Essen/Dortmund. Die Infektionszahlen steigen in atemberaubendem Tempo. Was bedeutet das für die Kontaktverfolgung durch die Gesundheitsämter im Revier?

Vor einer Woche kam die Nachricht vom Labor: „Positiv“. Seitdem hat Jan Schmidt (Name geändert) nichts mehr gehört. Es geht ihm gut zum Glück, ging es fast die ganze Zeit. „Leichte Kopfschmerzen“ an den ersten beiden Tagen, ein „wenig schlapp“. Am Dienstag will er sich freitesten. „Dann gehe ich wieder zur Arbeit.“ Vom Gesundheitsamt hat sich niemand bei dem 22-Jährigen gemeldet. „Kein Anruf, kein Brief, nichts.“ Das ist noch nicht die Regel, aber auch längst kein Einzelfall mehr.

Denn die Gesundheitsämter im Ruhrgebiet stoßen durch Omikron längst an ihre Grenzen, manchmal sind sie längst weit darüber hinaus. In Mülheim etwa werden nur noch Infizierte angerufen, die älter sind als 65 Jahre. Alle anderen bekommen eine schriftliche Nachricht. Auch die Stadt Dortmund hat es aufgegeben, alle Betroffenen anzurufen. Frank Renken, Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes, kann das Problem mit wenigen Zahlen erklären.

Tausende von Anrufen jeden Tag

Wenn man „nur“ von 600 Infizierten am Tag ausgehe und davon, dass jeder davon im Schnitt sechs Kontaktpersonen gehabt habe, komme man auf 4200 Anrufe täglich. Und das auch nur, wenn man alle Nummern hat und beim ersten Anruf jemand abhebt. „Das ist nicht zu schaffen.“

Wer eine Warnung seiner App bekommt, sollte sich testen lassen.
Wer eine Warnung seiner App bekommt, sollte sich testen lassen. © Foto: Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services

Die Kontaktnachverfolgung sei „sehr, sehr schwierig“, räumt auch Peter Renzel, Gesundheitsdezernent der Stadt Essen, ein. Aber sie bleibe „eine zentrale Aufgabe der Gesundheitsämter“. Immerhin: Durch die neue Corona-Schutzverordnung wird sie ein wenig einfacher. Nicht nur, weil sie keinen Unterschied bei den Quarantäneregeln für Delta oder Omikron mehr macht. Wer selbst infiziert ist, steht da auch, muss sich automatisch und auch ohne behördliche Anordnung in Quarantäne begeben. „Da müssen wir nichts mehr anordnen“, erklärt Renzel.

Vulnerable Gruppen schützen

Kontakte will man in Essen aber so lange wie möglich nachverfolgen. Und wie in anderen Städten will man dabei noch mehr priorisieren. Senioren-Unterkünfte, Kitas, Krankenhäuser – „wir müssen herausfinden, wer Kontakt zu vulnerablen Gruppen hatte, um diese Gruppen zu schützen“, sagt Renzel.

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Dafür setzt man neben der Unterstützung aus anderen Ämtern und durch 29 Bundeswehrsoldaten und –soldatinnen -ähnlich wie in Duisburg - auch auf ein SMS-Tool, das zeitnah zum Einsatz kommen soll. Wer beim Test seine Mobilfunknummer angegeben hat – und das machen laut Renzel immerhin rund 65 Prozent der Getesteten – soll einen sogenannten QR-Code auf sein Handy geschickt bekommen. Dieser führt ihn zu einem speziellen Formular im Netz, in dem er unter anderem seine Kontakte oder wo er arbeitet eintragen kann. „Dann müssen wir nicht mehr anrufen, dadurch sparen wir Zeit.“

„Omikron ist so schnell – dagegen kann man nicht gewinnen“

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Und Zeit ist wichtig bei Omikron. Zumal viele Infizierte kaum oder keine Symptome haben und unwissentlich hoch ansteckend sind. „Für viele kommt der positive Test völlig unerwartet“, weiß Renken. Und die Inkubationszeit beträgt nur zwei Tage. Omikron sei so schnell und so ansteckend, „dagegen kann man nicht gewinnen“.

Telefon und Computer helfen den Soldaten und Soldatinnen bei der Nachverfolgung
Telefon und Computer helfen den Soldaten und Soldatinnen bei der Nachverfolgung © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Für den Virologen und Epidemiologen Klaus Stöhr ist das auch nicht nötig. Er hält die Kontaktnachverfolgung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie für nicht mehr angemessen. „Von der Inzidenz her ist es von den Gesundheitsämtern nicht mehr zu stemmen“, sagt er im Podcast „Die Wochentester“ des „Kölner Stadt-Anzeigers“ und des „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. „Wenn ein Großteil der Bevölkerung mild und asymptomatisch infiziert ist und Antikörper hat, wird eine sogenannte Kontaktnachverfolgungs-Quarantäne sinnlos“, so der frühere Leiter des Influenza-Programms der Weltgesundheitsorganisation.

Eigenverantwortlichkeit ist wichtiger denn je

Frank Renken sieht das ähnlich. Aber genau wie Peter Renzel weiß er, dass „das Ende der Veranstaltung noch nicht erreicht“ und Vorsicht angeraten ist. Noch wichtiger aber, da sind sich nahezu alle Experten einig, ist etwas ganz anderes. Betroffene sollten von sich aus in Quarantäne gehen und Kontaktpersonen informieren. Man müsse mehr als je zuvor, sagen sowohl Renzel als auch Renken, „auf die Eigenverantwortlichkeit der Menschen“.