Ruhrgebiet. Spätestens im Oktober wird nur noch von niedergelassenen Ärzten gegen Corona geimpft. Mancher findet das falsch, die Ärzte selbst sagen: Richtig.

Zum 1. Oktober beenden die Impfzentren des Landes ihre Arbeit. Dabei sind längst nicht alle vollständig geimpft, die es sein könnten, und die Booster-Impfungen laufen gerade erst an. Nach heftiger Kritik, zuerst von der Opposition im Landtag („das falsche Signal“), zuletzt vom Krisenstab der Stadt Duisburg, gibt es bei denen, die nun tatsächlich „übernehmen“ sollen, viel Zustimmung für die Entscheidung des Landes.

„Es wäre doch finanziell gar nicht mehr zu verantworten, die Impfzentren weiter offen zu halten“, sagt etwa Monika Baaken, Sprecherin des Hausärzteverbands Nordrhein. Die Corona-Impfungen würden sich „sukzessive in den normalen Praxisbetrieb reinwuseln“, die niedergelassenen Ärzte planten bereits für die Zeit nach der Schließung der Impfzentren, „mit mobilen Teams, für konzertierte Aktionen oder solche in gemeinsamen Räumlichkeiten“. Besonderes Augenmerk liege auf den Senioreneinrichtungen, in denen nun die ersten Auffrischungen anstünden. „Aber da kommen wir ja sowieso sehr oft hin“, erklärt Baaken.

„Die noch nötigen Impfungen können problemlos im ambulanten Bereich erfolgen“

Selfie zum Abschied: der Leiter des Hamburger Corona-Impfzentrums und seine Mitarbeiter am Dienstag.
Selfie zum Abschied: der Leiter des Hamburger Corona-Impfzentrums und seine Mitarbeiter am Dienstag. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

„Es ist richtig, jetzt die Impfzentren zu schließen“, findet auch Andreas Daniel, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). „Die Impfungen, die noch nötig sind, können problemlos im ambulanten Bereich erfolgen.“ Längst würden mehr Impfungen von niedergelassenen Ärzten als in den kommunalen Impfzentren vorgenommen. „Nur 49 Menschen in Westfalen-Lippe etwa erhielten seit Dienstag in einem Impfzentren ihre Booster-Impfung, aber schon 3099 in einer Praxis!“

Ähnlich hatte sich am Mittwoch schon die KV Nordrhein (KVNO) geäußert. Das Impfen werde immer einfacher, so der Vorstandsvorsitzende Dr. Frank Bergmann.

Insgesamt erfolgten im Bereich der KVWL inzwischen 9,4 Millionen Impfungen: 4,5 in Impfzentren, 4,9 in Praxen. Im Bereich der KVNO waren es alles in allem mehr als 12 Millionen, davon 5,6 in Praxen und 6,7 in Impfzentren.

Stadt Duisburg warnt Laumann: Es gibt nicht genug impfbereite Ärzte

In einem Schreiben an Gesundheitsminister Laumann hatte Duisburgs Stadtdirektor Martin Murrack sich vor allem besorgt gezeigt, dass künftig niedrigschwellige Impfaktionen mit kleinen mobilen Teams, die vor Ort gut angekommen seien, „nicht mehr möglich“ seien; zudem „nur ein Bruchteil aller Arztpraxen“ am Impfgeschehen teilnehme.

Die Bereitschaft der niedergelassenen Ärzte, sich an der Corona-Impfaktion zu beteiligen, sei „enorm“, sagt dagegen Anke Richter Scherr, 1. Voristzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe. „Und ich bin überzeugt, dass sich an dieser grundsätzlichen Bereitschaft nichts ändern wird. Im Gegenteil: Die Corona-Schutzimpfung ist in der Hausarztpraxis an der richtigen Stelle. Impfen ist ureigene hausärztliche Aufgabe!“ „3000 Praxen melden uns wöchentlich Impfungen, das war sogar über den ganzen Sommer so als viele Ärzte in Urlaub waren“, ergänzt Andreas Daniel. In wenigen Tagen will die KVWL eine Liste veröffentlichen mit den Adressen aller kooperierenden Ärzte, auch denen, die bereit sind, „fremde“ Patienten zu impfen. Die der KVNO liegt bereits vor, sie benennt 1700 Praxen.

Praxen erwarten keine neuen „Überlastungsprobleme“

„Nicht nachvollziehbar“, sagt Prof. Klaus Weckbecker vom Institut für Allgemeinmedizin der Uni Witten/Herdecke zu Duisburgs Klage über einen Mangel an impfwilligen Medizinern. „Das deckt sich überhaupt nicht mit unseren Erfahrungen. Für Witten und all unsere Lehrärzte kann ich nur sagen: Die ganz überwiegende Zahl ist dabei.“ Dass die mobilen Impfungen, die mancherorts gute Resonanz hatten, nun neu organisiert werden müssen, hält der Wissenschaftler für problematischer. „Denn über allem steht doch das Ziel: Möglichst viele Menschen zu impfen!“ Geimpfte müssten „faktisch nicht mehr in Krankenhäuser“, auf den Intensivstationen seien geimpfte Corona-Patienten „die absolute Rarität“. Andreas Daniel betont, dass mobile Impfaktionen durchaus weiter „möglich“ seien, „die mobilen Teams werden nur nicht wie bisher von den Impfzentren aus beauftragt“.

Überlastungsprobleme in den Praxen, wie zu Beginn der Impfungen bei den niedergelassenen Ärzte, erwarten selbst angesichts der bald beginnenden Grippe-Impfsaison weder Weckbauer noch die Verbände. „Es mangelt nicht mehr an Impfstoff – auch wenn sich das in einer Pandemie rasch ändern kann, wie wir gesehen haben.“ so Weckbecker. „Aber wir haben ja mit der 3. Impfung nicht mehr so einen Zeitdruck. Ob die jetzt oder erst in vier Wochen erfolgt, ist nicht entscheidend.“

Die Situation im Herbst „mit einem Nebeneinander von Corona- und Grippeschutzimpfung“ werde sicherlich „noch einmal eine organisatorische Aufgabe“, räumt Anke Richter-Scheer ein. „Aber wir werden diese Aufgabe gut bewältigen können.“ Man fürchte keine Impfwilligen, „wir freuen uns über jeden“, der sich für eine Impfung entschieden hat“.