Recklinghausen. Die Recklinghäuserin Maike Köster informiert über die Zusammensetzung von Pflegeprodukten - und zeigt, wie man sie herstellt.
„Meine Mission ist es, dass jeder Mensch die Inhaltsstoffe von Kosmetik versteht“, sagt Maike Köster. Dieses Anliegen ist das Herzstück ihres Start-up „Slothmetics“. Ein Thema, das die 26-Jährige schon lange umtreibt. Bereits nach dem Abitur bloggt sie als Produkttesterin. Dann ist es ausgerechnet eine Lebenskrise, die in der Chemikerin den Mut und die Entschlossenheit weckt, den Schritt zum eigenen Unternehmen zu wagen.
Ursprünglich kommt Maike Köster aus einem kleinen Ort im Kreis Heinsberg. „Aus einem Dorf, wo es nur einen Briefkasten gibt“, sagt sie und lacht. Das Chemie-Studium führt sie nach Aachen. Dann hängen sie und ihr Verlobter Marc Schnitzler ein Studium der Molekularbiologie an – an der Westfälischen Hochschule in Recklinghausen. Hier hat das junge Paar vor drei Jahren seine Zelte aufgeschlagen, gemeinsam mit fünf Kaninchen mit Handicap aus dem Tierschutz. Ein Brückenschlag zum Thema Kosmetik. Denn Tierversuche sind hier immer ein Thema.
„Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Dann ist es ein Zufall, der nachhaltige Pflegeprodukte noch mehr in den Fokus der jungen Frau rückt: „Zu Weihnachten hatte ich kein Geld – wie das so ist bei Studenten. Da habe ich gedacht: Ich habe Chemie studiert, ich mache einfach Lippenpflegestifte selbst.“ Die kommen gut an. Zudem spürt Maike Köster durch ihr Bloggen, es macht ihr Spaß, Menschen etwas beizubringen. Wie also kann man alles vereinen in einem Start-up mit Aussicht auf Erfolg? „Ich habe im Internet gesehen, solche Erklär-Videos werden richtig gut geklickt. Das war immer in meinem Kopf. Aber ich war nie mutig genug.“ Dann kommt die Krise, die alles verändert: Maike Köster erkrankt an Covid-19, leidet danach unter Long-Covid und ist lange Zeit nicht mehr arbeitsfähig. „Und ich dachte: Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Gemeinsam mit ihrem Verlobten gründet Maike Köster vor dreieinhalb Monaten die Unternehmergesellschaft „Slothlab“. So kann die Idee, Online-Kurse rund um die eigene Haut und zum besseren Verständnis von Pflegeprodukten anzubieten, gleich umgesetzt werden. Köster: „Wir wollen, dass unsere Kunden sich selbst eine Meinung bilden können.“
Gerade solche Verbraucherthemen seien in der Pandemie viel mehr in den Fokus gelangt. Nachhaltiges Leben, danach streben viele. Auch in Sachen Hautpflege. Denn hier lauern, so die Chemikerin, viele Fehlinformationen. Ein Beispiel: „Viele glauben, Hyaloronsäure mache Fältchen weg. Das stimmt zwar auch. Der Effekt hält aber nur so lange, bis die Haut das nächste Mal mit Wasser benetzt wird.“ Hyaloron als Faltenkiller, das sei ein Mythos. Ein guter Feuchtigkeitsspender für die Haut sei es dennoch. Aber viel wichtiger sei es doch, sich selbst anzunehmen. „Ich liebe zum Beispiel die Falten meiner Oma. Die erzählen doch eine Geschichte.“
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Dennoch: „Ich sage jedem ab dem 25. Lebensjahr: Tu etwas gegen die Hautalterung. Das heißt aber nicht, schmier dich mit Anti-Faltencremes voll. Viel wichtiger ist ein guter Sonnenschutz. Das sogenannte Foto-Aging, also die Hautalterung durch Sonneneinstrahlung, macht rund achtzig Prozent der Hautalterung aus.“
Was da helfen kann? Stoffe, die freie Radikale abfangen. Zum Beispiel Vitamin E. „Fast alle Pflanzenöle haben ebenso eine antioxidative Wirkung, die man gut nutzen kann.“ Auch wenn die junge Unternehmerin selbst nachhaltig Leben will, sie will nicht alle Kursteilnehmer von Bio-Kosmetik überzeugen. Bei ihr wird keine Ingredienz von Hautpflege grundsätzlich verteufelt. Es gelte: „Alle Produkte, die wir in der EU kaufen können, sind bei sachgemäßer Anwendung ungefährlich.“ Übrigens auch Stoffe wie Aluminium in Deodorants oder Parabene. „Alles nicht so gefährlich, wie man denkt. Für vermutete Spätfolgen gibt es keine wissenschaftlichen Belege.“
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Die kryptischen Zutatenlisten entziffern und bewerten können, das lernen die Teilnehmer an den zwölfwöchigen Online-Kursen der jungen Dozentin für Kosmetik. In Fragestunden können Interessierte zudem auf individuelle Ansätze eingehen. Die eigene Haut besser kennenzulernen und deren Bedürfnisse einschätzen zu können, das ist dafür die Grundlage. Hierfür hat Maike Köster einen Hautpflege-Guide erstellt. Bei „Slothlab“ kann das elf-seitige Dokument kostenlos angefordert werden. Zum Ergebnis gibt es hier noch zahlreiche Tipps zu geeigneten Zutaten für die beste Hautpflege für jeden Typ.
Wer noch tiefer eintauchen möchte, Kosmetik selbst herstellen will, kann das ab sofort mit einem Kit von „Slothmetics“ tun. Liebevoll verpackt kommen auf Bestellung alle Zutaten samt Anleitung zum Kunden nach Hause. Das erste Angebot umfasst einen Lavendel-Toner, eine Gesichtscreme, ein Gesichtsöl und, nach bewährtem Rezept, Lippenpflegestifte. „Das ist unser Herzensprojekt“, sagt die Unternehmerin. Das sieht man auch: Jedes Teil ist beschriftet, jede Zutat ausgewählt. Möglichkeiten, das Rezept nach eigenen Wünschen zu verändern, gibt es für den Kunden (noch) nicht. „Weil jede kleine Veränderung einer neuen Zulassung bedarf. Und da sprechen wir von mehreren tausend Euro.“
Zusammen gestellt werden die Pakete nicht selten daheim in liebevoller Handarbeit. „Das dauert sehr lange und zwischendurch gibt es auch Beziehungskrisen“, plaudert Maike Köster aus dem Nähkästchen und gewährt Einblicke in den Familienalltag in Recklinghausen-Süd. Eines jedoch steht schon fest: Auf lange Sicht wird das Ruhrgebiet das engagierte Unternehmerpaar wieder verlieren. „Ich bin halt ein Dorfkind“, sagt Maike Köster. Trotzdem soll das Unternehmen natürlich wachsen. Die rheinische Frohnatur lacht: „Ich möchte schon ein Imperium aufbauen.“
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