vorzubereiten“. Wichtiger als Leistung, die ab 12, 13 Jahren ohnehin stark im Fokus stehe, sei es aber, sogenannte „Softskills“ zu lernen: Empathiefähigkeit, Kommunikation, Wertschätzung, der soziale Umgang miteinander, das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen im Team – was leichter sei, je kleiner dieses Team ist.
Bislang, sagt die Expertin, habe „nur Leistung gezählt“
Den Wettbewerb an sich, meint die Pädagogin, die jahrelang auch Vereine im Ruhrgebiet wie etwa Rot-Weiß Oberhausen sportpsychologisch betreut hat, könnten Kinder „schon aushalten“. Zu lange aber habe man gerade im Fußball nur auf das Ergebnis geachtet, nur den Besten gesehen, „nur Leistung hat gezählt“. Dabei sei das Wachstum des Einzelnen häufig untergegangen. Viele hat Sebastian Altfeld gesehen, „die ihr Potenzial gar nicht abrufen können“, weil der Druck zu groß sei. Für Miriam Kohlhaas ist wichtig, dass der Nachwuchs lernt: „Es sind nicht alle gleich.“ Und: „Ich kann etwas schaffen, dem Team helfen, auch wenn ich nicht der größte Torschütze oder Torwart bin.“
Beide Experten sind deshalb voll des Lobes, dass diese Erkenntnisse „endlich auch im Fußball angekommen“ sind, wie Miriam Kohlhaas sagt. Dem Deutschen Fußballbund (DFB) zollt Kollege Sebastian Altfeld sogar „Respekt“ für die wissenschaftlich begleiteten Reformbemühungen: Man fördere damit „Dinge, die in dem Alter sinnvoll sind. Das wünschte man sich für andere Bereiche auch.“