Ruhrgebiet. Über Weihnachtsmärkte zu Corona-Zeiten wird erneut diskutiert. Ein Gespräch mit Albert Ritter, Präsident der Schausteller: über 3G und Glühwein.
Volkstrauertag, da schläft der Weihnachtsmarkt glatt etwas länger. Mittags erst erscheint Albert Ritter an seiner „Feuerwald“-Gastronomie am Essener Dom und nimmt die Dinge in die Hand. Alles noch sauber vom Putzen gestern nacht? Ja. Fehlt etwas? Ja, da!
Ritter, Gastronom und Präsident der Schausteller in Deutschland, spricht in die Whatsapp-Gruppe seines Betriebes: „Guten Morgen an alle. Ich habe gerade gesehen, wir brauchen Feuerholz. Bitte Holz mitbringen!“ Ende der Durchsage. „So, einer hört das.“
„Unsere Mitglieder sind seit fast zwei Jahren mit einem Berufsverbot belegt“
Aber natürlich hat der Mann gerade größere Sorgen als ein paar Scheite fehlendes Holz. „Mörderisch, das Wochenende.“ Wegen der Diskussion, ob die Weihnachtsmärkte doch wieder abgesagt werden sollten. Mehrmals in der nächsten Stunde rufen Kollegen ihren Präsidenten auf dem Handy an, ringen um Formulierungen für einen offenen Brief an den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der Weihnachtsmärkte am liebsten schließen würde. Am Nachmittag liegt das Schreiben vor.
Tenor: Man habe gerade Leute eingestellt, Ware eingekauft, Buden aufgebaut im Vertrauen auf die Aussage der Politik, dass kein Lockdown mehr komme. „Unsere Mitglieder, sämtlichst Familienbetriebe, sind seit fast zwei Jahren mit einem Berufsverbot belegt und finanziell am Ende“, schreiben sie.
Buden auseinandergezogen, Plexiglas eingebaut, teilweise Maskenpflicht
Albert Ritter ist ein sympathischer und redegewandter Mann; manche nennen ihn den „Kaiser der Schausteller“, die er sehr souverän vertritt. „Wir erfüllen alle gesetzlichen Auflagen, wir machen in Essen 3G wie vorgeschrieben in enger Abstimmung mit den Ämtern“, sagt der 68-Jährige. Man habe alle Buden auseinandergezogen, habe Drängelbänder, Plexiglas und stellenweise Maskenpflicht: „Alles abzusagen, wäre einfach unfair.“
Und, Herr Ritter, 2G? 2G wäre auch möglich, „dann muss man das so ausschildern und verstärkt kontrollieren. Aber das darf dann nicht nur für den Weihnachtsmarkt gelten, sondern für die ganze Fußgängerzone.“ Ein Paar bleibt jetzt stehen, hat mitgekriegt, der Typ da kennt sich offenbar aus. Warum denn der Weihnachtsmarkt noch nicht auf ist? Ritter erklärt den Volkstrauertag bis in seine Vorgeschichte im Preußen des 19. Jahrhunderts zurück. Aber hallo!
1972: „Heißer Rotwein? Auf der Straße trinken? Geht gar nicht.“
Um 14 Uhr ist es dann soweit. Auch der Glühwein beginnt zu fließen. Ritters Vater hatte heißen Wein in Hamburg kennengelernt, „den tranken in der Kälte die Scheuermänner und die Mädels unter der Laterne“. Als er 1972 erstmals Glühwein in Essen anbot, erhitzt in einem Fünf-Liter-Pott auf einem ausgebauten Herd aus dem Wohnwagen, da hätten die Leute gesagt: „Was, heißen Rotwein? Auf der Straße trinken? Geht gar nicht.“
Inzwischen ist er ein Synonym für Weihnachtsmarkt. „Das wurde mehr, und jetzt ist er ein Kultgetränk geworden.“ Fünf Prozent der Beschicker von Weihnachtsmärkten verkauften Glühwein, aber sie zahlen vielsagende 45 Prozent der Standgebühren.
„Wir testen Mitarbeiter jeden Tag. Fragen, ob sie geimpft sind, darf ich sie ja nicht.“
Moden? Moden gibt es auch. „Hier im Ruhrgebiet ist er süßer als in Rheinland-Pfalz . . . Wir hatten mal Kirsch-Glühwein, der ist richtig gut gelaufen, dann plötzlich wurde er wieder schwächer.“ Im Moment heiße der Trend Rosé-Glühwein, er dürfe allerdings gesetzlich nicht Glühwein heißen, sondern „Heißer Rosé-Wein“. Sagen trotzdem alle Glühwein dazu. Prost.
Ach, zum Schluss: Ist denn Glühwein nicht das Gegenteil von Abstand? „Ein, zwei Glühwein, davon wird keiner Tango tanzen“, sagt Ritter. Man wolle ja gar nicht „die, die sich festtrinken, sondern die, die zwischen den Buden flanieren“. Und noch ein Satz zu Corona: „Wir testen unsere Mitarbeiter jeden Tag. Fragen, ob sie geimpft sind, darf ich sie ja nicht.“ Man möchte glatt zum Glühwein greifen.