Essen/Köln. Bestellen im Internet oder selbst „basteln“. Ein falscher analoger Impfpass ist immer einfacher zu bekommen. Aber die Polizei reagiert.

Vor Corona war es nur ein unscheinbares gelbes Heftchen, das bei vielen Menschen oft jahrelang in der Schublade lag. Seit es durch die 2G-Regel aber immer mehr Lockerungen für Genesene und Geimpfte gibt, ist der Impfpass zu einem wertvollen Dokument geworden. Kriminelle versuchen, sich das zunutze zu machen.

Einen gefälschten Impfpass über das Internet zu besorgen, ist nicht schwierig. Die israelische Firma Checkpoint, eines der weltweit führenden IT-Sicherheitsunternehmen, hat beobachtet, dass sich viele Anbieter dazu entschieden haben, nicht nur auf Angebote im so genannten Darknet zu setzen, sondern auch auf dem völlig frei zugänglichen Messenger-Dienst „Telegram“ zu werben. Seit März sei die Zahl der Gruppen, die falsche Pässe anbieten würden, weltweit um 257 Prozent gestiegen.

Preise sind im freien Fall

Insgesamt, schätzen die Sicherheitsexperten, seien derzeit über 2500 Gruppen aktiv – viele von ihnen mit Nutzerzahlen in sechsstelliger Höhe. Das große Angebot drückt auf die Preise. Was im Frühjahr noch knapp 180 Euro kostete, ist mittlerweile für etwas mehr als 80 Euro zu haben. Und bezahlt werden kann auch nicht mehr nur in Kryptowährungen wie Bitcoin. Auch Paypal oder Geschenkgutscheine großer Internetplattformen würden mittlerweile akzeptiert, hat Checkpoint festgestellt.

Weitaus preisgünstiger als die Angebote aus dem Netz lässt sich das begehrte Dokument in Eigenarbeit herstellen. Man kann die gelben Blankobögen ganz einfach und legal im Internet bestellen - fünf Stück für 12,99 Euro. Auch die bedruckbaren Blanko-Aufkleber für die Chargennummern sind nicht schwierig zu bekommen. Ja selbst der Stempel eines Arztes oder eines Impfzentrums lässt sich im Netz ordern, wo Anbieter sie vollautomatisch herstellen. Manchmal fällt es auf, wenn jemand aus Dortmund einen Stempel für eine Praxis aus Dresden ordert aber angesichts der Menge an Bestellungen, „rutsche vieles auch einfach durch“, heißt es in der Branche.

Pässe haben keine fälschungssicheren Merkmale

„Das Problem“, fasst Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes NRW in Düsseldorf die Lage zusammen, „ist, dass die analogen Ausweise keine fälschungssicheren Merkmale haben.“ Wieso sollten sie auch? „Vor Corona war das ja kein Dokument, das gefälscht wurde.“

Apotheker schauen sich Impfpässe genau an.
Apotheker schauen sich Impfpässe genau an. © dpa | Sven Hoppe

Das ist derzeit anders. Dennoch weiß niemand, wie viele falsche Impfpässe im Ruhrgebiet tatsächlich im Umlauf sind. Die meisten Apotheken im Revier melden bisher nur wenige Versuche, mit einem gefälschten Pass ein digitales Impfzertifikat zu bekommen. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein ahnt auch warum. „Wir kennen uns mit Impfpässen aus, wir merken, wenn etwas nicht stimmt.“ Zwar gebe es keine Datenbank, in der sich kontrollieren lässt, ob die eingetragenen Impfungen tatsächlich stattgefunden haben, räumt Preis ein, „aber es gibt andere Merkmale, bei denen wir diskret nachfragen.“ „Bei Auffälligkeiten“, bestätigt auch Nina Grunsky, Sprecherin des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, „rufen wir auch mal bei der Stelle an, die den Pass angeblich ausgestellt hat.“

Polizei im Ruhrgebiet meldet erst wenige Fälle

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„Aus polizeilicher Sicht sind gefälschte Pässe bisher kein Thema“, heißt es bei der Bochumer Polizei. In den vergangenen sechs Monaten habe es gerade einmal fünf Fälle gegeben. Essen verzeichnet aktuell zwei Verdachtsfälle, in Duisburg ist noch gar kein falscher Impfpass bei der Polizei aufgetaucht. „Aber wir haben das Thema natürlich im Blick“, sagt ein Sprecher der Behörde.

Das hat die Polizei in Dortmund auch. 13 Verfahren mit insgesamt 25 gefälschten Ausweisen gibt es dort, in einem Fall wurden gleich zwölf Blanko-Impfausweise mit eingetragenen Corona-Impfungen bei einer routinemäßigen Überprüfung im Lager eines Speditionsdienstleisters gefunden. Auf vielen Dienststellen geht man allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus. Schilderungen im Netz bestätigen diese Vermutung. Bei Besuchen von Stadien, Festivals, Museen oder Restaurants seien Einlasskontrolleure angesichts des Andrangs gar nicht in der Lage, Kopien zu entdecken „Von vielen Fälschungen“, fürchtet ein Polizeisprecher, „erfahren wir gar nichts.“

In Köln gibt es eine spezielle Ermittlungsgruppe

Die Stadt Köln hat auch deshalb eine eigene Ermittlungsgruppe für den Kampf gegen Fake-Impfausweise gegründet - die „EG Stempel“. In 48 Fällen ermittelt sie zurzeit, 18 Tatverdächtige stehen auf ihrer Liste. Einem bestimmten gesellschaftlichen Spektrum lassen sie sich laut Polizei – wie in allen Städten - nicht zuordnen. Das seien einfach Kriminelle, die sich der Situation angepasst hätten.

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Deshalb wird mancher, der betrügen will auch selbst betrogen, wie auf einschlägigen Seiten nachzulesen ist. Immer wieder kommt es vor, dass bestellte Impfausweise zwar bezahlt aber nie geliefert werden. Das Risiko auf Händlerseite ist dabei gering. „Es erstattet“, weiß der Kölner Polizeisprecher Carsten Rust, „ja niemand Anzeige bei uns, weil er seinen gefälschten Impfpass nicht bekommen hat.“