Ruhrgebiet. Saalkarneval wird es in dieser Session in NRW nicht mehr geben. Karnevalisten bedauern das - und akzeptieren. Auch die Züge stehen nun infrage.
Am Montag, dem 13., hatte der Vorverkauf beginnen sollen. „Affentheater St. Johannes“, so wollten Gladbecker Karnevalisten eigentlich ihre Sitzung in der Stadthalle im Februar benennen, und die Vorfreude war groß nach der weitgehend ausgefallenen Session 20/21. Doch dann entschlossen sich die Sitzungspräsidenten eigenhändig zur Absage. Aus eigenem Entschluss und wegen Corona, versteht sich; und sie nannten es eine „richtige Entscheidung, wenngleich sie schmerzt“.
Am Dienstag, dem 14., ist der ganze organisierte Saalkarneval von Nordrhein-Westfalen nachgezogen, vielleicht auch nachgezogen worden, und die „richtige Entscheidung, wenngleich sie schmerzt“, betonen danach so oder ähnlich Karnevalspräsidenten landauf und landab im Rheinland und im Ruhrgebiet. Über Straßenkarneval und Rosenmontagszüge soll erst im nächsten Jahr entschieden werden, doch zeichnet sich eine Tendenz ab: Das wird auch nichts mehr.
„Karnevalsbälle, Partyformate und gesellige Sitzungen erscheinen nicht verantwortbar“
Passiert ist am Dienstag Folgendes: Nach einer digitalen Sitzung der Düsseldorfer Staatskanzlei mit Karnevalsvertretern aus ganz NRW versendet die um 13.01 Uhr eine Pressemitteilung, die so verklausuliert ist wie selten eine. Die nicht völlig unwichtige, die für Millionen Menschen sehr traurige Nachricht nämlich, dass der Saalkarneval ausfallen würde, verbirgt sich hinter der absurd nichtssagenden Überschrift „Landesregierung und Vertreter des Karnevals verabreden gemeinsames Vorgehen / Gesundheitsschutz und Planungssicherheit haben oberste Priorität.“ Ja, gut, und?
Erst weiter unten geht es schmerzhaft zur Sache: „Der Karneval wird angesichts des Infektionsgeschehens, der Belastung der Krankenhäuser und der großen Unsicherheit wegen der Omikron-Variante nicht wie gewohnt stattfinden können.“ „Nicht wie gewohnt“ ist gut, denn jetzt nähern sich die unbekannten Verfasser und Verfasserinnen ganz vorsichtig dem Punkt: „Karnevalsbälle, Partyformate und gesellige Sitzungen, bei der Abstandsgebote und Maskenpflicht nur schwerlich umsetzbar sind, erscheinen in der Session 2021/22 nicht verantwortbar.“ Das gab’s auch selten: Zehn Tage vor Weihnachten ist bereits Aschermittwoch.
Karnevalsgesellschaften erwarten nun finanzielle Unterstützung vom Land
Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. „Helau, gehabt zu haben“, so grüßt bereits Hans-Georg Schweinsberg, der Präsident des Festkomitees Gelsenkirchen. Die Absage sei „bei gesundem Menschenverstand völlig nachvollziehbar“. Hygiene- und Sicherheitskonzepte kämen ein Jahr in die Schublade , „und wir hoffen auf die nächste Session“.
Und so geht es den ganzen Nachmittag weiter. „Uns blutet unser karnevalistisches Herz“, heißt es aus Neuss. Man müsse „darangehen, große gesellige Veranstaltungen in engen Sälen zu unterlassen“, meldet Köln. Das Comitee Düsseldorfer Karneval will sich erst Mittwoch äußern, spricht aber bereits von „wenig Spielraum“. Aachen denkt schon weiter: Es sei wichtig, „finanzielle Lösungen bei pandemiebedingten Absagen für die Karnevalsgesellschaften zu finden.“ Nun, das hat das Land bereits zugesagt.
Etliche Karnevalszüge im Ruhrgebiet und im Rheinland sind bereits abgesagt
Was nun die Züge angeht, über die erst im Winter entschieden werden soll: Da ist nicht nur Düsseldorf bereits ins Stolpern geraten. Wegen des Virus‘ sollte der Zug ja nicht mehr an Rosenmontag, sondern zunächst am 8. Mai durch die Straßen ziehen. Bis jemand entdeckte, dass das Datum wegen des 8. Mai 1945, wegen des Kriegsendes, vielleicht eher ungeeignet ist: Von einem „hochsensiblen Gedenktag an Millionen Kriegstote“ spricht etwa die Jüdische Gemeinde. Neues Datum ist nun der 29. Mai.
Düsseldorf also mag stattfinden, aber längst hat die Verschiebung des großen Zuges rundum einen Dominoeffekt ausgelöst. Nicht verschoben, sondern komplett abgesagt sind inzwischen auch der Zug von Duisburg nach Moers und die Züge in Neuss, Neukirchen-Vluyn, Krefeld, Wesel und Kamp-Lintfort – die Aufzählung ist vermutlich nicht vollständig.
Verbunden sind die Absagen immer auch mit der Begründung, wegen der Absagen der anderen würden nun wahrscheinlich mehr Menschen zum eigenen Zug kommen, als es gut wäre. „Wir haben alle Tränen in den Augen, aber wir müssen Vernunft zeigen“, sagt Hans Kitzhofer, Vorsitzendes des „Kulturausschusses Grafschafter Karneval“ in Moers. Auch er sagt damit nichts anderes als: „Richtige Entscheidung, wenngleich sie schmerzt“.