Essen/Dortmund. Jeden Tag gibt es Ärger. Wie die Angestellten im Einzelhandel und an Tankstellen mit Menschen umgehen, die sich weigern, eine Maske zu tragen.
Ob beim Einkauf im Supermarkt, im Restaurant oder beim Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel: In den vergangenen anderthalb Jahren kam es an vielen Orten zu Konflikten über Corona-Maßnahmen. Trauriger Höhepunkt war der tödliche Schuss auf einen Tankstellenkassierer in Idar-Oberstein. Ein Einzelfall, zum Glück, aber Ärger gibt es fast jeden Tag.
Masken-Streit beim Einkaufen? Knatsch in der Kneipe? Krach am Kiosk? Zoff an der an der Zapfsäule? Einzelhändler, Restaurantbesitzer oder Tankstellenbetreiber reden nicht gerne über dieses Thema. Und wenn, dann nur anonym. „Sonst hast du am nächsten Tag die ganzen Bekloppten im Laden“, sagt einer.
Randale im Kassenraum
Einige sind offenbar aber auch so da. Wie in Hagen, dort kam es erst am vergangenen Wochenende zu einer „körperlichen Auseinandersetzung“, als in der Filiale eines Discounters ein 58-jähriger Mann ohne Mund- Nasen-Schutz von einem Mitarbeiter auf die Maskenpflicht hingewiesen wurde. Und in Gütersloh randalierten vor einiger Zeit eine 44-jährige Frau aus dem Ruhrgebiet und ihr 45-jähriger Freund an einer Tankstelle, weil sie gebeten worden waren, eine Schutzmaske zu tragen. Das Duo räumte Regale leer, riss die Corona-Schutzscheibe aus ihrer Verankerung, warf Geld durch den Raum und pöbelte die alarmierten Polizisten an.
Auch interessant
So schlimm ist es bei Michaela Schmidt*, die seit 20 Jahren in einem Kiosk in Gelsenkirchen arbeitet, noch nicht gekommen. „Aber Ärger gibt es jeden Tag“, sagt sie. „Was wir uns seit Corona in Sachen Maskenpflicht gefallen lassen müssen, ist eine Zumutung.“ Beleidigungen, Bedrohungen, Anspucken – „alles schon erlebt“. „Es zerrt auch an den Nerven, wenn ich zehn Mal am Tag über die gleichen Dinge diskutieren muss.“ Zumal die Ausreden der Kunden „einfach nur zum Kopfschütteln“ seien.
Immer die gleichen Ausreden
Ein Tankwart aus Essen kann das bestätigen. „Klassiker sind: Ich bin geimpft, Das ist alles Schwachsinn oder Ich kann meine Apps auf dem Handy mit Maske nicht öffnen“, erzählt er. Manche, ergänzt ein Kollege, behaupten auch, sie hätten Atteste. „Aber wenn man die dann sehen möchte, können sie nichts vorweisen“. Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Fachverbandes Tankstellen-Gewerbe, kennt diese Probleme. „Gibt es alles“, sagt er. „Aber die Zahl der Vorfälle ist zuletzt weniger geworden. Die meisten Menschen haben sich daran gewöhnt, Masken zu tragen.“
„Es war schon mal schlimmer“, findet auch Oliver Weber*, der seit einem Jahr die Spätschicht an einer Tankstelle nahe Dortmund schiebt. „Manche, die hereinkommen, haben einfach vergessen, beim Aussteigen ihre Maske überzuziehen. Die entschuldigen sich sofort.“ Bedrohungen hat der 22-Jährige noch nicht erlebt, Gemecker aber hört er jeden Tag. „Oft sind es ältere Menschen, die sich aufregen.“
Abstandsregeln können nicht eingehalten werden
Jüngere dagegen haben offenbar Schwierigkeiten mit Personenbegrenzungen, wie Webers Kollegin Emilia Rosa* berichtet. Vor allem in den Pausen der nahe gelegenen Schule seien statt der erlaubten fünf manchmal bis zu 30 Personen im Kassenraum. „Habt ihr kein Matheunterricht mehr im Unterricht“, fragt Rosa dann und erntet Gelächter. Aggressiv werde da niemand, klüger aber auch nicht. „Am nächsten Tag sind wieder so viele da .“
Entspannter geht es meist bei kleineren Einzelhändlern zu. „Wer in meinem Geschäft keine Maske trägt, dem verkaufe ich nichts“, sagt eine Boutique-Besitzerin aus Dortmund. Bedroht habe sie deshalb noch keiner, einige hätten aber kopfschüttelnd und schimpfend das Geschäft erlassen. „Aber damit kann ich leben.“
„Ich überlege mir, ob ich jeden Kunden auf die Maske hinweisen soll“
Bei Tankstellen ist das nicht so einfach. Wer unmaskiert zum Bezahlen reinkommt, hat den Sprit ja schon getankt. „Da müssen Sie kassieren“, sagt Ziegner. An manchen Tankstellen lässt sich das auch tagsüber am Nachtschalter machen. Und falls es den nicht gibt? „Dann wird die Polizei gerufen.“
Auch interessant
Vielerorts aber wird mittlerweile aber ein Auge zugedrückt. Manchmal sind es auch beide. „Keinen Kunden mehr auf eine fehlende Maske ansprechen!“, hat etwa Webers Chef nach dem Vorfall in Idar-Oberstein seinen Mitarbeitern geschrieben. Weber stört die Anweisung nicht. Zwei Mal geimpft, durch Plexiglas geschützt: „Ich bin da mittlerweile ganz entspannt“. Er hat allerdings nach dem Tankstellenmord auch keine Angst gehabt, zur Arbeit zu gehen. „Ich glaube, dass das eine Ausnahme war.“ Michaela Schmidt hat da Zweifel. „Ich überlege mir mittlerweile, ob ich jeden Kunden auf die Maske hinweisen soll. Nachher bin ich die nächste.“
Einig sind sie sich an Tankstellen, Kiosken aber in einem anderen Punkt. „Das Benehmen vieler Kunden wird immer schlechter“, betont die Verkäuferin eines Discounters. Emilia Rosa von der Tankstelle nickt. „Bei vielen ist die Freundlichkeit mittlerweile völlig verschwunden.“* alle Namen geändert