Dinslaken. Kinderfeuerwehren haben großen Zulauf. Löschen darf der Nachwuchs noch nicht, aber sonst tolle Sachen machen – wie den Pflasterführerschein.

Kinderfeuerwehr – das ist da, wo sie noch „Boah!“ rufen, wenn tüchtig Wasser aus dem Strahlrohr kommt. Wo statt eines Helms eine Kappe auf dem Kopf sitzt, mit einem Feuerwehrauto drauf. Wo die „Uniform“ eine Weste ist in Rot und Himmelblau. Aber Kinderfeuerwehr – das ist auch da, wo selbst die Kleinsten den Ernst der Lage schon begriffen haben: „Toll, dass die Leute freiwillig hier sind, um anderen zu helfen!“ Die wollen nicht nur spielen.

Mit Schwung hat Thea den Schlauch ausgeworfen, leichter ist der und kürzer, der fünf Meter lange für Große ist ihr echt zu schwer. Und trotzdem… plumpst das Ding auf den Boden. Aber es brennt ja zum Glück gar nicht, auf dem Hof der Feuerwache in Dinslaken wird heute nur geübt. Für später, denn auch, wenn auf den Leibchen A steht wie „Angriffstrupp“ und W wie „Wassertrupp“: Kinderfeuerwehrleute löschen (noch) nicht. Also Schlauch mit beiden Armen ausrollen, Thea (10) lacht sich kaputt, es ist ein bisschen peinlich, aber Louis hat schließlich auch fast seinen Einsatz verpasst: „Erstes C-Rohr, Wasser marsch!“, ruft der Elfjährige. Mason (7) dreht auf, eine Fontäne geht in die Luft, der Wind fährt hinein – alle nass. Was für ein Spaß!

Erstes C-Rohr, Wasser marsch! Emily (9) und Louis (11) lassen es auf dem Hof der Dinslakener Feuerwache tüchtig spritzen. Auf ihren Leibchen steht ein A für Angriffstrupp.
Erstes C-Rohr, Wasser marsch! Emily (9) und Louis (11) lassen es auf dem Hof der Dinslakener Feuerwache tüchtig spritzen. Auf ihren Leibchen steht ein A für Angriffstrupp. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Papa, Mama, Kind und Kegel: Feuerwehr ist eine „Familiensache“

Darum geht es in den ersten Jahren bei den Freiwilligen Feuerwehren im Land: Kinder an die Sache heranzuführen, bevor sie sich festgelegt haben auf Fußball oder einen anderen Verein. Bis vor wenigen Jahren gab es in NRW nur die Jugendfeuerwehr, Eintrittsalter zwölf, das war für viele schon zu spät. Inzwischen darf es mit Sechs losgehen, und das nicht nur wegen der Nachwuchswerbung: Christoph Schöneborn, Sprecher des Feuerwehrverbandes, legt Wert darauf, dass es auch um die Familie geht. „Die Feuerwehr ist eine Einrichtung aller Generationen, das wollen wir fördern: eine Familiensache!“

Beispiele? Mason, der Siebenjährige, kam durch seinen großen Bruder zur Feuerwehr, später folgte Papa Felix, schon weil er nicht nur der Bringdienst sein wollte, dann auch Mama Dana. Mason findet’s prima, „dann bin ich nicht der einzige Feldkamp hier“. Oder Heike Borgmann, die „Chefin“ der Dinslakener Kinder: bald vier Jahrzehnte bei der Feuerwehr, einst erste Frau im Team, Vater, Onkel, Cousins waren vor ihr da, und der Ehemann war einst ihr Atemschutzgeräte-Trainer. Eigentlich klar, dass zwei Söhne ebenfalls nachzogen, der Ältere macht gerade seine Ausbildung bei der Feuerwehr Essen. Es fängt also mit den Kindern an, alles ist, sagt auch Dana Feldkamp, „ein bisschen Familie“.

Rote Autos, spritzendes Wasser, Tatütata!

Gerätekunde am Feuerwehrauto: Heike Borgmann, Leiterin der Kinderfeuerwehr in Dinslaken, erklärt Louis, Mason, Emily, Thea und Mattia (v.l.) den Verteiler.
Gerätekunde am Feuerwehrauto: Heike Borgmann, Leiterin der Kinderfeuerwehr in Dinslaken, erklärt Louis, Mason, Emily, Thea und Mattia (v.l.) den Verteiler. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Und dann hat Sprecher Schöneborn noch ein Argument: das Image. „Wenn man sieht, wie glücklich die Kinder gemacht werden!“ Es ist ja kein Klischee, dass schon die Kleinsten diese Faszination haben für rote Autos, spritzendes Wasser, Tatütata. Obwohl sie dem in Dinslaken längst entwachsen sind: reden von MTF (Maschinentransportfahrzeug) und WLF (Wechselladerfahrzeug), von Sprühstrahl und Vollstrahl und wissen genau, dass man den „Zumischer für den Schaumangriff“ zum Beispiel bei Reifenbränden braucht. Sie lernen hier, wie man einen Notruf absetzt, die Bedeutung der Verkehrsschilder und Erste Hilfe.

Das Blut malen sie mit rotem Filzstift auf die Finger, aber dann: wickeln Mullbinden um Arme, Hände und schließlich sogar Danas Kopf, erfinden wilde Geschichten über Treppenstürze, Verbrennungen am Eierkocher, „nein, warte, das war ganz anders“! Aber wenn sich zuhause wirklich mal jemand schneidet beim Paprika-Schnippeln, dann wissen diese Kinder, was zu tun ist. Und mindestens beherrschen sie das Wort mit T: „Trösten“, sagt Heike Borgmann nämlich, „kann auch Erste Hilfe sein.“ Falls mal jemand kein Blut sehen kann. „Es muss nicht jeder alles können.“

Schon der große Bruder „brannte“ für die Feuerwehr

33 Feuerwehr-Kids sind sie in Dinslaken, elf davon Mädchen, und sie lieben es, „was zusammen zu machen“, sagt Mattia (11), der Feuerwehr „einfach nur spannend“ findet. Emily (9) mag „die Kameradschaft“, Mason findet gut, dass sie hier „Menschen retten und auch Tiere“, und „alles“, sagt Thea, „macht extrem viel Spaß“. Wie sie gebastelt haben mit alten Menschen im Seniorenheim, daran erinnert sich Louis (11), wie die Rettungshundestaffel da war oder sie mit der DLRG im Speedboot fahren durften über den Rhein. Wie sie regelmäßig Müll sammeln, um die Stadt sauberzumachen, wie sie Karneval feierten – natürlich im Feuerwehr-Kostüm.

Zum Glück nur eine Übung: Louis legt Mattia einen Kopfverband an.
Zum Glück nur eine Übung: Louis legt Mattia einen Kopfverband an. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Schon Theas großer Bruder Tom habe „gebrannt“ für die Kinderfeuerwehr, erzählt Mutter Marion Kassen und bemerkt das Wortspiel gar nicht; ihre „Mittlere“ Maike ist mit 14 eigentlich auch schon zu alt dafür, aber sie ist als Betreuerin geblieben und natürlich längst auch bei der Jugend. Auch so eine Familiengeschichte. „Es ist ein gutes Gefühl, dass man irgendwann helfen kann“, sagt Maike, aber auch das: „Man muss dafür gemacht sein.“ Aber das sind offenbar einige, „wir könnten Kinder aufnehmen ohne Ende“, sagt Heike Borgmann. Was nicht geht, weil sie zu viele sind, es gilt die Regel: ein jeder in seine Stadt.

Nur gibt es Kinderfeuerwehren noch nicht überall. Mit Girlanden aus Hydranten an der Wand, mit selbstgemalten Feuerwehrautos am Fenster, mit kistenweise kleinen Handschuhen, einem eigenen kleinen Löschwagen und einem Fenster zur Wache: Wenn die Großen ausrücken, drücken sich die Kleinen hier die Nasen platt. Bis sie mitfahren dürfen, bringen die ehrenamtlichen Betreuer ihnen bei, „Gutes zu tun, auch ohne Geld dafür zu kriegen“. Und andere praktische Sachen: Thea trägt ihren Ordner herbei, darauf eine Flamme aus Filz und drin ihr „Pflasterführerschein“. Thea nämlich kann Verbinden, steht da: „Ersthelferin von morgen.“

>>INFO: DIE KINDERFEUERWEHR IN NORDRHEIN-WESTFALEN

In Nordrhein-Westfalen war die Kinderfeuerwehr spät dran: Erst sechs Jahre alt ist das am 1. Januar 2016 erlassene Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG). Es senkte das Eintrittsalter in die Feuerwehren auf sechs Jahre. Seither können Kinderfeuerwehren für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren gegründet werden, was in etwa 200 von knapp 400 Kommunen und Kreisen inzwischen auch geschehen ist. Ab dem Alter von zehn Jahren ist der Übergang in die Jugendfeuerwehr möglich. Diese gibt es im Land in fast allen Feuerwehren. Die Mitglieder der Kinderfeuerwehr sind nach dem BHKG ebenso wie ihre Betreuer den ehrenamtlichen Angehörigen der Feuerwehr gleichgestellt. Versichert sind sie über die Unfallkasse NRW.

Wasserspiele machen sogar bei grauem Winterwetter Spaß: Thea (10) schließt die Schläuche an den Verteiler.
Wasserspiele machen sogar bei grauem Winterwetter Spaß: Thea (10) schließt die Schläuche an den Verteiler. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Die Kinderfeuerwehr in NRW hat ihr eigenes Logo. „Blinky“ ist ein blaues Rundumlicht, also das klassische „Blaulicht“. Um seinen Hals hat es einen gelben Feuerwehrwehrschlauch. Und Blinky hat ein Gesicht: Es kann fröhlich gucken – was natürlich fast immer der Fall ist –, es kann aber auch traurig, fragend, zustimmend dreinblicken. Eine Glühbirne zeigt an, wenn Blinky etwas begriffen hat, mit einem Ausrufezeichen ruft es „Achtung!“ und ein grimmiges Antlitz nebst rotem Kreuz bedeutet „Falsch“.

Die Betreuer der Kinderfeuerwehr sind in der Mehrheit Ehrenamtliche, die bei der „Freiwilligen“ keine Einsätze leisten, oftmals Lehrer und Erzieher. Das entlastet die Einsatzkräfte, denen man die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nicht zusätzlich aufbürden wollte. Der Verband der Feuerwehren NRW hat ein Handbuch erstellt, das alle inhaltlichen und rechtlichen Fragen klärt und Ideen für die Jugendarbeit bereithält. www.kinderfeuerwehr.nrw

Dinslaken hat seiner Kinderfeuerwehr einen eigenen kleinen Löschwagen gebaut. Vorn zieht Mason (7).
Dinslaken hat seiner Kinderfeuerwehr einen eigenen kleinen Löschwagen gebaut. Vorn zieht Mason (7). © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

3730 Kinderfeuerwehrleute gab es in Nordrhein-Westfalen zum Stichtag 31. Dezember 2020. So steht es in der Gefahrenabwehr-Statistik des Landes. Inzwischen dürften aber deutlich mehr, nämlich etwa 1000 weitere Kinder erste Erfahrungen bei der Feuerwehr gemacht haben: Trotz Corona verzeichneten die Freiwilligen Feuerwehren im Sommer 2021 eine Gründungswelle.

Die Band RADAU hat den kleinen Feuerwehrleuten ein eigenes Lied geschrieben. Es heißt „Die Feuerwehr“ und hat als Start in den Refrain eine ganz bekannte Melodie mit dem nahe liegenden Text: „Lalülala“. Weiter geht es im Kehrvers: „Es ist bekannt, bei einem Brand: Wer kommt sofort her? Die Feuerwehr! Retten, schützen, bergen. löschen, wer kommt sofort her? Die Feuerwehr!“